European Super League Operation Gandalf 2.0 – Nächster Revolutionsversuch im europäischen Fußball gescheitert

Schon 1998 wurden Vertreter der 16 erfolgreichsten Fußballvereine Europas zu einem Treffen in der Anwaltskanzlei Slaughter & May eingeladen, um über ein streng geheimes Projekt zu sprechen: eine Super League. Unter ihnen sollen auch die Bundesligisten Bayern München und Borussia Dortmund gewesen sein, die hier 1998 noch in der UEFA Champions League aufeinander trafen. Quelle: imago images

Unterstützt von Silvio Berlusconi und der US-Bank JP Morgan planten europäische Top-Clubs bereits 1998 eine Superliga. Doch auch mehr als 20 Jahre später bleibt es nur eine Drohkulisse gegen die UEFA.

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Im Juli 1998 beginnt in London die „Operation Gandalf“: Vertreter der 16 erfolgreichsten Fußballvereine Europas werden zu einem Treffen in der Anwaltskanzlei Slaughter & May eingeladen, um über ein streng geheimes Projekt zu sprechen. Unter ihnen sollen auch die Bundesligisten Bayern München und Borussia Dortmund gewesen sein. Es geht um eine Revolution im Fußball: die Gründung einer privat organisierten, europäischen Superliga. So geht es später aus Presseberichten hervor.

Mitangestoßen hat das Projekt der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, dem zu dieser Zeit der AC Mailand gehörte. Nach London hat er seinen Vertrauten Rodolfo Hecht, Direktor der italienischen Vermarktungsagentur Media Partners, gesandt. Er will die Vereine überzeugen, von der UEFA abtrünnig zu werden und lockt sie mit einem großen Versprechen: mehr Geld zu bieten als die bisherige Champions League.

Als Geldgeber hat Hecht bereits damals eine namhafte Unterstützerin gewonnen: Die US-Großbank JP Morgan soll die Finanzierung sichern. Dafür will sie rund sieben Milliarden Mark (etwa 3,5 Milliarden Euro) für die ersten drei Jahre bereitstellen. Schließlich scheitert das Projekt am Widerstand der englischen Premier League und dem Einlenken der UEFA. Als Zugeständnis an die Rebellen erhöht sie die Zahl der Teilnehmer an der Champions League und lässt mehr Geld an die Vereine auszahlen.

Fast 23 Jahre später ist das Projekt zwar ähnlich spektakulär wiederauferstanden wie sein Namensgeber, der Zauberer Gandalf, im Fantasyroman der Herr der Ringe. Doch keine 48 Stunden später ist es genauso spektakulär gescheitert.

„Unter den gegenwärtigen Umständen werden wir (...) das Projekt umgestalten“, erklärten die Initiatoren der Superliga nach einer Krisensitzung. „Wir haben einen Fehler gemacht und wir entschuldigen uns dafür“, hieß es in einem Tweet des FC Arsenal.

Zunächst wollte der Präsident des italienischen Fußballmeisters Juventus Turin, Andrea Agnelli, die Pläne noch nicht aufgeben. „Es gibt einen Blutpakt zwischen unseren Klubs, wir machen weiter“, sagte er in einem Interview mit der Zeitung „La Repubblica“, das vor dem Krisentreffen geführt wurde. Das Projekt habe immer noch eine 100-prozentige Chance auf Erfolg.

Zwölf Top-Klubs – unter ihnen Arsenal und Juventus Turin, aber auch Real Madrid und der FC Liverpool – hatten in der Nacht zum Montag angekündigt, eine europäische Superliga zum nächstmöglichen Zeitpunkt gründen zu wollen. Mit Bayern München, Borussia Dortmund und Paris St. Germain sollten nach dem Willen der Initiatoren noch drei weitere Vereine hinzustoßen.

Finanziert werden sollte die Liga wie schon 1998 wieder von JP Morgan. Für die Gründungsvereine sollten, so heißt es, zunächst 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Dies würde die Einnahmen aus der bisherigen Champions League deutlich übersteigen.

Unter dem Eindruck von heftigen Fan-Protesten und Widerstand von Spielern, Trainern und aus der Politik erklärten die sechs englischen Vereine – Manchester City, Manchester United, Liverpool, Arsenal, Tottenham Hotspur und Chelsea – in der Nacht zum Mittwoch jedoch ihren Ausstieg. Im Laufe des Mittwochs sprangen auch Atletico Madrid sowie die drei italienischen Klubs Inter Mailand, AC Mailand sowie Juventus Turin ab.

Juve-Präsident Agnelli räumte schließlich ein, dass durch den Rückzug der sechs englischen Gründerklubs die Pläne nicht mehr umsetzbar seien. Entsprechende Aussagen des Juve-Chefs wurden der Deutschen Presse-Agentur von einer Klubsprecherin bestätigt.

Lediglich der FC Barcelona und Real Madrid haben sich noch nicht offiziell geäußert.


In Deutschland war die Empörung nach Bekanntwerden der Superliga-Pläne groß. Der Deutsche Fußballbund (DFB) schrieb in einem Statement: „Die wirtschaftlichen Interessen einiger weniger Klubs dürfen nicht das praktizierte solidarische Miteinander des Fußballs aufkündigen“.

