Ist Koch also am Widerstand der Teilkonzernchefs und des mittleren Managements gescheitert? Hat die alte Mannschaft den Seiteneinsteiger Koch auflaufen lassen?
Ich glaube, dass der eine oder andere im Lauf der Zeit erkannt hat, dass viel, was vom Top-Management kam, getrieben war vom Wunsch nach noch schnellerem Erfolg. Aber das wäre ja nicht der Erfolg der Mitarbeiter gewesen. Wenn erfolgreiche Unternehmenseinheiten mit immer wieder neuen Ideen – da eine neue Strategie, da eine andere Organisation, da ein Kosteneinsparungsprogramm – konfrontiert werden, dann sagen Mitarbeiter: Lasst mich doch in Ruhe meinen Job machen. Die professionelle Abwicklung der Aufträge für die Kunden hatte nun mal über all die Jahre allererste Priorität.
Warum lief dann das normale Geschäft irgendwann nicht mehr rund?
Das Bau- und Dienstleistungsgeschäft ist ein „Peoplebusiness“, Mitarbeiter verkaufen eine Dienstleistung gepaart mit Zuverlässigkeit und Vertrauen. Und die Kunden legen ihre Entscheidungen in diesem Geschäft auch darauf aus, wer ihr Ansprechpartner auf der Auftragnehmerseite ist. Wenn man diese sensiblen Strukturen verändert – und das flächendeckend –, darf man sich nicht wundern, wenn bei Marktveränderungen Geschäfte nicht mehr so erfolgreich funktionieren. Da bis zur organisatorischen Auflösung der Teilkonzerne und zur Einführung der Divisionen alle Geschäftsbereiche erfolgreich waren, ist nicht auszuschließen, dass die Ursache für die Verluste aber auch deren zu spätes erkennen, in der Neuausrichtung begründet ist.
Koch und Interimschef Herbert Bodner machen aber vor allem veränderte Bedingungen wie die Auswirkungen der Energiewende und den Preisverfall beim Rohöl für die seit 2014 auftretenden massiven Probleme verantwortlich.
Wenn die Nachfrage durch gravierende Marktveränderungen einbricht, können strategiebedingte Änderungen schnell zum Desaster werden. Bilfinger war mit den veränderten Unternehmensstrukturen nicht mehr in der Lage, die negativen Markteinflüsse schnell zu erkennen und darauf zu reagieren. Wenn Organisationsstrukturen in Unternehmen angepasst und Einheiten neu aufgestellt und verschmolzen werden, führt das zu großer Unsicherheit bei den Mitarbeitern. Dass die dann zuerst an sich denken und Kunden und Markt aus dem Auge verlieren, ist nachvollziehbar. Ich würde keinem Unternehmen im Dienstleistungsbereich empfehlen, strategische und organisatorische Veränderungen zeitgleich und mit größtmöglicher Geschwindigkeit umzusetzen.
Nur Bilfingers Bereich Building und Facility-Management, den Sie bis 2012 geführt haben, funktioniert offenbar noch ganz gut. Liegt das vor allem daran, dass er die wenigsten Eingriffe erlebt hat?
Dieser Bereich hat sich genauso entwickelt wie geplant. Sicherlich zum einen getrieben durch eine gute Konjunktur im Immobiliensegment, aber im Wesentlichen auch, weil dort wenig Änderungen bei und mit den dort tätigen Menschen stattgefunden haben.