Fabrik der Klänge Universal Music reißt Musikmarkt aus dem Tief

Der weltgrößte Musikkonzern Universal Music zeigt seiner Zunft und der angeschlagenen Medienbranche, wie sie die Digitalisierung nutzen und trotz Gratisangeboten und Piraterie mit Inhalten profitabel wachsen kann.

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Das Team von Universal Music Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Vor dem Auftritt ist Frank Briegmann ein wenig unruhig. Der 46-Jährige mit dem prägnanten Kinn hat in der Veranstaltungshalle O2-World im Berliner Osten gleich seinen wohl wichtigsten Auftritt des Jahres. Und nach ihm kommen auf die Bühne Geigenvirtuosin Anne Sophie Mutter, Schlager-Superstar Helene Fischer und Kölsch-Rocker Wolfgang Niedecken.

Dabei ist Nervosität völlig unnötig. Denn wenn Briegmann – dezent gebräunt, im schmalen, blauen Maßanzug und mit Zahnlücken-Lächeln – auch als Jazz-Sänger oder neuer Howard Carpendale durchginge: Der Westfale ist kein Anheizer der Stars – er macht sie. Briegmann leitet beim weltgrößten Musikkonzern Universal Music das Mitteleuropa- und Skandinavien-Geschäft und gehört zur globalen Chefetage der gut 4,5 Milliarden Euro Umsatz schweren Tochter des Pariser Vivendi-Konzerns. Und an diesem Dienstag im September präsentiert er in Berlin Medien, Mitarbeitern und gut 100 der wichtigsten Plattenhändlern Mitteleuropas, mit welchen Sounds und Scheiben sein Haus im Weihnachtsgeschäft bei allen Anwesenden die Kassen süßer klingen lassen will.

Die Köpfe hinter Universal Music

Den Klang beherrscht in der Branche derzeit keiner so gut wie Universal. Wie im Vorjahr meldete der lange krisengeschüttelte Konzern nicht nur Gewinn und als einziger Mehreinnahmen beim Verkauf von Pop, Jazz und Klassik. Im ersten Halbjahr 2013 riss der Herr der Klänge sogar den deutschen Musikmarkt aus gut zehn Jahren Siechtum und sorgte für ein Umsatzplus von 1,5 Prozent. Und das trotz des anhaltenden Schrumpfkurses bei den Majors genannten Musikfabriken Sony und Warner sowie Mittelständlern wie der Hamburger Edel-Gruppe oder Goodtogo aus Köln. 2012 stammte jeder zweite der 30 meistverkauften Songs von Universal. „Die sind wie Bayern München: auf Erfolg programmiert“, sagt Stefan Zarges, Chefredakteur des Branchenmagazins „Musikmarkt“ und Chef des gleichnamigen Verlags.

In der O2-Arena genießt Briegmann daher den Jubel. „Jetzt sind wir die Avantgarde“, ruft er, „wir sind die erste Medienbranche, die mit ihren Inhalten digital Geld verdient – und das fühlt sich gut an.“

Anteile an den verkauften Top-100-CDs Quelle: Musikmarkt

Tatsächlich zeigt Universal nicht nur der eigenen gebeutelten Zunft, sondern der ganzen Medienbranche, wie sie die Digitalisierung nutzen und trotz Gratisangeboten und Piraterie profitabel wachsen kann. Auf der Partitur stehen: durch Zukäufe zulegen, effizienter arbeiten, durch gezieltere Vermarktung auch der Archive verlorene Kunden zurückerobern, mutig experimentieren mit neuen Bezahlangeboten wie Streaming sowie Social-Media-Seiten wie Facebook. Und schließlich neue margenstarke Produkte anbieten wie Fanartikel, Dienstleistungen für Künstler sowie Kooperationen mit TV-Sendern und Banken, die Musik für ihre Werbung nutzen.

