Fabrik der Klänge Universal Music reißt Musikmarkt aus dem Tief

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Virtuelle Läden diktieren die Bedingungen

Die bekanntesten Musik-Portale im Internet
Amazon startet Prime Music in Deutschland und Österreich - als Bestandteil von Amazon Prime ohne zusätzliche Kosten. Quelle: obs
Apple Music Quelle: dpa
Die seit März 2012 existierende Plattform Spotify bietet mehr als 30 Millionen Songs an. Eine Gratis-Version erlaubt das Anhören der Musik mit Werbeunterbrechungen. Zusätzliche Premiumfunktionen wie das Downloaden von Liedern sind wie bei den meisten Streaming-Angeboten kostenpflichtig. Nach eigenen Angaben hat Spotify mehr als 75 Millionen Nutzer, 20 Millionen von ihnen zahlen. Der Streaming-Dienst ist in 58 Ländern verfügbar.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich
Die Streaming-Plattform Deezer ist vor allem in Frankreich sehr beliebt. 2007 startete sie als erster Gratis-Streamingdienst auf dem Markt. Heute kostet eine Mitgliedschaft, wie auch bei vielen anderen Diensten, Geld. Kostenlos gibt es nur ein Radio-Angebot und Lied-Ausschnitte. Die Plattform ist mittlerweile in mehr als 180 Ländern verfügbar.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich Quelle: Screenshot
Mit Ampya versucht die ProSiebenSat.1 Media seit 2011 auf dem boomenden Markt der Streaming-Dienste Fuß zu fassen. Beflügelt durch viel Werbung auf den TV-Kanälen des Medienunternehmens zählt Ampya zu den bekanntesten Diensten in Deutschland. 2014 wurde Ampya von Deezer mit dem Ziel übernommen, in Europa noch weiter zu wachsen.Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich Quelle: Screenshot
Seit 2012 ist WiMP aus der Bethaphase heraus. Gegründet wurde der Musikstreamingdienst in Norwegen, wo sein Mutterkonzern "Aspiro" sitzt. WiMP gibt es bis jetzt in fünf Ländern zu hören: Deutschland, Norwegen, Dänemark, Schweden und Polen. "Aspiro" spielt schon mit dem Gedanken WiMP auch in Finnland, Portugal, Österreich und der Schweiz zu etablieren. Mit einer hohen Sound-Qualität (gegen Aufpreis) und einem eigenen Redaktionsteam, das Musik empfiehlt, will sich WiMP von der Konkurrenz abheben.Preis: 4,99 bis 19,90 Euro monatlich
Napster startete als Musiktauschbörse und wurde schnell zur Plattform für illegale Raubkopien. Auf rechtlichen Druck der Musik-Industrie wurde die Plattform 2001 geschlossen. Der legale Streaming-Dienst gleichen Namens bietet mehr als 25 Millionen Songs und ist damit einer der größten überhaupt. Nach einer kostenlosen Testphase gibt es den Dienst allerdings nur noch gegen Geld.Preis: 7,95 bis 9,95 Euro monatlich Quelle: AP

Doch noch sind Universal und Co. nicht über den Berg. Denn das genesende Geschäft lockt große Player vom Medienriesen Disney über Computerhersteller Apple bis zum Online-Kaufhaus Amazon. „Da stehen viele in den Startlöchern, um sich ihren Teil des Marktes zu sichern“, sagt Hartwig Masuch, Chef der Bertelsmann-Musikrechtetochter BMG.

Das Comeback hätte nicht nur Briegmann noch vor fünf Jahren kaum so schnell für möglich gehalten. Damals traf der Strukturwandel in Richtung Digitalgeschäft die Plattenindustrie hart. Seit dem Allzeit-Umsatzhoch Ende der Neunzigerjahre hatten die Musikverkäufer die Hälfte ihres Umsatzes von einst weltweit gut 30 Milliarden Dollar und 50 Prozent ihrer Beschäftigten verloren. „Besonders junge Kunden besorgten sich Musik zunehmend illegal. So lernte eine ganze Generation von Fans, dass Musik für sie zwar wertvoll, aber auch kostenlos war“, sagt Experte Zarges.

Die Trägheit der Majors nutzten Branchenfremde wie Apple und später Amazon. Mit ihren virtuellen Läden wie iTunes dominieren sie heute das Digitalgeschäft mit Musik und diktieren die Bedingungen. Da sie vom Verkaufserlös rund 30 Prozent einbehalten, sind sie „noch rentabler als die Musikindustrie in der besten Zeit“, sagt Tim Renner, der vor Briegmann Universal leitete und heute mit seiner Firma Motor Stars wie Marius Müller-Westernhagen betreut.

Doch Universal hat aufgeholt. Operativ schaffte der Konzern 2012 wieder eine Gewinnmarge von 11,6 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass mit Leuten wie Briegmann, der auch im Beirat Ost der Deutschen Bank sitzt, nüchternes Kalkül den branchentypischen Wahnsinn dominiert. In Briegmanns Büro im obersten Stock des zur Europazentrale ausgebauten ehemaligen Eierspeichers im Berliner Osthafen ist denn auch keine Spur von kreativem Chaos zu finden. Statt vergilbte Poster einstiger Rockgrößen zieren geschmackvolle Künstlerporträts in Schwarz-Weiß die Wände.

Globaler Musikmarkt Quelle: PwC

Gestartet hat das Projekt Disziplin ein Rüstungsmanager: Jean-Bernard Lévy. Der hatte zuvor ein Vorgänger-Unternehmen des Luftfahrtkonzerns EADS geleitet und ersetzte 2002 Jean-Marie Messier als Vivendi-Chef. Messier hatte Ende 2000 vom kanadischen Mischkonzern Seagram das unter dem Namen Universal gebündelte Mediengeschäft gekauft und Vivendi zwölf Milliarden Euro Schulden aufgebürdet.

Der kühle Macher Lévy, heute Chef des Rüstungskonzerns Thales, startete ein Sparprogramm, das die Gehälter führender Manager von angeblich bis zu zehn Millionen Dollar kappte und dem Musikgeschäft einen Crashkurs in Sachen Effizienz verpasste, nach den Standards der Vivendi-Sparten Telekom und Videospiele.

Zugleich holte er Kreative an die Spitze wie Ex-Künstlerbetreuer Lucien Grainge, der 2011 Universal-Chef wurde, und Starproduzent Jimmy Iovine. „Darum herrscht da nicht nur klassische Controller-Denke“, lobt Ex-Universal-Mann Renner. „Wer nur vorhandene Musikrechte auswerten will, statt in Neues zu investieren, stößt bei Jimmy und Lucian auf taube Ohren.“

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