Exklusive Illustrationen Ein Tag im Wirecard-Prozess als Comic

Mehr von Illustratorin Nad Otterbach gibt es auch auf Instagram unter @neuesvonnad Quelle: Nad Otterbach

Sie wollen sich ein Bild vom Prozess gegen Markus Braun und Co. machen? Die Illustratorin Nad Otterbach hat einen Prozesstag im Gericht für uns gezeichnet. Wir erklären die Skizzen – und beschreiben, warum ein Angeklagter immer mehr in den Fokus rückt.

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Markus Braun und Oliver Bellenhaus können zu Fuß aus ihren Zellen in den Gerichtssaal gehen, in dem ihr Prozess stattfindet. Der Saal befindet sich auf dem Gelände ihres aktuellen Wohnsitzes: Justizvollzugsanstalt München Stadelheim.

Bild-Motive von den Protagonisten im Prozess gibt es nur wenige. Akkreditierte Fotografen dürfen lediglich kurz vor Sitzungsbeginn Bilder machen; Medien können eigentlich nur wenige Bilder zeigen. Wie sieht der Prozess also aus? Wie sieht der Ort aus, an dem das Verfahren stattfindet? Wie ist die Atmosphäre?

Nad Otterbach ist Illustratorin, 24 Jahre alt, lebt in München, ganz in der Nähe der JVA. Ihr Spezialgebiet: das Genre der Reportage-Illustration. „Da heißt es schnell und vor Ort Skizzen machen und das Geschehen einfangen“, sagt sie.

Ihr Freund habe ihr vorgeschlagen, doch mal zum Wirecard-Prozess zu gehen. „Da habe ich also nicht lange überlegt, mir ein kleines Heft gebunden und los ging's zum siebten Tag des Wirecard-Prozesses“, erzählt Otterbach. Denn jeder Bürger darf als Zuschauer am Prozess teilnehmen.

Mit ihren Illustrationen dokumentiert Otterbach den Schauplatz des Prozesses und Szenen von der Sitzung am vergangenen Donnerstag, 12. Januar. Die WiWo zeigt die Skizzen, ordnet sie ein – und erklärt, was am Donnerstag im Wirecard-Prozess wichtig war.


Zunächst zeichnet Otterbach, wie sie überhaupt in den Gerichtssaal gelangt ist. So sieht der Komplex von außen aus. Es geht durch ein gediegenes Wohngebiet im Münchner Süden – plötzlich steht man vor einem Wachturm und der Gefängnismauer.

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Der Hochsicherheitsgerichtssaal befindet sich unter der Erde. Es geht eine lange Treppe hinunter...

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...dann erfolgt eine sehr gründliche (und sehr freundliche) Sicherheitskontrolle. Journalisten dürfen übrigens ihre Handys und Rechner mit in den Saal nehmen. Sonst würde es den WiWo-Liveblog nicht geben.

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So hat Otterbach den Gerichtssaal gezeichnet. Die Angeklagten sitzen in Stuhlreihen mit ihren Anwälten. Rechts: die Staatsanwälte. Vorne: Richter Markus Födisch und seine Kammer. Hinten: Journalisten und andere Zuschauer.

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In der Sitzung, die Otterbach zeichnet, wird erneut Wirecards Ex-Dubai-Statthalter Oliver Bellenhaus vernommen. Er berichtet, wie er sich in einem Münchner Hotel mit Jan Marsalek und Stephan von Erffa getroffen habe, um Belege für das angebliche Drittpartnergeschäft zu fälschen. Richter Födisch wirft sogar Belege von dem Treffen der drei an die Wand: Daraus geht hervor, was sich die drei angeblich vom Hotel-Restaurant aufs Zimmer bestellt haben. Zu essen wählten alle drei Roastbeef (medium gegart). 

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Födisch befragt Bellenhaus auch zum Treuhänder „Shan“ aus Singapur, der laut Bellenhaus in das Betrugssystem involviert war – aber irgendwann keine Schein-Belege für das Drittpartnergeschäft mehr liefern wollte. Also erstellte Bellenhaus die Belege laut eigener Darstellung selbst.

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Das Kernteam von Wirecard nach Darstellung von Bellenhaus: an der Spitze Ex-CEO Braun (der die Vorwürfe zurückweist).

