
WirtschaftsWoche: Herr Raps, liegt die Verantwortung für den Absturz von Bilfinger wirklich allein beim früheren Vorstandschef Roland Koch? Die strategischen Entscheidungen wurden doch gemeinsam im Vorstand gefällt, also auch mit Ihrer Beteiligung.
Klaus Raps: Im Vorstand wurden strategische Ausrichtungen und deren Umsetzung vorbereitet und diskutiert, und das auch mit unterschiedlicher Meinung. Was ja letztlich dazu führte, dass ich im September 2012 aus dem Vorstand ausgeschieden bin, mit der gleichen Begründung wie ein Jahr später mein damaliger Vorstandskollege Thomas Töpfer: „unterschiedliche Auffassung über die Umsetzung der Geschäftspolitik“. Damals hat der damalige Aufsichtsratsvorsitzende von meiner Seite die Warnung gehört: „Das hält der Konzern nicht aus.“
Aufsichtsratschef war damals der inzwischen verstorbene Bernhard Walter. In welcher Situation war das Gespräch und was meinten Sie mit der Warnung konkret?
Im Vorfeld meines Ausscheidens habe ich Herrn Walter dargelegt, dass die Umsetzung des damaligen Strategie-Programms Best zu intensiv und mit zu hoher Geschwindigkeit vollzogen wurde und dass dies das Geschäft und das Unternehmen überfordern könnte.
Zur Person
Klaus Raps, 55 , lehrt seit 2007 „Strategische Unternehmensführung in der Bauindustrie“ an der Technischen Universität Dresden und ist seit 2014 Honorarprofessor. Der Bauingenieur kam 1986 zu Bilfinger (damals noch: Bilfinger und Berger) und führte später viele Jahre den Hochbau-Bereich. Von 2007 bis 2012 war er Vorstandmitglied mit Zuständigkeit für die Sparte Facility-Management. Raps ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Oberursel/Taunus.
Wie passt das zu Kochs Darstellung in einem Interview im Januar, er habe bei Bilfinger Konferenzen mit leitenden Mitarbeitern erlebt, „in denen keiner Fragen stellte, geschweige denn kritische Bemerkungen anbrachte“ und nannte das eine „schwierige Erfahrung“. Ging es so zu bei Bilfinger zu Ihrer Zeit?
Ich kann mich an sehr lebhafte und konstruktive Diskussionen mit den Mitarbeitern auf allen Ebenen erinnern. Nicht auszuschließen ist, dass sich diese Kultur verändert hat. Es ist doch nachvollziehbar, dass Mitarbeiter keine Fragen mehr stellen, wenn sie Gefahr laufen, dass Fragen als negative Kritik verstanden werden.
Das Bilfinger-Geschäftsjahr 2014 nach Sparten
Umsatzerlöse: 3,73 Milliarden Euro
Investitionen: 67 Millionen Euro
Mitarbeiter: 33.000 Angestellte
Quelle: Statista, Geschäftsbericht 2014
Umsatzerlöse: 2,63 Milliarden Euro
Investitionen: 32 Millionen Euro
Mitarbeiter: 23.700 Angestellte
Umsatzerlöse: 1,44 Milliarden Euro
Investitionen: 22 Millionen Euro
Mitarbeiter: 11.500 Angestellte
Umsatzerlöse: -0,12 Milliarden Euro (Konsolidierung)
Investitionen: 18 Millionen Euro (Sonstiges)
Mitarbeiter: 843 Angestellte (Zentrale)
Lief es so auch, als Koch dann die bis dahin weitgehend erfolgreich arbeitenden Teilkonzerne zerschlagen hat?
Der größte Fehler war es, den erfolgreichen Teilkonzernen die oberste Führungsebene zu nehmen, ohne das verbleibende Management mitzunehmen. Wer so vorgeht, ohne die Warnhinweise der Mitarbeiter zu akzeptieren, braucht sich über mangelnde Gefolgschaft nicht zu wundern. Das schuf bei den Leistungsträgern kein Vertrauen, im Gegenteil.