
Vor dem Auftritt ist Frank Briegmann ein wenig unruhig. Der 46-Jährige mit dem prägnanten Kinn hat in der Veranstaltungshalle O2-World im Berliner Osten gleich seinen wohl wichtigsten Auftritt des Jahres. Und nach ihm kommen auf die Bühne Geigenvirtuosin Anne Sophie Mutter, Schlager-Superstar Helene Fischer und Kölsch-Rocker Wolfgang Niedecken.
Dabei ist Nervosität völlig unnötig. Denn wenn Briegmann – dezent gebräunt, im schmalen, blauen Maßanzug und mit Zahnlücken-Lächeln – auch als Jazz-Sänger oder neuer Howard Carpendale durchginge: Der Westfale ist kein Anheizer der Stars – er macht sie. Briegmann leitet beim weltgrößten Musikkonzern Universal Music das Mitteleuropa- und Skandinavien-Geschäft und gehört zur globalen Chefetage der gut 4,5 Milliarden Euro Umsatz schweren Tochter des Pariser Vivendi-Konzerns. Und an diesem Dienstag im September präsentiert er in Berlin Medien, Mitarbeitern und gut 100 der wichtigsten Plattenhändlern Mitteleuropas, mit welchen Sounds und Scheiben sein Haus im Weihnachtsgeschäft bei allen Anwesenden die Kassen süßer klingen lassen will.
Die Köpfe hinter Universal Music
Der beim Amtsantritt 2004 als Sparkommissar verrufene Manager brachte Universal eine gesunde Mischung aus nüchterner Betriebswirtschaft und kreativer Atmosphäre.
Will jungen Leuten die Tür aufschließen, auch für Jazz und Songs exotischer Herkunft. Brachte 2012 Lieder aus zehn Ländern in die deutschen Top-30-Single-Charts.
Will möglichst viele neue Künstler zu Stars machen 2012 verkauften 15 Universal-Neulinge jeweils mehr als 100.000 CDs.
Sein Job: durch aufwendige und originelle Verpackung bereits veröffentlichter Musik ältere Kunden beglücken
Zielgruppe: Plattenkäufer über 40
Möchte via Internet junge Kunden zum Musikkauf animieren. Universal-Facebook-Kontakte: 300 Millionen/Monat
Die 27-jährige Amerikanerin setzte Maßstäbe mit dem Video zur Single „Call Me Maybe“, das viele Parodien auslöste und den Titel unter die Top-Hits 2012 hob.
Den Klang beherrscht in der Branche derzeit keiner so gut wie Universal. Wie im Vorjahr meldete der lange krisengeschüttelte Konzern nicht nur Gewinn und als einziger Mehreinnahmen beim Verkauf von Pop, Jazz und Klassik. Im ersten Halbjahr 2013 riss der Herr der Klänge sogar den deutschen Musikmarkt aus gut zehn Jahren Siechtum und sorgte für ein Umsatzplus von 1,5 Prozent. Und das trotz des anhaltenden Schrumpfkurses bei den Majors genannten Musikfabriken Sony und Warner sowie Mittelständlern wie der Hamburger Edel-Gruppe oder Goodtogo aus Köln. 2012 stammte jeder zweite der 30 meistverkauften Songs von Universal. „Die sind wie Bayern München: auf Erfolg programmiert“, sagt Stefan Zarges, Chefredakteur des Branchenmagazins „Musikmarkt“ und Chef des gleichnamigen Verlags.
In der O2-Arena genießt Briegmann daher den Jubel. „Jetzt sind wir die Avantgarde“, ruft er, „wir sind die erste Medienbranche, die mit ihren Inhalten digital Geld verdient – und das fühlt sich gut an.“

Tatsächlich zeigt Universal nicht nur der eigenen gebeutelten Zunft, sondern der ganzen Medienbranche, wie sie die Digitalisierung nutzen und trotz Gratisangeboten und Piraterie profitabel wachsen kann. Auf der Partitur stehen: durch Zukäufe zulegen, effizienter arbeiten, durch gezieltere Vermarktung auch der Archive verlorene Kunden zurückerobern, mutig experimentieren mit neuen Bezahlangeboten wie Streaming sowie Social-Media-Seiten wie Facebook. Und schließlich neue margenstarke Produkte anbieten wie Fanartikel, Dienstleistungen für Künstler sowie Kooperationen mit TV-Sendern und Banken, die Musik für ihre Werbung nutzen.
Die Teile dieses Rettungspakets greifen immer besser ineinander. So gut, dass Marcel Fenez, in Hongkong ansässiger oberster Medienspezialist der Beratung PwC, einen „Paradigmenwechsel im Musikbusiness“ konstatiert. So melden 9 der weltweit 20 größten Märkte wieder steigende Umsätze. Auch in Deutschland sieht Fenez die Wende geschafft. Für ihn ist 2013 das Wachstum im Digitalgeschäft erstmals größer als das Minus bei physischen Tonträgern und sorgt bis 2017 für ein Wachstum von im Schnitt 0,8 Prozent.