Fabrik der Klänge Universal Music reißt Musikmarkt aus dem Tief

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Universal gibt Gas bei der Digitalisierung

Universal Music-Manager Frank Briegmann Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Zur Betriebswirtschaft à la Universal zählt zudem, mehr aus dem vorhandenen Kapital – also der Musik – herauszuholen. Wie das geht, zeigt Christopher Gersten, ein Musikfan im Kostüm eines Controllers in Prada-Schuhen, der sich auf den Job als Vermarkter der Archivschätze durch Betriebswirtschaftsstudien in Oxford und Singapur vorbereitet hat. In seinem Büro wirkt das Schälchen mit Schokoriegeln ein wenig fremd, denn der Platz gehört den großformatigen CD-Boxen wie der bei Amazon 649,99 Euro teuren „Über Deluxe Edition“ des Albums „Achtung Baby“ der irischen Rocklegende U2 und anderen Musikschätzen.

Die üppigen Plattenpakete sind der wohl lukrativste Teil des Geschäfts mit CDs, mit denen die Musikkonzerne dem Digital-Hype zum Trotz hierzulande noch mehr als 70 Prozent ihres Umsatzes bestreiten. An der Spitze stehen dabei Gerstens Edelboxen: „Richtig gemacht, sind solche Boxen keine schlichten CDs mehr, sondern etwa durch unveröffentlichte Titel oder aufwendige Fotobücher Lifestyle-Produkte, die die Fans auf ihrem Sofatisch auslegen.“

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Wie beim Management ist Universal auch Vorbild bei der Digitalisierung. Zwar hat sich der Konzern beim Online-Verkauf „aus Angst ums Geschäftsmodell lange treiben lassen“, sagt Renner. Aber jetzt gibt der Riese Gas und experimentiert – früher als das Gros der Medienbranche – auf breiter Front.

Die Revolution findet statt am wohl unauffälligsten Ort im Berliner Universal-Komplex. Das Büro von Digitalchef Holger Christoph ginge in seiner schlichten Art praktisch ohne Möbel fast als Mönchszelle durch – wären da nicht die rund ein Dutzend wie achtlos auf dem Boden abgestellten Rahmen mit Trophäen für mehrere Millionen Downloads von Songs wie „Diamonds“ der US-Soul-Sängerin Rihanna.

Wahrscheinlich ist Christoph bloß noch nicht zum Einrichten gekommen. Denn der Herr des Digitalen und seine 15 Mitarbeiter verbringen ihre Zeit eher im Internet. So stellte Universal nicht nur als erster großer Musikkonzern gut 60 Internet-Musikläden vom Marktführer iTunes bis zu kleinen Shops die eigenen Inhalte zur Verfügung. „Damit legale Angebote erfolgreich sind, müssen sie für den Kunden in erster Linie einfach und bequem zu nutzen sein“, sagt Christoph.

Der Konzern bestückt auch rund 20 Streaming-Portale wie Spotify oder Simfy. Hier können die Kunden ihr Musikprogramm individuell aus mehr als 20 Millionen Titeln zusammenstellen und per Knopfdruck hören. Finanziert wird das über Werbeeinblendungen oder Monatsgebühren von fünf bis zehn Euro. Vom Umsatz landen etwa 70 Prozent bei den Plattenfirmen. Christoph: „Jedes Mal, wenn ein Hörer einen unserer Acts anklickt, ist das gut für uns und unsere Künstler.“

Ein Modell, von dem sich zum Beispiel Buchverlage eine Scheibe abschneiden könnten, findet nicht nur Verleger Zarges: „Haben Sie mal versucht, im Buchladen ein E-Book für Ihr Lesegerät zu kaufen und zu laden?“ Erste Ansätze dazu liefern die Buchketten Hugendubel, Thalia und Weltbild, die seit dem Frühjahr gemeinsam das Lesegerät Tolino vermarkten. Mit Bezahlinhalten experimentiert der Springer-Verlag, der für seine Zeitungen „Welt“ und „Bild“ unterschiedliche Modelle testet.

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