Die Teile dieses Rettungspakets greifen immer besser ineinander. So gut, dass Marcel Fenez, in Hongkong ansässiger oberster Medienspezialist der Beratung PwC, einen „Paradigmenwechsel im Musikbusiness“ konstatiert. So melden 9 der weltweit 20 größten Märkte wieder steigende Umsätze. Auch in Deutschland sieht Fenez die Wende geschafft. Für ihn ist 2013 das Wachstum im Digitalgeschäft erstmals größer als das Minus bei physischen Tonträgern und sorgt bis 2017 für ein Wachstum von im Schnitt 0,8 Prozent.

Virtuelle Läden diktieren die Bedingungen

Die bekanntesten Musik-Portale im Internet
Amazon startet Prime Music in Deutschland und Österreich - als Bestandteil von Amazon Prime ohne zusätzliche Kosten. Quelle: obs
Apple Music Quelle: dpa
Die seit März 2012 existierende Plattform Spotify bietet mehr als 30 Millionen Songs an. Eine Gratis-Version erlaubt das Anhören der Musik mit Werbeunterbrechungen. Zusätzliche Premiumfunktionen wie das Downloaden von Liedern sind wie bei den meisten Streaming-Angeboten kostenpflichtig. Nach eigenen Angaben hat Spotify mehr als 75 Millionen Nutzer, 20 Millionen von ihnen zahlen. Der Streaming-Dienst ist in 58 Ländern verfügbar.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich
Die Streaming-Plattform Deezer ist vor allem in Frankreich sehr beliebt. 2007 startete sie als erster Gratis-Streamingdienst auf dem Markt. Heute kostet eine Mitgliedschaft, wie auch bei vielen anderen Diensten, Geld. Kostenlos gibt es nur ein Radio-Angebot und Lied-Ausschnitte. Die Plattform ist mittlerweile in mehr als 180 Ländern verfügbar.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich Quelle: Screenshot
Mit Ampya versucht die ProSiebenSat.1 Media seit 2011 auf dem boomenden Markt der Streaming-Dienste Fuß zu fassen. Beflügelt durch viel Werbung auf den TV-Kanälen des Medienunternehmens zählt Ampya zu den bekanntesten Diensten in Deutschland. 2014 wurde Ampya von Deezer mit dem Ziel übernommen, in Europa noch weiter zu wachsen.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich Quelle: Screenshot
Seit 2012 ist WiMP aus der Bethaphase heraus. Gegründet wurde der Musikstreamingdienst in Norwegen, wo sein Mutterkonzern "Aspiro" sitzt. WiMP gibt es bis jetzt in fünf Ländern zu hören: Deutschland, Norwegen, Dänemark, Schweden und Polen. "Aspiro" spielt schon mit dem Gedanken WiMP auch in Finnland, Portugal, Österreich und der Schweiz zu etablieren. Mit einer hohen Sound-Qualität (gegen Aufpreis) und einem eigenen Redaktionsteam, das Musik empfiehlt, will sich WiMP von der Konkurrenz abheben.Preis: 4,99 bis 19,90 Euro monatlich
Napster startete als Musiktauschbörse und wurde schnell zur Plattform für illegale Raubkopien. Auf rechtlichen Druck der Musik-Industrie wurde die Plattform 2001 geschlossen. Der legale Streaming-Dienst gleichen Namens bietet mehr als 25 Millionen Songs und ist damit einer der größten überhaupt. Nach einer kostenlosen Testphase gibt es den Dienst allerdings nur noch gegen Geld.Preis: 7,95 bis 9,95 Euro monatlich Quelle: AP

Doch noch sind Universal und Co. nicht über den Berg. Denn das genesende Geschäft lockt große Player vom Medienriesen Disney über Computerhersteller Apple bis zum Online-Kaufhaus Amazon. „Da stehen viele in den Startlöchern, um sich ihren Teil des Marktes zu sichern“, sagt Hartwig Masuch, Chef der Bertelsmann-Musikrechtetochter BMG.