Tatsächlich gibt es dieses Miteinander aber schon lange nicht mehr. Hinter zahlreichen Klubs im europäischen Ausland stehen bereits finanzkräftige Investoren, etwa der russische Oligarch Roman Abramowitsch, dem der englische Club FC Chelsea gehört, oder der Vizepremier der Vereinigten Arabischen Emirate Scheich Mansour, der Manchester City besitzt. Und die Top-Vereine Europas beraten seit Jahrzehnten mehr oder weniger geheim darüber, wie sie ihr Risiko minimieren und ihren Profit maximieren können.

Bisher diente ihnen die Superliga vor allem als Drohkulisse, um ihre Interessen gegenüber der UEFA und den nationalen Ligen durchzusetzen. „Eine Euroliga wäre keine neue oder zusätzliche Europaklasse, sondern der Ersatzwettbewerb für die Champions League. Alle, die jetzt lamentieren, würden jubilieren, wenn sie wüssten, was für Einnahmen auf sie zukommen“, sagte der damalige Bayern-München-Manager Uli Hoeneß schon 1998. Die Vereine würden sich von der UEFA lösen – und könnten „sich endlich wie Unternehmen am freien Markt bewegen – und nicht länger wie Marionetten eines Verbands“.

Auch diesmal schienen die Vereine nur auf ein Angebot zu warten. Auf die Frage, ob die Superliga kompromissbereit sei, sagte Juve-Präsident Agnelli, wenn der europäische Fußballverband UEFA einen Vorschlag machen, dann werde man diesen prüfen.

Deshalb überrascht es auch nicht, dass in den vergangenen Jahren die Pläne von Rodolfo Hecht immer mal wieder auf den Tisch kamen. Mit am Tisch waren immer auch finanzstarke Investoren, die auf riesige Werbeeinnahmen aus der glamourösen Maschinerie Profifußball hofften.

So fand etwa im März 2016 ein geheimer Austausch statt. In einer Suite des Luxushotels „The Dorchester“ in London trafen sich Vertreter englischer Vereine wie Manchester United, Arsenal und Chelsea mit einem der bekanntesten Geldgeber der Sportszene: dem amerikanischen Milliardär Stephen Ross. Dem Immobilienunternehmer gehört bereits der amerikanischen Football-Verein Miami Dolphins, die Finanzierung einer europäischen Superliga sollte für ihn der ganz große Coup werden, um in das europäische Fußball-Geschäft einzusteigen. Doch Ross war mit seinen Plänen nicht allein.

Auch aus Asien ließen sich Ambitionen vernehmen, das ganz große Ding im europäischen Fußball finanzieren zu wollen – in Gestalt des größten Bauträgers der Welt, der chinesischen Dalian Wanda Group. Geschäftsführer Wang Jianlin, dem 20 Prozent der Aktien des spanischen Erstligisten Atlético Madrid gehören, hätte das Projekt damals auch ohne die UEFA umgesetzt, doch wieder einmal wurde daraus nichts.

Denn erneut konnte die UEFA die Vereine mit neuerlichen Reformen der Champions League zähmen, von denen vor allem die großen Ligen aus Spanien, Deutschland, England und Italien profitierten.

Nun folgte der nächste Anlauf. Doch die Proteste von Fans und Politik zu den Superliga-Plänen haben Wirkung gezeigt. Auch von der UEFA gab es diesmal kein Entgegenkommen – im Gegenteil: Die Vereine einer Superliga würden von allen weiteren Wettbewerben ausgeschlossen, ihre Spieler dürften nicht mehr für Nationalteams auflaufen, heißt es von der UEFA. Der Verband fürchtet um die milliardenschweren Einnahmen aus dem Verkauf der Fernsehrechte – schon in der Saison 2017/18 waren das rund 1,7 Milliarden Euro.

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Doch auch die Vereine treiben vor allem Geldsorgen um: So belaufen sich die Gesamtschulden des FC Barcelona für den Abrechnungszeitraum 2019/2020 Medienberichten zufolge auf 1,17 Milliarden Euro. Auch bei Real Madrid ist der Schuldenberg riesig: Laut Medienberichten beträgt die Verschuldung des spanischen Rekordmeisters etwa 900 Millionen Euro.

Da schien eine vermeintlich lukrativere Superliga umso attraktiver. Das Versprechen von Uli Hoeneß aus dem Jahr 1998, die Vereine könnten sich dann endlich wie echte Unternehmen verhalten, wirkt da wie die rettende Verheißung – weniger für die Fans, aber umso mehr für die Investoren.

Die müssen nun aber erstmal eine empfindliche Niederlage einstecken: Die Aktien der beiden Klubs, die an der Börse gelistet sind, verloren kräftig. Das Aus brockte den in Mailand gelisteten Aktien von Juventus Turin einen Kurssturz von gut 13 Prozent ein. Die in Frankfurt notierten Aktien von Manchester United verloren fünf Prozent.

Mehr zum Thema: Fußball als schönste Nebensache der Welt – das war einmal. Die Schuldenberge vieler sogenannter Top-Clubs sind längst erdrückend.

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