Exit-Strategie von McKinsey und Roland Berger So könnte Deutschland den Ausweg aus der Coronakrise schaffen

Quelle: dpa

Die Strategieberater von McKinsey und Roland Berger haben analysiert, wie Deutschland aus der Corona-Schockstarre kommt. Sie empfehlen drei Phasen für den erfolgreichen Exit – und Maßnahmen, wie Deutschland sogar dauerhaft profitieren könnte.

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Das Coronavirus hat die Welt zum Stillstand gebracht - und die Pandemie hat ihren Preis. Sollte der Lockdown ganze drei Monate andauern, beziffert das Ifo-Institut den Schaden auf 700 Milliarden Euro. Auch McKinsey prognostiziert eine konjunkturell düstere Zukunft. Die Eurozone würde 2020 rund 4,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts verlieren – im günstigsten Fall.

Noch bis zum 20. April ist die Kontaktsperre angeordnet. Das gesellschaftliche Leben soll bis dahin auf ein Minimum reduziert werden. Aussagen über die Zeit danach will noch niemand treffen. Trotzdem: Die Rufe nach einem Plan, um die Wirtschaft nach dieser entbehrungsreichen Zeit wieder ans Laufen zu bekommen, werden immer lauter. Wie sieht solch eine Exit-Strategie aus?

Die Unternehmensberatung Roland Berger zum Beispiel hat einen dreistufigen Plan entwickelt, der der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. Zeitnah, aber nicht verfrüht solle die Wirtschaft Stück für Stück wieder hochgefahren werden. Denn: Die Prämisse sei, dass die Gesundheit der Bevölkerung nicht gefährdet würde. Daher schlagen die Berater ein „sicheres Hochfahren“ vor.

Der erste Schritt der Exit-Strategie muss demnach eingeleitet werden, wenn die Krise noch im vollen Gange ist. Während die Bürger sich strikt an den Lockdown halten und Kontakte vermeiden, müsse parallel ein Schutzkonzept erarbeitet werden. Im Wesentlichen sieht es vor, Infizierte zu identifizieren und unter Quarantäne zu stellen – also eine Testinfrastruktur zu schaffen.

Bislang ist das eines der großen Probleme: Denn die Zahlen des Robert-Koch-Instituts geben schließlich nur registrierte Infektionen wieder – und diese zudem zeitversetzt. Ohnehin ist die Dunkelziffer bedeutend höher. Solange infizierte Menschen nicht unter Quarantäne stehen, könnten sie weitere Menschen anstecken. Mit dieser Strategie – viele Tests und Isolation von Infizierten – hat Südkorea die Ausbreitung von Covid-19 schnell eindämmen können.

Des Weiteren umfasst der erste Schritt der Exit-Strategie, ausreichend Kapazitäten für die medizinische Versorgung zu schaffen – also etwa Atemmasken und Desinfektionsmitteln bereitzustellen. Bei beiden Punkten hakt es derzeit in Deutschland. Eine flächendeckende Testung bezeichnet der Berufsverband Deutscher Laborärzte derzeit als „illusorisch“, und auch bei basalen Schutzmitteln wie Atemmasken beklagen die Mediziner derzeit herbe Versorgungsengpässe. Die Hoffnung liegt auf Innovationen wie dem Zwei-Minuten-Coronatest der Saarländer Ram Group, damit Deutschland nicht schon in Phase eins einer solchen Strategie scheitert.

Nach einem bis zu acht Wochen andauernden Lockdowns sieht die Exit-Strategie von Roland Berger die zweite Phase vor: das sichere Hochfahren. Das heißt: Die Wirtschaft soll nicht von jetzt auf gleich wieder auf Normalbetrieb getrimmt werden, sondern nach Priorisierung. Als Erstes sollten die Schulen, Kindertagesstätten und Universitäten wieder den Betrieb aufnehmen, gefolgt vom produzierenden Gewerbe, dem Tourismus, der Gastronomie und letztlich auch kultureller Einrichtungen. Die Wiederaufnahme der Produktion müsse dann aber unter strengster gesundheitlicher Kontrolle erfolgen. Tägliches Fiebermessen sowie das Einhalten des Mindestabstands von einem Meter müsse gewährleistet werden.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Die Exit-Strategie sieht vor, dass der Freizeitbereich als letztes reaktiviert werden sollte. Das deckt sich mit den Prognosen von McKinsey. Die Unternehmensberatung hat analysiert, welche Branchen am stärksten und längsten von der Coronakrise betroffen sein werden. Die längste Corona-Wirkung werde demzufolge die Tourismus- und Reiseindustrie spüren: wegen anhaltender oder wiederkehrender Reisebeschränkungen in betroffenen Gebieten.