Das Comeback hätte nicht nur Briegmann noch vor fünf Jahren kaum so schnell für möglich gehalten. Damals traf der Strukturwandel in Richtung Digitalgeschäft die Plattenindustrie hart. Seit dem Allzeit-Umsatzhoch Ende der Neunzigerjahre hatten die Musikverkäufer die Hälfte ihres Umsatzes von einst weltweit gut 30 Milliarden Dollar und 50 Prozent ihrer Beschäftigten verloren. „Besonders junge Kunden besorgten sich Musik zunehmend illegal. So lernte eine ganze Generation von Fans, dass Musik für sie zwar wertvoll, aber auch kostenlos war“, sagt Experte Zarges.

Die Trägheit der Majors nutzten Branchenfremde wie Apple und später Amazon. Mit ihren virtuellen Läden wie iTunes dominieren sie heute das Digitalgeschäft mit Musik und diktieren die Bedingungen. Da sie vom Verkaufserlös rund 30 Prozent einbehalten, sind sie „noch rentabler als die Musikindustrie in der besten Zeit“, sagt Tim Renner, der vor Briegmann Universal leitete und heute mit seiner Firma Motor Stars wie Marius Müller-Westernhagen betreut.

Doch Universal hat aufgeholt. Operativ schaffte der Konzern 2012 wieder eine Gewinnmarge von 11,6 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass mit Leuten wie Briegmann, der auch im Beirat Ost der Deutschen Bank sitzt, nüchternes Kalkül den branchentypischen Wahnsinn dominiert. In Briegmanns Büro im obersten Stock des zur Europazentrale ausgebauten ehemaligen Eierspeichers im Berliner Osthafen ist denn auch keine Spur von kreativem Chaos zu finden. Statt vergilbte Poster einstiger Rockgrößen zieren geschmackvolle Künstlerporträts in Schwarz-Weiß die Wände.

Globaler Musikmarkt Quelle: PwC

Gestartet hat das Projekt Disziplin ein Rüstungsmanager: Jean-Bernard Lévy. Der hatte zuvor ein Vorgänger-Unternehmen des Luftfahrtkonzerns EADS geleitet und ersetzte 2002 Jean-Marie Messier als Vivendi-Chef. Messier hatte Ende 2000 vom kanadischen Mischkonzern Seagram das unter dem Namen Universal gebündelte Mediengeschäft gekauft und Vivendi zwölf Milliarden Euro Schulden aufgebürdet.

Der kühle Macher Lévy, heute Chef des Rüstungskonzerns Thales, startete ein Sparprogramm, das die Gehälter führender Manager von angeblich bis zu zehn Millionen Dollar kappte und dem Musikgeschäft einen Crashkurs in Sachen Effizienz verpasste, nach den Standards der Vivendi-Sparten Telekom und Videospiele.

Zugleich holte er Kreative an die Spitze wie Ex-Künstlerbetreuer Lucien Grainge, der 2011 Universal-Chef wurde, und Starproduzent Jimmy Iovine. „Darum herrscht da nicht nur klassische Controller-Denke“, lobt Ex-Universal-Mann Renner. „Wer nur vorhandene Musikrechte auswerten will, statt in Neues zu investieren, stößt bei Jimmy und Lucian auf taube Ohren.“

