Europas größter Hotelkette Warum eine Ex-Heuschrecke bei Accor alles umkrempelt

Der neue Accor-Chef Sebastien Bazin hat der größten europäischen Hotelkette einen radikalen Kurswechsel verpasst. Statt die Hotels nur im Rahmen von Pacht- oder Managementverträgen zu betreiben sollen künftig auch wieder eigene Hotels gebaut und betrieben werden. Was das für Accor bedeutet.

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Accor Quelle: Reuters

In den vergangenen Jahren sind die meisten neuen Ketten-Hotels nicht von den Betreibern, also den Ketten gebaut worden, in der Regel waren die Konstrukte wesentlich komplizierter. Ein Bauträger erwarb das Grundstück, das Geld kam von Fondsgesellschaften, deren Anteile gehörten mehr oder weniger kapitalkräftigen Einzelpersonen, von denen viele vor allem an den mit der Fondskonstruktion versprochenen Steuervorteilen interessiert waren. Entstanden sind auf diese Weise zum Beispiel viele Häuser der früheren Kette Dorint, auch das Adlon in Berlin oder das Luxus-Ostseehotel Heiligendamm entstanden so.

Die Anteilseigner der Fonds, formell über ihre Anteile auch Eigner der Immobilie, hatten allerdings selten etwas von ihren Einlagen, weil zu viele andere Beteiligte bei diesem Modell beteiligt waren und die Hand aufhielten. Häufig steckte dabei noch ein und dieselbe Person hinter verschiedenen Funktionen. Wie zum Beispiel bei Anno August Jagdfeld mit seiner Fundus-Gruppe beim Adlon. Jagdfeld war Fondsinitiator und Immobilienentwickler, kassierte Fondsverwaltungs- und Steuerberatungsgebühren, seine Frau entwarf das Interieur.

Kein Einzelfall, die Asset-light-Strategie der Hotelketten führte häufig dazu, dass die Eigner der Immobilie die Dummen blieben. Erst wenn das Objekt im Wege der Zwangsversteigerung günstig den Besitzer gewechselt hatte, verdiente der (neue) Eigner der Immobilie ebenfalls Geld. Insofern ist die neue Accor-Strategie ein interessanter Versuch, solche Auswüchse der bisherigen Arbeitsteilung in Zukunft zu verhindern und die Macht der Immobilienentwickler zu begrenzen.

Allerdings hatten auch die bisherigen Konstruktionen ihre unbestreitbaren Vorteile: Bei den bisherigen Asset-light-Modellen muss der Hotelbetreiber kein Kapital investieren, er zahlt Pacht und dann ist es an ihm, mit der Nutzung der Immobilie möglichst viel Umsatz und Gewinn zu erzielen. Oder, noch besser, er hat einen Managementvertrag und bekommt vom Eigentümer eine Gebühr - Risiko gleich null. Insofern ist Asset-light eine vom Prinzip der Arbeits- und Aufgabenteilung getragene Strategie.

Sie hat neben den schon beschriebenen aber auch Nachteil für die Betreiber: Je geringer der Einsatz, umso geringer im allgemeinen auch der Spielraum bei der Mitgestaltung - beim Franchise ist er vom Prinzip her gleich Null, es sei denn, das Franchise-System ist so stark, dass es seinen Partnern ganz klare Standards vorgibt. Häufig ist das aber nicht so: Nicht selten ist das Hotel vom Mobiliar bis zur letzten Kuchengabel ausgerüstet, wenn der Eigentümer das Haus an einen neuen Betreiber übergibt. Der muss dann sehen, wie er das Produkt am besten unter seiner Marke verkaufen kann.

Ähnlich ist das Problem gelagert, wenn die Immobilie modernisiert oder umgebaut werden soll oder muss: Dann beginnt für den Betreiber die Bettelei beim Eigentümer. Ist der klamm (wie viele der oben beschriebenen Fonds), bleibt dem Betreiber häufig nur der Ausstieg. Genau diese Erfahrung haben viele Ketten mit Asset-light-Strategie in den vergangenen Jahren gemacht: Ihre Hotels gehörten Fondgesellschaften, deren Eigentümer nach jahrelangen Verlusten weder die Mittel noch das Vertrauen und die Geduld hatten, um nochmals nachzuschießen. Heiligendamm lässt grüßen.

Gehört dem Betreiber die Immobilie, hat er solche Sorgen nicht: Er kann bestimmen, wie Hotel und Ausstattung aussehen sollen, hält er Umbau oder Renovierung für notwendig, kann er das selbst entscheiden und veranlassen, vorausgesetzt er hat das nötige Kleingeld dafür. Ein weiterer Vorteil: Die an vielen Standorten zu erwartenden Wertsteigerungen des Grundstücks fließen direkt zum Hotelbetreiber und steigern dessen Unternehmenswert.

Doch es gibt einen Pferdefuß: Die Hotellerie ist in vielen Ländern - zum Beispiel in Deutschland - ein eher margenschwaches Geschäft. Margenschwache Unternehmen mit wertvollem Immobilienbesitz haben aber eine hohe Anziehungskraft für Heuschrecken - die dann genau das versuchen, was der neue Accor-Chef nicht mehr will: Immobilien und Betrieb zu trennen und anschließend meistbietend zu versilbern.

Man darf gespannt sein, wie der neue Accor-Chef diese Gefahr meistern will. Immerhin, seine Voraussetzungen dafür sind gut: Bazin kennt seine potenziellen Gegner ganz genau. Als langjähriger Chef des Hedgefonds Colony war er selbst Heuschrecke kennt deren Taktik.

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