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Szenen, die Illustratorin Nad Otterbach am Donnerstag erlebt hat. Wenn die Kammer um den Vorsitzenden Födisch den Saal betritt, müssen sich alle erheben. Ihr Handy musste Otterbach abgeben. Und sogar WiWo-Liveblogger Volker ter Haseborg hat es in ihre Illustration geschafft.

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Zoff zwischen Braun-Anwalt Alfred Dierlamm, den Verteidigern von Oliver Bellenhaus und der Staatsanwaltschaft gibt es an diesem Prozesstag es auch.

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Im Mittelpunkt des Sitzungstages steht an diesem Tag das, was Bellenhaus über den mitangeklagten ehemaligen Chefbuchhalter von Erffa aussagt.

Das Gericht hat zwei forensische Psychiater als Sachverständige bestellt, die von Erffa im Verlauf des Verfahrens begutachten sollen. Es geht um die Frage, ob von Erffa im Tatzeitraum psychisch beeinträchtigt war. Wenn dem so ist, könnte dies seine mögliche Schuld mildern oder sogar ganz ausschließen.

Die Anwälte von Erffas haben der WiWo zuletzt mitgeteilt, dass ihr Mandant im Hinblick auf das laufende Verfahren derzeit keine Fragen beantworte.

War von Erffa ein Autist? „Ich kann nicht sagen, woran man einen Autisten erkennt“, sagt Oliver Bellenhaus über von Erffa. „Ich habe den Film ,Rain Man' gesehen – und kann nur sagen: So war er nicht.“

Dass von Erffa nicht bis zum Ende zuhört und Leute unterbricht? Von Erffa sei „relativ schnell sauer“ geworden, wenn er sein Gegenüber für inkompetent gehalten habe, berichtet Bellenhaus. „Dann konnte man auch nicht ausreden.“ Ist ihm an seiner Gestik was aufgefallen? Nein. Hatte er ein Problem mit Augenkontakt? Nein. Passten Emotionen nicht zur Situation? Nein. Hat er sich schwer getan, sich zu freuen? Nein. Auch auf Firmenfesten sei von Erffa nicht isoliert gewesen.

Wiederholte von Erffa ständig Sachen, die er bereits gesagt hat? Nicht pathologisch, sagt Bellenhaus. 

Von Erffa sei auch in den kritischen Situationen nicht „besonders cool“ gewesen. „Die beiden Coolsten waren sicher Dr. Braun und Jan Marsalek.“

Dann darf der vom Gericht als Sachgutachter bestellte Münchner Psychiater Norbert Nedopil Fragen an Bellenhaus richten. Nedopil fragt danach, wie der Schreibtisch von von Erffa bei Wirecard ausgesehen hat (unauffällig), ob er Freunde hatte (kann Bellenhaus nicht sagen). Ob es Sorgen in von Erffas Familie gab („weiß ich nicht“). „Wissen Sie etwas über die privaten Interessen?“, fragt Professor Nedopil. Nein, sagt Bellenhaus. Bellenhaus aber fällt auch kein weiteres Steckenpferd außer Buchhaltung ein.

Es wird klar: Bellenhaus hält von Erffa nicht für psychisch beeinträchtigt. Aus seiner Aussage spricht die Enttäuschung darüber, dass von Erffa nicht (wie er) reinen Tisch macht. Kurz vor seiner Verhaftung im Sommer 2020 habe er sich noch einmal mit von Erffa getroffen, ihm Dokumente gezeigt, die er der Staatsanwaltschaft geben wollte.

„Ich war damals noch nicht bereit, das Band der Loyalität zwischen uns zu zerschneiden“, sagt Bellenhaus. Er habe ihm beim letzten Treffen im Sommer 2020 auch gesagt, dass er ihn nicht belasten werde.

Von Erffa habe „gut“ reagiert und gesagt, dass er sich gegenüber der Staatsanwaltschaft „umfassend einlassen“ werde. Er werde auch zu seiner Verantwortung stehen.

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Bislang hat von Erffa Vorwürfe aber zurückgewiesen. Und Bellenhaus hat schließlich auch gegen seinen einstigen Vertrauten ausgesagt. „Die operativen Säulen dieses Betruges waren Stephan von Erffa und ich“, sagt er. Und Richter Markus Födisch stellt fest: „So richtig loyal hat sich von Ihnen ja keiner verhalten."

Lesen Sie auch: „Es war immer vollkommen klar, dass Dr. Braun das mitträgt“

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