Spagat zwischen Kunst und Kosten

Die besten mobilen Kopfhörer
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Logitech Ultimate Ears 300viFünf Paar weiche Silikon-Ohrpassstücke in den Größen XXS bis L bieten selbst bei kleinen Ohren einen perfekten Sitz der In-Ear-Kopfhörer. Die Ultimate Ears In-Ear-Kopfhörer sind überdurchschnittlich robust. Und sie sitzen sicher und bequem, sodass Außengeräusche besonders gut reduziert werden. Bauform: In Ear Impedanz 16 Ohm Kabel: 1,15 Meter Preis: ab 35 EuroUltimate Ears 300vi Quelle: Presse
Logitech Ultimate Ears 600viNachteil der Ultimate Ears 600vi ist, dass die Sitznachbarn in Bahn und Bus leider auch in den Genuss der Musik kommen, die der Träger dieser Kopfhörer hört. Immerhin ist der Klang gut - allerdings nur wenig besser als der der gut halb so teuren Ultimate Ears 300vi. Bauform: In Ear Impedanz 13 Ohm Kabel: 1,16 Meter Preis: ab 85 EuroUltimate Ears 600vi Quelle: Presse
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Sony XBA-1iPGut verarbeiteter Mobilhörer, der im Kurztest ein präzises und natürliches Klangbild präsentiert. Fernbedienung und Mikrofon sind im Kabel integriert. Ohrstöpsel in vier Größen liegen bei.Bauform: In-EarImpedanz: 24 OhmKabellänge: 1,2 MeterPreis: 70 Euro (Straßenpreis)Sony XBA-1iP Quelle: Presse
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AKG K350Der AKG K350 ist sowohl für MP3-Player als auch für das iPhone, DVD- und CD-Player geeignet. Außerdem ist der Kopfhörer mit drei Gramm besonders leicht. Bauform: In-Ear Impedanz: 16 Ohm Kabellänge: 1,2 Meter Preis: ab 59 EuroAKG K350 Quelle: Presse

Wer wissen will, wie Universal den Spagat zwischen Kunst und Kosten hinbekommt, muss Tom Bohne besuchen. Der oberste Talentscout für Deutschland bleckt die weißen Zähne gern zum „Ich bring dich groß raus“-Lächeln und verbaut sich den Blick auf die Spree scheinbar achtlos mit CD-Stapeln und Verkaufsauszeichnungen.

Doch er arbeitet, als stünde er in Diensten eines Konsumgüterriesen. Ein Song ist ein Produkt, und Bohne erweitert kühl die Palette. Als Erster erkannte Universal nach der Jahrtausendwende, dass Musikfans zunehmend Stars aus den eigenen Gefilden bevorzugen, und stellte lokales Geschäft auf eine Stufe mit dem Import-Business. So setzte Bohne auf deutsche Bands wie Tokio Hotel. Und er erweitert die Bandbreite: Seine Wände zieren Fotos und Auszeichnungen für Hunderttausende verkaufte Platten von Stars wie Schnulzen-Spezialist Semino Rossi bis zu den Brachial-Provokateuren Rammstein. „Wir nehmen jedwede Art von Künstler unter Vertrag, wenn er uns Erfolg versprechend erscheint, und wollen alle Felder des Marktes besetzen“, sagt Bohne, „ab und zu fehlt noch was im Portfolio – wie aktuell ein junger Schlagerstar.“

Dazu haben Betriebswirt Bohne und sein Team die bislang vorherrschenden Faktoren Bauchgefühl und Liebe zur Musik durch ein solides Produktmanagement ergänzt. „Unsere Aufgabe ist es, Künstler zu begleiten und zu beraten“, sagt Bohne. Dazu gehören Marktforschung bei Zielgruppen, Produktgestaltung mit der passenden Verpackung sowie ein flexibler Werbeplan.

Bekamen Künstler früher je nach Umsatzerwartung automatisch teure Fernsehwerbung oder billigere Anzeigen in Musikmagazinen, lotet Universal nach dem Vorbild der Independents vor allem bei Facebook, auf Blogs und bei Twitter aus, wie Fans reagieren. „Wir achten sehr genau auf die Trends und Stimmungen und stoßen aktiv Wellen an“, sagt Bohne. „Wir können Zielgruppen sehr genau anvisieren“, ergänzt Briegmann, „wir haben jetzt erstmals adressierbare Kunden.“

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Damit setzt Universal in der Branche den Maßstab. Auch unabhängige Künstler wissen um die Macht der Majors. „Die sind gut darin, Trends früh zu sehen und durch eine große und gewiefte Marketingmaschine gezielt zu verstärken“, sagt Piet Blank vom Kölner Produzententeam Blank & Jones.

