EU-Gericht kippt Staatshilfe Condor: Niederlage ohne Folgen

Der EU-Gerichtshof hat die deutschen Staatshilfen an den Ferienflieger Condor gekippt. Quelle: AP

Der EU-Gerichtshof hat wie erwartet die Staatshilfen für Condor gekippt. Doch dank einer bequemen Hintertür wird das Urteil weder den Verkauf an den britischen Investor noch das Überleben gefährden – erstmal zumindest. Ein Kommentar.

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Der Stolz des Siegers war dem Ryanair-Sprecher deutlich anzumerken. „Die deutsche Staatshilfe für Condor war gegen die grundlegenden Prinzipien des EU-Rechts und hat den Markt zum Nachteil der Konsumenten verzerrt“, kommentierte der irische Billigflieger umgehend als das Europäische Gericht Mittwochmorgen die Genehmigung der EU-Kommission für Corona-Hilfskredite an die angeschlagene deutsche Ferienlinie kassierte.

Doch die Freude der Iren ist verfrüht. Denn so dramatisch die Folgen des Urteils auch beim ersten Lesen klingen: Wie bei einem ähnlichen Urteil Mitte Mai gegen Air France und die portugiesische Tap bleibt der Richterspruch erstmal ohne Folgen, weil auch die Condor die 550 Millionen Euro nicht sofort zurückzahlen muss. Zunächst soll die EU-Kommission ihre Genehmigung für den Kredit besser begründen.

Das ist auch geboten. Denn würde der zweithöchste Gerichtshofs der EU das Unternehmen zur sofortigen Rückzahlung verdonnern, ist nicht weniger als das Überleben der Condor in größter Gefahr. Ohne die staatlich abgesicherten Darlehen mit einem vergünstigten Zinssatz wäre der deutschen Fluglinie wahrscheinlich bereits seit langem das Geld ausgegangen. Und auch die Übernahme durch den britischen Finanzinvestor Attestor vor zwei Wochen wäre wohl hinfällig. „Diese Schulden wollten die wie alle anderen Bieter nicht übernehmen“, sagt ein Insider.

Das ist erstmal gestoppt, so die Fluglinie in einer ersten Stellungnahme. Aus Sicht des Unternehmens, heißt es da erwartungsgemäß, „hat das Urteil … keinerlei Auswirkung auf die Liquidität von Condor. Für Kunden und Partner ändert sich nichts“. Dazu sei man „auch weiterhin mit der Bundesregierung, dem Land Hessen und der Europäischen Kommission in engem und konstruktivem Austausch, weil mit der Übernahme von Condor durch Attestor ohnehin eine Umstrukturierung der bereits gewährten Covid-19-Beihilfe einhergeht.“
Doch auch wenn die Condor erstmal weiter fliegen darf, ganz gerettet ist sie noch nicht. Zum einen ist die Rückzahlung nicht gestoppt, sondern streng genommen vorläufig nur verschoben. Nun kommt es darauf an, dass die EU – und damit auch die Bundesregierung – die im April 2020 auf die Schnelle umgesetzte Hilfe besser begründen. Das Überleben eines angeschlagenen Unternehmens zu sichern, reicht da sicher nicht aus, selbst wenn Condor vor der Krise profitabel war und vor allem durch die Insolvenz der damaligen Muttergesellschaft Thomas Cook in Not geraten ist. „Nachdem die EU-Kommission jetzt bereits den zweiten Fall verloren hat, muss sie strenger an die Sache rangehen, allein schon um in Zukunft in ähnlichen Fällen glaubwürdig zu bleiben“, so ein Kenner der Brüsseler Szene.

Das könnte die Condor bereits sehr bald spüren. Denn bei dem Verfahren geht es nicht nur um den Staatskredit in seiner heutigen Form, sondern auch darum, ob die Übernahme durch Attestor Bestand hat. „Zu den Bedingungen des Deals gehörte, dass der Staat auf die Rückzahlung von mindestens 150 Millionen Euro verzichtet“, so ein Kenner des Kaufvertrags. „Attestor und seine Berater rund um das Frankfurter Beratungsunternehmen 360AF hatten da eine vielversprechende Lösung.“ Wie gut sie aber unter den jetzt wohl strengeren Augen der Kommission ist, wird sich zeigen.

Am Ende entscheidend sein könnte ausgerechnet der Verweis auf den Wettbewerb im Fluggeschäft. Denn so sehr Ryanair auch betont, dass der durch die vielen Staatshilfen gelitten hat. Anders als bei Air France trifft das im Falle Condor bestenfalls begrenzt zu, glauben Beobachter. Ryanair hat die Krise der vergangenen Monate nicht genutzt, um in Deutschland zu expandieren. Die Linie hat eher noch stärker gekürzt als etwa Lufthansa.

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Und in Zukunft wäre Condor wohl eher ein Garant für mehr als für weniger Konkurrenz. „Wenn jetzt ausgerechnet die aufgeben müsste, würde die EU indirekt Urlaubsflüge vor allem auf der touristischen Langstrecke aus Deutschland zu weiten Teilen der Lufthansa als Monopol überlassen“, so ein führender Manager eines Reiseveranstalters. „Und das kann kein Wettbewerbshüter und erst recht kein Politiker wollen.“

Mehr zum Thema: Der Einstieg eines britischen Investors rettet den Ferienflieger Condor – vorübergehend. Mittelfristig braucht es Genehmigungen der EU und einen Umbau, um zu überleben. Und ein Rezept gegen die Lufthansa.

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