Eurovision Song Contest Gastgeber Aserbaidschan lockt die deutsche Industrie

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Vom Importeur zum Selbstversorger

Die deutschen Grandprix-Flops
1974: Cindy und Bert Das Traumpaar der Schlagerszene der 70er Jahre holte beim Grandprix im Jahre 1974 nur drei Punkte. Jeweils einen Mitleidspunkt gab es von Belgien, Griechenland und der Schweiz. Damit landeten Cindy und Bert mit ihrem Lied "Die Sommermelodie" auf dem 14. und damit letzten Platz. Gewonnen hatte in diesem Jahr übrigens ABBA mit dem Titel Waterloo. Quelle: Screenshot
Joy Fleming (l) und der Komiker und Kaberettist Bülent Ceylan Quelle: dpa
1991: Atlantis 2000Die deutsche Band Atlantis 2000 erreichte im Jahr 1991 Platz 18 von 22 - auch keine Bestleistung. Schon beim deutschen Vorentscheid wurde die Gruppe ausgebuht. Ihr Song "Dieser Traum darf niemals sterben" bekam insgesamt zehn Punkte: Sechs von Dänemark, drei von Zypern und einen von Spanien. Quelle: Screenshot
1993: Münchener Freiheit 1993 gab es noch nicht einmal einen deutschen Vorentscheid: Der Mitteldeutsche Rundfunk befürchtete zu geringe Zuschauerzahlen und beauftragte deshalb die Band Münchener Freiheit, ein Lied für den Grand Prix in Irland zu schreiben. Der Titel "Viel zu weit" landete auf Platz 18 von 25. Insgesamt bekam das Stück 18 Punkte: Italien vergab acht Punkte, Irland vier, Dänemark drei, die Schweiz zwei und die Niederlande einen Punkt. Quelle: Screenshot
1995: Stone & StoneAuch 995 nominierte der Mitteldeutsche Rundfunk den deutschen Grandprix-Vertreter lieber intern. Das Popduo Stone & Stone musste seinen einigermaßen erfolgreichen Song "I Realized It’s You" für den Sängerwettstreit auf deutsch einsingen. Einen Mitleidspunkt gab es aus Malta, das Duo landete mit "Verliebt in Dich" auf dem letzten Platz (Platz 23). Stone & Stone zogen sich anschließend aus der Musikbranche zurück. Quelle: Screenshot
2002: Corinna MayRalph Siegel-Schützling Corinna May sang im Jahr 2002 beim Euro Vision Song Contest den Titel "I Can't Live Without Music" und landete damit auf dem enttäuschenden 21. Platz. Mit 17 Punkten war die blinde Sängerin aber immerhin nicht Letzte. 2002 nahmen insgesamt 24 Länder am Wettbewerb teil. Quelle: Screenshot
Gracia Quelle: AP

Wer erste zarte Pflänzchen der Modernisierung sucht, muss sich ins Auto setzen und von Baku nach Norden fahren. Entlang der Autobahn steht eine neue Brotwarenfabrik, die der mittelfränkische Anlagenbauer Werner & Pfleiderer ausgestattet hat. Eine Ortschaft weiter betreibt BASF ein Bauchemiewerk, unweit davon entsteht eine Leuchtdiodenfabrik.

Einer der Türöffner für deutsche Ausrüster ist Hikmet Kerimow, Verfahrenstechniker mit einem Doktortitel der TU Karlsruhe. Lange Zeit hat er auf ausländische Investoren gewartet, die sich im Sumgait Technologiepark ansiedeln, eine knappe Autostunde nördlich von Baku. Trotz Fördermittel kam keiner, selbst der Münchner Industriegasehersteller Linde machte einen Bogen um das Land. Kerimow hockte sich selbst ans Reißbrett.

Mit den Millionen des staatlichen Versorgers Azenco ließ er eine Anlage bauen, die Luft in Stickstoff, Sauerstoff und Helium zerlegt. Profitieren konnten deutsche Firmen: Die Planung übernahm der sächsische Anlagenbauer Cryotec, Kompressoren kamen vom schwäbischen Hersteller Mehrer. „Vor fünf Jahren mussten wir Industriegase importieren“, sagt Kerimow, „heute versorgen wir unser Land selbst.“

Wie Deutschland profitiert

Der Luftzerleger war nur der Anfang. Auf dem Areal des Sumgait Technologieparks stehen inzwischen zehn Fabriken, in denen 1200 Facharbeiter vieles fertigen, was Aserbaidschan bis vor Kurzem teuer einführen musste: Stromzähler, Wickelrohre, Starkstromkabel, Solarzellen, Pipelines, Schaltkästen. Ein großer Teil der Anlagen stammt aus deutscher Fertigung. Kerimow, der Mann mit markantem Schnauzer, der Marlboro raucht und den Blaumann gern gegen eine blaue Hilfiger-Jacke tauscht, bricht gern die Lanze für deutsche Technologien. „Die Deutschen verdanken mir viele Millionenaufträge“, sagt er stolz.

Es sind keine grünen Wiesen, auf denen Kerimow die Fabriken hochzieht, sondern kontaminierte Brachen, auf denen erste Stiefmütterchen blühen. Bis vor fünf Jahren rottete der einst zweitgrößte Chemiepark der Sowjetunion vor sich hin, größer als Halle-Bitterfeld in der DDR.

Kilometerlang passierten Autofahrer korrodierte Rohrtürme der Ethylenfabriken, die deutsche Anlagenbauer wie Lurgi vor dem Krieg in Ostdeutschland gebaut hatten, ehe die Sowjets sie hierhin verfrachteten. Noch in den Achtzigerjahren malochten in 19 Fabriken über 50.000 Arbeiter, inzwischen sind alle Anlagen bis auf vier Plastikwerke mit 6000 Arbeitern stillgelegt.

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