Die zweite Hilfe für Universal aus der Pariser Zentrale war eine volle Kriegskasse. Der Kauf der EMI Ende 2012 mit Künstlern wie den Beatles war nur der Abschluss einer globalen Einkaufstour von Unternehmen wie Arsenal in Brasilien bis zum chinesischen Joint Venture Sum Entertainment. In der Summe, so Branchenkenner, habe Universal seit Ende 2000 wohl an die 20 Milliarden Euro ausgegeben.

Dadurch profitiert Universal heute vom globalen Wachstum, da der Musikmarkt laut PwC in Ländern wie Indien, China oder Indonesien im Gegensatz zur Alten Welt bis 2018 um im Schnitt bis zu 18 Prozent wächst. Es beschert dem Konzern zugleich Überraschungshits wie „Ai Se Eu Te Pego“ vom Brasilianer Michel Teló, die Universal nach den ersten Erfolgen sofort weltweit vermarktet. „Man braucht schon eine gewisse Größe, um auch Fehler machen zu können, die einem nicht gleich das Genick brechen“, sagt Briegmann.

Universal gibt Gas bei der Digitalisierung

Universal Music-Manager Frank Briegmann Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Zur Betriebswirtschaft à la Universal zählt zudem, mehr aus dem vorhandenen Kapital – also der Musik – herauszuholen. Wie das geht, zeigt Christopher Gersten, ein Musikfan im Kostüm eines Controllers in Prada-Schuhen, der sich auf den Job als Vermarkter der Archivschätze durch Betriebswirtschaftsstudien in Oxford und Singapur vorbereitet hat. In seinem Büro wirkt das Schälchen mit Schokoriegeln ein wenig fremd, denn der Platz gehört den großformatigen CD-Boxen wie der bei Amazon 649,99 Euro teuren „Über Deluxe Edition“ des Albums „Achtung Baby“ der irischen Rocklegende U2 und anderen Musikschätzen.

Die üppigen Plattenpakete sind der wohl lukrativste Teil des Geschäfts mit CDs, mit denen die Musikkonzerne dem Digital-Hype zum Trotz hierzulande noch mehr als 70 Prozent ihres Umsatzes bestreiten. An der Spitze stehen dabei Gerstens Edelboxen: „Richtig gemacht, sind solche Boxen keine schlichten CDs mehr, sondern etwa durch unveröffentlichte Titel oder aufwendige Fotobücher Lifestyle-Produkte, die die Fans auf ihrem Sofatisch auslegen.“

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Wie beim Management ist Universal auch Vorbild bei der Digitalisierung. Zwar hat sich der Konzern beim Online-Verkauf „aus Angst ums Geschäftsmodell lange treiben lassen“, sagt Renner. Aber jetzt gibt der Riese Gas und experimentiert – früher als das Gros der Medienbranche – auf breiter Front.

Die Revolution findet statt am wohl unauffälligsten Ort im Berliner Universal-Komplex. Das Büro von Digitalchef Holger Christoph ginge in seiner schlichten Art praktisch ohne Möbel fast als Mönchszelle durch – wären da nicht die rund ein Dutzend wie achtlos auf dem Boden abgestellten Rahmen mit Trophäen für mehrere Millionen Downloads von Songs wie „Diamonds“ der US-Soul-Sängerin Rihanna.

Wahrscheinlich ist Christoph bloß noch nicht zum Einrichten gekommen. Denn der Herr des Digitalen und seine 15 Mitarbeiter verbringen ihre Zeit eher im Internet. So stellte Universal nicht nur als erster großer Musikkonzern gut 60 Internet-Musikläden vom Marktführer iTunes bis zu kleinen Shops die eigenen Inhalte zur Verfügung. „Damit legale Angebote erfolgreich sind, müssen sie für den Kunden in erster Linie einfach und bequem zu nutzen sein“, sagt Christoph.

