Feelgood-Management Einsatz für das gute Gefühl

Weniger Fehltage, bessere Leistung: Firmen heuern Experten an, die sich allein um das Wohlbefinden der Mitarbeiter kümmern.

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Triebfeder der Unternehmen ist weniger die Nächstenliebe als der Eigennutz. Es geht um eine leistungsfähige Belegschaft. Quelle: dpa

Köln Kicker, Ruheraum, Yoga, Betriebsausflug nach Las Vegas: Die Liste der Wohlfühl-Maßnahmen bei Uniq füllt eine ganze DIN-A4-Seite. Das Start-up aus Holzwickede bei Dortmund betreibt mehrere Online-Schnäppchenportale, darunter Urlaubsguru.de oder Schnäppchenfee.de. Die Annehmlichkeiten für die Mitarbeiter sind Teil der Unternehmensphilosophie: „Wir wollen, dass es allen hier gut geht“, sagt Gründer und Geschäftsführer Daniel Krahn.

Vor gut drei Jahren heuerte Uniq einen sogenannten Feelgood-Manager an. Der kümmerte sich um Obstkörbe, kostenlose Getränke und stellte einen Basketballkorb auf. Heute ist ein ganzes Team für das Wohlbefinden der gut 180 Mitarbeiter zuständig. Neben Sportangeboten und Team-Events stehen auch zur Verschwiegenheit verpflichtete Vertrauenspersonen und regelmäßige anonyme Zufriedenheitsumfragen auf der Feelgood-Liste. „Unsere Mitarbeiter sind unser Kapital“, sagt Krahn. „Wir verlangen viel von ihnen, da wollen wir ihnen auch viel bieten.“

Uniq ist Vorreiter in Sachen Wohlfühlmanagement. Doch die Zahl der Nachahmer dürfte steigen. „Unternehmen in Deutschland verstehen zunehmend, dass sie in die Gesunderhaltung ihrer Belegschaft und deren Wohlergehen investieren müssen“, sagt Helmut Schröder, der stellvertretende Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. „Dazu gehört natürlich auch eine gute Unternehmenskultur.“ Es gibt viel zu tun: So ergab jüngst eine Studie der Marktforscher von Gallup, dass 70 Prozent der Beschäftigten nur Dienst nach Vorschrift machen.

Schröder gibt gemeinsam mit Kollegen jedes Jahr den Fehlzeiten-Report heraus, eine Untersuchung in deutschen Firmen über Krankheitstage und deren Ursachen. „Wer sich wohlfühlt, ist gesünder“, sagt Schröder. „Gute Unternehmenskultur bedeutet weniger körperliche und psychische Beschwerden bei den Beschäftigten - und damit auch weniger krankheitsbedingte Fehltage.“ Im Umkehrschluss liegt eine alarmierende Botschaft: Schlechte Kultur steht durchaus in Zusammenhang mit psychischen Krankheiten, Schlafstörungen und Beschwerden wie etwa Rückenproblemen.

Wie verbreitet Feelgood-Management bereits ist, lässt sich schwer erfassen. Das Unternehmen Goodplace, das unter anderem eine Zertifizierung für Feelgood-Management anbietet, listet auf seiner Webseite rund 30 Firmen auf, die eine solche Stelle geschaffen haben. Schätzungen gehen von etwa 100 Unternehmen deutschlandweit aus. Neben jungen Unternehmen wie Silvertours oder Jimdo zählt auch die Hamburger Sparkasse dazu. Allerdings dürfte die zugrunde liegende Idee weiter verbreitet sein - es verwenden nur nicht alle den Begriff. So sprechen Experten auch von Corporate Happiness oder einfach von guter Unternehmenskultur.


Zeit gewinnt an Wert

Forscher Schröder erläutert, worauf es ankomme: „Eine ideale Unternehmenskultur ist geprägt durch vertrauensvolle Kooperation, verbunden mit Wertschätzung sowie verbindlichen und transparenten Entscheidungsprozessen. Das darf kein Feigenblatt sein.“ Man müsse die Kultur ehrlich meinen und täglich mit Leben füllen. Ein Tischkicker und kostenlose Getränke reichen nicht - sie können höchstens das Sahnehäubchen auf einem gesunden Betriebsklima sein.

Jedoch steht Feelgood-Management teilweise im Ruf, sich genau auf solche Kleinigkeiten zu beschränken. Dann wird das Klischee vom Start-up bemüht, in dem 13-Stunden-Tage und harsche Kritik an der Tagesordnung sind, aber der Feelgood-Manager mit Snacks, Club-Mate und Sitzsäcken für ein bisschen gute Stimmung sorgt.

Die Frankfurter Beraterin Melanie Schacker sagt: „Feelgood-Management, mit dem man wirklich etwas erreichen kann, geht weit darüber hinaus.“ Es gehe um Aspekte wie eine sinnstiftende Arbeitskultur, gegenseitige Wertschätzung und Gesundheitsmanagement. „Und vor allem um Kommunikation.“ Denn wer Mitarbeitern etwas Gutes tun will, muss zunächst wissen, was sie gerne hätten. „Über allem steht die Analyse: Wer arbeitet hier, welche Anforderungen und Wünsche gibt es?“, sagt Schacker. Erst dann kann über konkrete Maßnahmen entschieden werden.

Der Feelgood-Manager arbeite an den Schnittstellen zwischen Geschäftsführung, Personalabteilung und Kommunikation, sagt Schacker. „Eine wichtige Aufgabe ist es, die Bedürfnisse der Mitarbeiter und die Interessen des Unternehmens im Blick zu behalten und miteinander in Einklang zu bringen.“ Die Ansprüche sind vielfältiger: Eine wachsende Zahl von Mitarbeitern lässt sich nicht mehr mit einer Gehaltserhöhung oder einem Dienstwagen zufriedenstellen. Stattdessen wird ein Dienstrad oder mehr Zeit gewünscht, um Kinder aus der Kita abzuholen.

Triebfeder der Unternehmen ist weniger die Nächstenliebe als der Eigennutz. Es geht um eine leistungsfähige Belegschaft: „Man sollte da ruhig ehrlich zu seinen Mitarbeitern sein“, sagt Feelgood-Beraterin Schacker. Ein gesundes Betriebsklima stärkt die Firmen auch im Wettbewerb um junge Talente und Fachkräfte. „Der Druck, sich als Arbeitgeber noch attraktiver zu machen, ist bei Unternehmen angekommen“, sagt AOK-Forscher Schröder. „Bewerber fragen immer häufiger nach Aspekten wie der Work-Life-Balance oder nach Fortbildungen.“ Nur wer gute Antworten hat, kann im Recruiting-Wettbewerb mithalten.

Beim Schnäppchenportal-Betreiber Uniq funktioniert das gut: „Wir können uns über mangelnde Bewerberzahlen nicht beklagen“, sagt Gründer Krahn. Führungskräfte hätten sogar schon ein geringeres Gehalt in Kauf genommen, um in der Wohlfühlfirma zu arbeiten, so Krahn. „Praktisch alle Bewerber nennen unsere Unternehmenskultur als Hauptgrund, warum sie für uns arbeiten wollen.“

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