Die Krisenstrategie innerhalb der Unternehmen ist das eine. Das Engagement der Politik das andere. In der zweiten und entscheidenden Phase des Corona-Exits – so die Beratungsfirma Roland Berger – müsse der Staat, der bereits ein Billionen-Paket für die Wirtschaft geschnürt hat, in keynesianischer Manier vor allem die Nachfrage ankurbeln. Um den Kauf von E-Autos zu befördern und die Automobilindustrie zu unterstützen, schlägt das Consultingunternehmen unter anderem vor, die Förderung von E-Autos zu erhöhen. Und auch Übernahmen von Unternehmen dürften kein Tabu sein, heißt es.

Die Zeit danach

Für die Unternehmensberater von Roland Berger ist klar: Das Coronavirus wird unsere Art zu arbeiten nachhaltig verändern – und bedingt daher einen dritten Schritt der Exit-Strategie: Die „New Normal“-Phase, in der die Strukturen der Arbeitswelt grundlegend verändert werden. In allen Bereichen – ob Unternehmensleitung, im Verkaufsbereich oder auch in der Entwicklung – sei es künftig notwendiger denn je, die Digitalisierung zu forcieren. Denn das Coronavirus hat gezeigt, dass mobiles Arbeiten möglich ist und ein großer Teil des Freizeitbereichs – zum Beispiel Fitnesskurse und Einkaufen – über digitale Wege abgedeckt werden kann.

Auch Knut Alicke, McKinsey-Partner am Standort Stuttgart, sieht die Unternehmen vor großen Aufgaben: „Firmen, die in der Vergangenheit nicht in digitale Systeme und integrierte Prozesse investiert haben, die immer noch Excel-Tabellen hin und her schicken, werden noch größere Probleme bekommen. Sie können Szenarien schlechter planen und stehen heute immer fünf Zentimeter vor der Wand.“

Das Ziel müsse lauten: gewappnet sein für den Krisenfall. Dazu gehöre auch, regionale und lokale Liefernetzwerke zu stärken und auszubauen, heißt es von Roland Berger. Schon bevor die Krise über Deutschland rollte, hatten Unternehmen zum Beispiel aus der Modeindustrie angekündigt, Teile ihrer Produktion nach Europa zu verlagern. Aus Sicht von Supply Chain-Experten aber wäre eine ausschließliche Konzentration auf nur einen Kontinent fatal. Der Schlüssel in Krisenzeiten ist Diversifizierung, so ihr Credo.

Wie wichtig das Thema Lieferketten in Zukunft sein wird, das weiß auch Alicke von McKinsey. Er erwarte, dass viele Unternehmen die Coronakrise zum Anlass nehmen werden, ihre integrierten Planungsmodelle zu analysieren und weiter zu digitalisieren - und so mehr Transparenz in den Lieferketten zu schaffen. Um eine wirtschaftliche Katastrophe vorzubeugen, müssten Unternehmen frühzeitig ihre Lieferketten-Partner informieren. Er weist auf das Risiko der Zeitverzögerung hin: Als im Februar in China, dem weltgrößten Auto-Markt, die Automobil-Nachfrage um zwischenzeitlich fast 90 Prozent einbrach, war diese Information zwar umgehend bei allen Betroffenen zugänglich; aber richtig zu spüren bekamen europäische Zulieferer und Automobilhersteller dies erst Wochen später.

Erst Mitte März gab etwa Fiat Chrysler bekannt, seine Werke vorübergehend wegen einer Unterbrechung der Nachfrage zu schließen. Auch VW, Daimler und Opel legten ihre Bänder still.

Um die Produktion wieder hochzufahren, müsse man die noch vielerorts fehlende Lieferketten-Transparenz bedenken – in anderer Richtung: Zulieferer brauchen vor allem Mitarbeiter und Material, sagt Alicke – „Und das Material ist abhängig von den Lieferketten. Hier muss man möglichst frühzeitig informieren, dass die zuliefernden Betriebe wieder hochfahren können. Schon zu einem Zeitpunkt, an dem man selber noch gar nicht wieder produzieren kann oder möchte.“

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