Der Konzern bestückt auch rund 20 Streaming-Portale wie Spotify oder Simfy. Hier können die Kunden ihr Musikprogramm individuell aus mehr als 20 Millionen Titeln zusammenstellen und per Knopfdruck hören. Finanziert wird das über Werbeeinblendungen oder Monatsgebühren von fünf bis zehn Euro. Vom Umsatz landen etwa 70 Prozent bei den Plattenfirmen. Christoph: „Jedes Mal, wenn ein Hörer einen unserer Acts anklickt, ist das gut für uns und unsere Künstler.“

Ein Modell, von dem sich zum Beispiel Buchverlage eine Scheibe abschneiden könnten, findet nicht nur Verleger Zarges: „Haben Sie mal versucht, im Buchladen ein E-Book für Ihr Lesegerät zu kaufen und zu laden?“ Erste Ansätze dazu liefern die Buchketten Hugendubel, Thalia und Weltbild, die seit dem Frühjahr gemeinsam das Lesegerät Tolino vermarkten. Mit Bezahlinhalten experimentiert der Springer-Verlag, der für seine Zeitungen „Welt“ und „Bild“ unterschiedliche Modelle testet.

Vielversprechende Kooperationen

Welcher Kopfhörer der richtige ist
AKG K 550 Quelle: Presse
Custom One, Beyerdynamic Quelle: Presse
Beats by Dr. Dre Quelle: Presse
Monster Ntune, Monstercable Quelle: Presse
Icy Box Eko Beats Quelle: Presse
Whydah Gally Straight into Compton Quelle: Presse
Marshall Major FX Quelle: Presse

Das Digitalgeschäft ist zugleich die dritte Basis der Erfolgsgeschichte Universal: neue Einnahmequellen durch neue Produkte, Geschäft abseits der Tonträger und ungewöhnliche Kooperationen. Noch vor zehn Jahren verkauften Plattenfirmen fast ausschließlich CDs, und die möglichst nur in einer Form. „Heute sind wir ein Vollsortimenter und bieten Musik nicht nur in fast allen Richtungen an, sondern auch in Varianten für jeden Geldbeutel“, sagt Dirk Baur. Er entscheidet, was Universal an Rock- und Popveröffentlichungen aus dem Rest der Welt und an Jazz herausbringt.

Baur sitzt auf einem Schatz legendärer Jazz-Platten der Universal-Label Blue Note oder Verve. Um den zu heben, wollen „wir Jazz für neue Zielgruppen öffnen und suchen Künstler, die gerade für junge Leute die Tür aufschließen“, sagt Baur. Daher bittet er DJs, alte Songs aufzufrischen. „Wir fragen Künstler, mit welchem Musiker anderer Genres sie gern zusammenarbeiten möchten oder machen selbst Vorschläge.“ Jüngstes Werk ist die Kooperation des norwegischen Trompeters Nils Petter Molvaer mit Techno-DJ Moritz von Oswald.

Ein Abend mit Bon Jovi

Wichtig ist auch die richtige Verpackung für jede Zielgruppe. Das jüngste Elton-John-Album „The Diving Board“ brachte Baur in sechs Versionen vom Download bis zur Luxusausgabe mit Buch auf den Markt. Vom Konzertalbum „Grosse Freiheit“ des Düster-Popsängers Unheilig gab es gar gut ein Dutzend Formate. Die Vielfalt erweitert auch den Kundenkreis: War Musikkauf früher ein Hobby für Männer von 19 bis 30 Jahren – drei Prozent der Deutschen sorgen für 45 Prozent der Musikumsätze –, verführen die Vorzeigepacks auch ältere Fans wieder zum Kaufen. Streaming hingegen soll die jüngsten Hörer daran gewöhnen, dass Musik legal bequemer zu bekommen ist und besser klingt als illegale Kopien. Wenn Musikfans dann ab 20 Geld verdienen, steigen sie auf vom werbefinanzierten über das bezahlte Streaming und über CDs auch zu den Fanprodukten, so das Kalkül.

