Fachkräftemangel Wie Firmen in Polen nach Arbeitskräften suchen

Wegen des Fachkräftemangels suchen deutsche Unternehmen verstärkt in Polen nach Arbeitskräften. Im Grenzgebiet werben sie für Jobs in Deutschland - häufig mit Erfolg, aber nicht immer zur Zufriedenheit aller.

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Bewerberin Sylwia M. (Mitte) bei einem Treffen für polnische Arbeitskräfte im Arbeitsamt in Gorzow Wielkopolski (Polen). Quelle: dpa

„Ich kenne Deutschland sehr gut“, sagt Leszek Calka. Er schiebt seinen Lebenslauf über den Tisch. Eine Mitarbeiterin einer Personalvermittlungsfirma aus Potsdam blättert die Unterlagen durch. Zu dem Infotag im polnischen Arbeitsamt in Gorzów Wielkopolski im Grenzgebiet zu Brandenburg hat es Dutzende gezogen. Sie sind auf Arbeitssuche in Deutschland. Auch wegen des Fachkräftemangels blicken viele Firmen hierzulande verstärkt ins Nachbarland. Die Zahl der in Deutschland arbeitenden Polen steigt.

Calka hat schon mal einen Vorteil: Er kann Deutsch. Ihm schwebt ein Job als Fahrer vor. Kerstin Kieper von der Firma Manpower Group Deutschland fragt, ob er sich die Arbeit als Lastwagenfahrer vorstellen könne. Und sie zählt weitere Jobs auf, die zu haben sind. „Wir suchen auch Gabelstaplerfahrer im Logistikbereich.“

Betriebe, mit denen die Personalvermittlungsfirma zusammenarbeitet, stellen sich den Angaben zufolge zunehmend auf polnische Mitarbeiter ein. Teamleiter zum Beispiel sprechen häufig auch Polnisch, und es gibt zweisprachige Ausschilderungen in Firmen. Die Personalvermittler kamen zum ersten Mal zu dem Infotag nach Gorzów Wielkopolski. „Es wird immer schwieriger, Fachpersonal zu bekommen und deshalb suchen wir auch weiter weg“, begründet das Kieper.

Die gängigsten Thesen zum Fachkräftemangel - und ihr Wahrheitsgehalt

Die Zahl polnischer Staatsangehöriger mit sozialversicherungspflichtigen Jobs in Deutschland nimmt zu. Im März waren es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg rund 366.400. Zum Vergleich: 2012 waren es 157.000 Polen. Den Anstieg führt die Behörde auch auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit zurück, die seit 2011 für Polen gilt. Das heißt, dass sie ohne Beschränkungen hier arbeiten können. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern belegt Polen den zweiten Platz. Die Gruppe der türkischen Arbeitnehmer in Deutschland ist noch deutlich größer (März 2017: mehr als 522.000).

Mit dem EU-Beitritt Polens im Jahr 2004 gab es zunächst einen regelrechten Boom. Viele aus der Grenzregion wollten in Deutschland arbeiten, wie Regina Gebhardt-Hille von der Arbeitsagentur in Frankfurt (Oder) sagt. Sie ist „Eures“-Beraterin, von denen es im deutschen Grenzgebiet zu Polen mehrere gibt. Die Berater sind Teil eines europäischen Netzwerks, um grenzüberschreitende Arbeit zu fördern. Einmal im Monat kommt sie nach Gorzów Wielkopolski und bringt ab und zu auch Firmen mit wie die Personalvermittler.

Seit 2011 habe sie rund 7500 Menschen beraten. Das Interesse sei auf gleichbleibendem Niveau. „Viele wollen eher pendeln oder zumindest das Wochenende über in Polen bei der Familie sein“, sagt Gebhardt-Hille. Es gebe zum Beispiel einige, die in Hotels in Berlin arbeiten und jeden Tag allein für eine Strecke eine Fahrzeit von etwa drei Stunden in Kauf nehmen, um abends wieder zuhause zu sein.

Die attraktivsten Regionen für Fachkräfte

Immer wieder hört man auf dem Gang des polnischen Arbeitsamtes, dass vor allem bessere Löhne in Deutschland attraktiv seien. „Es geht ums Geld“, bringt es eine 47-Jährige auf den Punkt. Auch die Sozialleistungen wie Kindergeld und Sozialversicherungen gelten bei vielen als Pluspunkt.

Von der Arbeitsagentur im sächsischen Bautzen heißt es: „Die Bereitschaft der Oberlausitzer Unternehmen, auch polnische oder tschechische Arbeitskräfte einzustellen, ist über die Jahre hinweg gestiegen.“ Seit Frühjahr 2012 habe sich die Zahl der polnischen Arbeitnehmer im Agenturbezirk bis heute fast versechsfacht. Im März seien es fast 5400 gewesen.

Im Grenzgebiet bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern hat das Interesse von Polen an den Infotagen in den vergangenen Jahren etwas nachgelassen, wie die dortige „Eures“-Beraterin Sabine Teubner-Schoebel sagt. In diesem Jahr gab es demnach bisher 35 Vermittlungen in Arbeit und 26 in Ausbildung in dem Bundesland. „In Polen sinkt die Arbeitslosigkeit“, begründet Teubner-Schoebel das zurückgegangene Interesse. Viele finden demnach im eigenen Land einen Job. Die Vermittlungen nach Deutschland glücken auch nicht immer. Oftmals scheitere es daran, dass Deutschkenntnisse oder die nötigen beruflichen Qualifizierungen fehlen.

Trotzdem setzen viele Firmen ihre Hoffnungen auf Polen. Das zeigt auch ein Arbeitsagentur-Projekt, bei dem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg um polnische Auszubildende geworben wird. Und das bestätigt auch „Eures“-Beraterin Aleksandra Drückler aus Südbrandenburg. Es gebe immer wieder Firmen, die bislang keine polnischen Arbeitskräfte hatten und es einmal ausprobieren wollen. Die Industrie- und Handelskammer in Cottbus nennt vor allem den Fachkräftemangel als Grund für das „beachtliche“ Interesse der Betriebe. Zudem suchten Firmen nach Arbeitnehmern, die den polnischen Markt gut kennen.

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