Evergrande Wie schlimm steht es wirklich um Chinas Häusermarkt?

Passanten in der Nähe des Hauptsitzes des Immobilienentwicklers Evergrande Group in Shenzhen, China. Der hochverschuldete chinesische Immobilienkonzern Evergrande hat sich mit der Zahlung fälliger Zinsen für eine Anleihe etwas Luft verschafft. Quelle: dpa

Der Immobilienriese gilt als akuter Pleitekandidat. Dabei hat Evergrande nun schon zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen einen Zahlungsausfall abgewendet. Ist ein Crash an Chinas Immobilienmarkt abgewendet?

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Der chinesische Immobilienkonzern Evergrande hat einen Lauf: Am Mittwoch beglich der Konzern fällige Zinsen auf in US-Dollar gehandelte Anleihen im Wert von 148 Millionen Dollar, wie der Finanzdienst Bloomberg berichtete. Zwar hatte Evergrande den eigentlichen Zahlungstermin verstreichen lassen, nun aber doch kurz vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Aufschubfrist von 30 Tagen gezahlt.

Dieses überraschende Manöver ist dem Konzern nun bereits zum dritten Mal in kürzester Zeit gelungen. Denn schon im Oktober hatte das Unternehmen zweimal einen Zahlungsausfall mit der Überweisung von Zinsen kurz vor Ablauf der Gnadenfrist abgewendet. In beiden Fällen hatten die Märkte gegen das Unternehmen gewettet, und waren von einem unmittelbar bevorstehenden Zahlungsausfall ausgegangen.

Doch mit der nun erfolgten Zahlung scheint endgültig etwas Zuversicht unter Gläubigern und Investoren zurückgekehrt zu sein. „Vieles spricht dafür, dass sich der Konzern durch die erfolgten Überweisungen nun zumindest ein paar weitere wertvolle Monate erkauft hat, die für Verhandlungen genutzt werden können“, kommentiert ein Hongkonger Investmentbanker. Sein Urteil: „Evergrande mangelt es nicht an Assets, sondern an Vertrauen“. Nach Überzeugung des Fachmanns könnten nun sowohl Gläubiger als auch potenzielle Käufer von Evergrande-Vermögenswerten wieder eher zu Gesprächen bereit sein.

von Jörn Petring, Annina Reimann, Jürgen Salz, Peter Steinkirchner, Rüdiger Kiani-Kreß

Allein das lokale Hauptquartier des Konzerns in Hongkong, ein Hochhaus mit 26 Stockwerken im Stadtteil Wan Chai wird auf einen Wert von zwei Milliarden US-Dollar geschätzt. Ein Verkauf kam jedoch bislang nicht zustande, obwohl es durchaus Interessenten gab. Der Verkauf der Evergrande-Dienstleistungssparte hätte den Konzern derweil 4,4 Milliarden Dollar einbringen können. Doch der Evergrande-Konkurrent Hopson Development, der zunächst Interesse geäußert hatte, sprang in letzter Minute ab. Zumindest, was den Evergrande-Tower angeht, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, heißt es in Hongkongs Finanzszene. Auch sei ein positives Signal, dass Evergrande wieder begonnen habe, einige Baufirmen auf dem chinesischen Festland zu bezahlen und somit Projekte fertiggestellt werden können.

Andererseits steht bereits die nächste Welle fälliger Zahlungen vor der Tür. Die nächste Hürde steht für Evergrande am 28. Dezember an. Dann sind Zinszahlungen in Höhe von 255,2 Millionen Dollar fällig. Danach müssen am 22. Januar Zinsen in Höhe von 117,5 Millionen Dollar und am 24. Januar in Höhe von 235 Millionen Dollar überwiesen werden. Für alle Zahlungen gilt wie zuvor eine Aufschubfrist von 30 Tagen.

Am 23. März wird dann eine Anleihe komplett fällig, was bedeutet, dass 2,1 Milliarden Dollar auf einen Schlag gezahlt werden müssten. Am 11. April folgen 1,5 Milliarden für eine weitere fällige Anleihe. Die Meinungen, ob Evergrande diese Schulden bedienen kann, gehen in Hongkong auseinander. Die Zinszahlungen könnten aufgebracht werden, heißt es, für die fälligen Anleihen müsste aber wohl eine Verlängerung verhandelt werden.

Beobachter erinnerten daran, dass Evergrande mit Verbindlichkeiten von rund 300 Milliarden Dollar zwar der am höchsten verschuldete Immobilienkonzern der Welt sei. Es werde jedoch oft vergessen, dass diese Schulden nicht alle sofort fällig würden. Viel hinge nun davon ab, wie sich die Lage auf dem chinesischen Immobilienmarkt insgesamt entwickelt. Löst sich die Panik der vergangenen Monate, hätte auch Evergrande gute Chancen, einen totalen Kollaps abzuwenden.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs jedenfalls wittert eine Chance. Das Institut hat sich in den vergangenen Tagen mit hochverzinslichen Anleihen chinesischer Immobilienentwickler eingedeckt. Man sei ein „bescheidenes Risiko“ eingegangen, zitierte Bloomberg Angus Bell, der zum Portfoliomanagementteam von Goldman gehört. Die Bonds chinesischer Immobilienkonzerne seien in den vergangenen zwei Monaten stark verkauft worden, weil sich Evergrande einem möglichen Zahlungsausfall näherte. Allerdings habe der Markt das Ansteckungsrisiko überschätzt. Nun gebe es Chancen.

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„Letztendlich war der Immobiliensektor in den letzten zwei Jahrzehnten der Haupttreiber des chinesischen Wachstums“, so Bell. Die Regierung werde deshalb nicht zulassen, dass es zu einem großen Sterben in der Branche kommt. Er und sein Team glauben, dass sich die Lage zumindest vorerst wieder beruhigen könnte. Darauf wetteten am Donnerstag auch Anleger von Evergrande. Die Aktien des Unternehmens legten an der Hongkonger Börse um fast sieben Prozent zu.

Mehr zum Thema: Die Attacken Pekings auf einheimische Konzerne sollen dem Gemeinwohl dienen. Ökonomisch dürften sie dem Land eher schaden. Droht in China die nächste Kulturrevolution?

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