Arbeiteten Musikkonzerne früher allenfalls mit Radiosendern zusammen, verbreitert Universal heute die Zahl der Partner. So sucht Briegmann die Nähe zu TV-Sendern und hievte mit ProSieben die Combo Santiano und ihre aufgepoppten Seemannslieder in die Charts. Außerdem dient Universal seine Künstler Markenartiklern an. Mobilfunkriese Vodafone poppte seine Werbung mit Musik der Newcomer-Band Capital Cities („Safe and Sound“) auf. Commerzbank und Credit Suisse verkaufte Universal das Recht, Kunden mit 50 Gratisliedern aus dem Universal-Katalog zu ködern. „Wir wissen, wie junge Zielgruppen ticken, und können Marken helfen, ihre Produkte zu emotionalisieren“, sagt Briegmann. Ob das auf Dauer reicht, betrachtet Bertelsmann-Manager Masuch seit dem Ausstieg der Gütersloher aus dem klassischen Label-Geschäft im Jahr 2008 mit einer gewissen Distanz. Masuch arbeitet in Berlin mit Blick auf Dom und Spree, konzentriert sich auf die Auswertung von Musikrechten und beobachtet die Häutungen der traditionellen Konzerne: „Die erleben sicher gerade eine Trendwende.“ Sie profitierten von einer „Steilvorlage, die ihnen durch Digitalisierung und neue Marktteilnehmer eröffnet wurde“.

Fachfremden Konkurrenz holt auf

Die größten Mediendeals
Washington PostAmazon-Gründer Jeff Bezos kauft das Traditionsblatt Washington Post. 250 Millionen Dollar bezahlt er für die Tageszeitung. Der Chef des Washington-Post-Konzerns, Donald Graham, entschloss sich nach eigenen Worten Anfang des Jahres zu einem Verkauf, um der Zeitung die Chance zu einem Neustart zu geben. Daraufhin habe die Investmentbank Allen & Co rund ein Dutzend mögliche Interessenten angesprochen - darunter Bezos, der zunächst nicht als wahrscheinlichen Käufer galt. "Ich nannte einen Preis und Jeff war einverstanden." Die "Post" befand sich seit 80 Jahren im Besitz der Familie Graham und ist eine der einflussreichsten Zeitungen in den USA. In den 1970er Jahren enthüllte sie unter der Herausgeberin Katherine Graham den Watergate-Skandal, der zum Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon 1974 führte. Quelle: dpa
Springer-Funke-DealDer Axel Springer Verlag verkauft Ende Juli 2013 die Berliner Morgenpost, das Hamburger Abendblatt und eine Reihe von TV- und Frauen-Zeitschriften, darunter Bild der Frau, Funk Uhr und Hörzu an German publisher Axel Springer an die Funke Mediengruppe - ehemals WAZ-Gruppe. Funke bezahlt 920 Millionen Euro für die Titel. Springer setzt damit seine Strategie, das führende digitale Medienunternehmen zu werden, konsequent um. Man wolle sich noch stärker auf die Kernmarken Welt- und Bild-Gruppe mit den dazugehörigen Zeitschriftenmarken Auto-Bild, Computer-Bild und Sport-Bild konzentrieren. Außerdem will Springer die Online-Rubrikenmärkte und digitalen Vermarktungsplattformen weiter ausbauen. Quelle: REUTERS
Boston GlobeBoston-Red-Sox und FC-Liverpool-Eigentümer John Henry kauft Anfang August 2013 für 70 Millionen Dollar den „Boston Globe“. Die Traditionszeitung erschien bisher im Verlag der New York Times. Die Gruppe hat in den vergangenen Monaten bereits Beteiligungen an mehreren anderen Lokalzeitungen abgestoßen, um sich auf ihre Kernmarke zu konzentrieren. Quelle: dpa
NewsweekDas Newsweek-Magazin war einmal eines der einflussreichsten Nachrichtenblätter der USA. Anfang August 2013 kaufte das Online-Verlagshaus IBT Media den Titel von IAC. Die Marke soll überleben, allerdings nur im Internet. Die letzte Printausgabe war bereits im Dezember 2012 erschienen. Ursprünglich gehörte das Magazin zur Washington-Post-Gruppe. 2010 übernahm der kalifornische Milliardär Sidney Harman das Magazin für den symbolischen Preis von einem Dollar. Newsweek hat zu diesem Zeitpunkt bereits rund 30 Millionen Euro Schulden. Unter Harman verschmolz die Online-Ausgabe der Newsweek mit dem Nachrichtenportal "The Daily Beast" der IAC. Quelle: dpa
Frankfurter RundschauDie Qualitätszeitung aus dem DuMont-Verlag meldet am 12. November 2012 Insolvenz an. Das Blatt hat Verluste in Höhe von 16 Millionen Euro eingefahren. Ende Februar 2013 stimmt das Bundeskartellamt einer Übernahme durch neue Gesellschafter zu. Ab 1. März erscheint die FR in der unabhängigen Verlags- und Redaktionsgesellschaft „Frankfurter Rundschau GmbH“ . Gesellschafter sind mit 55 Prozent der Anteile die Frankfurter Societät GmbH, mit 35 Prozent der Verlag dieser Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, und mit zehn Prozent die Karl Gerold Stiftung. Quelle: dpa
Ein ZeitungsimperiumWarren Buffett - der drittreichste Mann der Welt kauft seit Ende 2011 gezielt US-Zeitungen auf, vornehmlich Regionalzeitungen ohne Wettbewerber. 28 Tageszeitungen hat er seitdem für die Mediensparte seines Konzerns Berkshire Hathaway erworben. Im Schnitt hat er nur zwölf Millionen pro Marke ausgegeben. Fast siebzig Zeitungen gehören zu Buffetts Reich. Berkshire Hathaway hat schon immer in Tageszeitungen investiert und ist als größter Einzelaktionär der Washington Post Mediengruppe auch an der Washington Post beteiligt. Quelle: AP

