Exklusivstudie zum ersten Quartal 722.000 Passagiere von Flugverspätungen betroffen

Die Anzahl der Flugverspätungen ist weiterhin hoch. Den Fluglinien drohen Ausgaben für Entschädigungen in Milliardenhöhe.

Eine neue Untersuchung zeigt: Es gab in den ersten Monaten des Jahres weniger Flugverspätungen und Ausfälle als 2018, aber mehr als in den Jahren davor. Und die Kosten treffen die Airlines härter als früher.

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Eigentlich könnten alle Luftfahrtmanager aktuell guter Laune sein. Nach einer ersten Bilanz gab es im Flugverkehr über Ostern keine größeren Pannen. Die Branche habe die „erste Bewährungsprobe bestanden“, jubelte Ralph Beisel, Chef des Dachverbands der deutschen Verkehrsflughäfen (ADV), „und das trotz des beachtlichen Mehrverkehrs.“

Doch ein durchschlagender Erfolg war die ganz Anstrengung nicht. Eine exklusive Untersuchung des Hamburger Fluggastrechte-Portals Myflyright für die WirtschaftsWoche zeigt: Auch in diesem Jahr ist die Zahl der stark verspäteten oder ausgefallenen Flüge extrem hoch. Zwar gab es in den ersten drei Monaten rund ein Viertel weniger Flugpannen als im Rekordjahr 2018. „Doch es waren immer noch rund 40 Prozent mehr Passagiere von Absagen und stark verspätete Flüge betroffen als in den Jahren 2016 und 2017“, sagte Myflyright-Chef Igor Maas.

Laut einer Berechnung des Unternehmens litten von Januar bis Ende März gut 722.000 Flugreisende in Deutschland unter Ausfällen oder Verspätungen von mehr als drei Stunden. Im vorigen Jahr waren es im gleichen Zeitraum gut 975.000, doch 2017 nur 517.000 Passagiere. In Europa trafen die Probleme im ersten Quartal 2019 knapp 3,7 Millionen Reisende nach fast 4,9 Millionen 2018 und 2,5 Millionen 2017.

Das wird besonders Lufthansa-Chef Carsten Spohr nicht besonders freuen. „Wir haben rund 250 Millionen Euro investiert, um große Verspätungen und Flugabsagen zu verhindern“, so der Manager. Die Linie hält bis zu 20 Maschinen vor, die bei technischen Problemen als Reserve einspringen sollen. Dazu hat der Konzern wie fast alle Konkurrenten als Puffer längere Bodenzeiten eingeplant. „Wir tun alles, damit unsere Kunden wieder wie geplant reisen können“, so Condor-Chef Ralph Teckentrup. Doch nun droht es für ihn und Spohr wieder teuer zu werden. „Den Fluglinien drohen erneut Ausgaben für Entschädigungen in Milliardenhöhe“, so Maas. Weil sitzengelassenen Passagieren laut EU-Recht bis zu 600 Euro Entschädigung zustehen, haben Passagiere europaweit in den ersten drei Monaten des Jahres laut Myflyright bereits fast 1,3 Milliarden Euro an Ansprüchen gesammelt.

Das trifft die Fluglinien finanziell extrem stark. Zwar liegt der Betrag 400 Millionen Euro unter dem des ersten Quartals 2018, aber es sind immer noch fast 400 Millionen mehr als im gleichen Zeitraum des Jahres 2017. Die Ansprüche treffen die Fluglinien außerdem härter als früher. „Nach den vielen Berichten im vergangenen Jahr haben wahrscheinlich fast alle Reisenden mitbekommen, dass ihnen bei Verspätungen und Absagen viel Geld winkt“, sagt Armin Bovensiepen, Flugspezialist der Unex Management Consulting. Denn während noch vor zwei Jahren nicht mal jeder zehnte Berechtigte sein Geld eintrieb, pocht nun mindestens die Hälfte Verspätungsopfer auf ihre Ansprüche und treibt sie immer öfter ein mit Hilfe von juristisch versierten Dienstleistern wie Myflyright, EU Claim oder Flightright.

Für die Airline-Chefs ist das mehr als ärgerlich. Denn die Verbesserungen dieses Jahres rühren vor allem aus den von ihnen eingeleiteten Verbesserungen. Dazu entfielen in diesem Jahr Störungen in Folge des Umbaus der Branche im vorigen Jahr, wo die Käufer von Teilen der Air Berlin oder der britischen Monarch übernommene Flugzeuge und Personal in geringerem Umfang als geplant einsetzen konnten. Doch am Ende bleiben zu viele andere störende Faktoren. So fehlen in ganz Europa mehrere Tausend Fluglotsen. Darum mussten die Aufseher immer wieder den Verkehr bremsen, was zu Verspätungen führte.

Für den Rest des Jahres ist der Myflyright-Chef optimistisch. Weil bislang keine großen Störungen wie Airline-Pleiten absehbar sind, erwartet er bis zum Jahresende keine weitere Verschlechterung und am Ende zumindest in Deutschland sogar weniger Verspätungen als in 2017.

Doch sicher ist das nicht. Denn die von den deutschen Flughäfen stolz verkündeten geringen Probleme zu Ostern seien keine Reifeprüfung des Systems. „Im Sommer ist nicht nur der Verkehr viel größer. Die Belastung dauert auch nicht nur zwei Wochen, sondern zwei Monate“, so Berater Bovensiepen. Und, so ergänzt Maas „Wenn es im Sommer wieder Streiks oder über längere Zeit starke Unwetter gibt, kann das System trotz aller Reserven wieder an seine Grenzen kommen.“


Besser, nicht gut
Von Flugpannen betroffene Passagiere und ihre Entschädigungsansprüche 
Betroffene PassagiereFällige Entschädigungen (€)
EuropaDeutschlandEuropaDeutschland
20162,70,6914191
20172,50,5861176
20184,911655332
20193,70,71256246
Angaben für 1. Quartal in Millionen
Quelle: Myflyright
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