Damit sieht Masuch Universal und Co. jedoch längst nicht am rettenden Ufer. So wachse einerseits der Rechtfertigungsdruck gegenüber den Kreativen: „Die Konzerne müssen ihr Geschäftsmodell und speziell ihre Kostenstrukturen und Dienstleistungen noch weiter überdenken, weil es ihnen auf Sicht von fünf bis zehn Jahren immer schwerer fallen dürfte, Künstler davon zu überzeugen, dass diese gerechtfertigt sind.“

Geschäftszahlen der größten Musikkonzerne

Schließlich sinken die Produktionskosten. Gleichzeitig steigt die Zahl der Plattformen, auf denen sich Musiker präsentieren können. „In der Branche fällt gerade eine Markteintrittsbarriere nach der anderen“, sagt Masuch. Als eine Folge wächst der Anteil unabhängiger Plattenfirmen an den Charts stetig.

Die Rückkehr zum Profit könnte auch weit größere Player ins Inhaltegeschäft locken und Universal und Co. zu Opfern einer Übernahme machen. Amazon hat bereits die „Washington Post“ gekauft und investiert in TV-Serien wie „Under the Dome“. Aber auch Disney, CBS und MTV-Erfinder Viacom dürften wie einst Vivendi wissen, welche Türöffnerqualitäten Musik und damit verbundene digitale Geschäfts- und Abrechnungsmodelle in Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien besitzen.

Im Speicher am Osthafen blinzelt Manager Briegmann jetzt rüber zu Lady Gaga. In Krakelschrift hat der Pop-Weltstar dem deutschen Universal-Boss eine Widmung auf das meterhohe Schwarz-Weiß-Foto geschrieben. Schließlich half die Musikfabrik aus Berlin kräftig mit, die Platten der New Yorkerin ganz oben in den Charts zu platzieren. Für Briegmann ein Beweis dafür, der fachfremden Konkurrenz immer noch etwas voraus zu haben: „Die einen können Technik – und wir sind die Inhalte-Guys.“

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