




Es ist kein Jahr her, da funktionierte der deutsche Busmarkt nach sozialistischen Regeln. Wer als Unternehmer eine Fernbuslinie von Köln nach München anbieten wollte, musste bei den zuständigen Behörden im Rheinland oder in Bayern einen Antrag einreichen. Die Beamten prüften, wie sich der Bus auf den Fernverkehr der Deutschen Bahn auswirken könnte. Drohte dem Staatskonzern ein Verlust an Fahrgästen in seinen Zügen, lehnten die Staatsdiener das Angebot ab. Ohnehin mussten die Busunternehmer nachweisen, wie sich das Verkehrsangebot durch ihre Busse deutlich verbessern würde, etwa durch eine umstiegsfreie und schnellere Verbindung, was schwierig war, wenn ICE- und Intercity-Züge auf gleicher Strecke fuhren. Ein günstigerer Preis reichte als Argument eben nicht, dagegen legte die Deutsche Bahn regelmäßig ihr Veto ein. Es war also ein bequemes Monopol, in dem die Deutsche Bahn ihre Züge rollen lassen konnte. Wettbewerb von der Straße war ausgeschlossen.
Heute wirken solchen Regeln antiquiert und wie eine Wirtschaftsordnung aus dem Mittelalter. Kaum vorstellbar, dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Fernbusmarkt gerade erst vor gut einem Jahr öffnete. Das Angebot an Strecken hat sich seitdem verdreifacht, die Fahrgastzahlen explodieren. Ludwig Erhard wäre wohl zufrieden, denn der offene Markt erfüllt nebenbei auch eine soziale Aufgabe. Reisende, die sich ein teures Zugticket bislang nicht leisten konnten, haben nun endlich die Möglichkeit, zu einem angemessenen Preis durch Deutschland zu fahren.
Bahn hat ihre Chance verpasst
Vor allem Startups haben ihre Chance ergriffen - allen voran das Unternehmen MeinFernbus (MFB). Die Berliner bieten inzwischen 40 Linien an und beförderten mit ihren 151 Bussen in diesem Jahr mehr als 2,5 Millionen Fahrgäste. Nach angebotenen Fahrplankilometern deckt MFB laut Marktforschungsinstitut Iges knapp 40 Prozent des Marktes ab. Damit ist das Unternehmen fast doppelt so groß wie die Busflotte der Deutschen Bahn, die auf 22 Prozent Marktanteil kommt. Gefolgt wird das Duo von dem Münchener Startup Flixbus (14,8 Prozent Marktanteil), dem ADAC Postbus (7,5 Prozent) und der zu National Express gehörenden Marke City2City (4,8 Prozent). Weit abgeschlagen liegt das Angebot von Deinbus.
Der Erfolg von MFB wirkt umso eindrucksvoller, wenn man bedenkt, dass die Deutsche Bahn aufgrund von Sonderkonzessionen seit Jahrzehnten Fernbuslinien von und nach Berlin betreibt. Vor einem Jahr war die Bahn also geradezu prädestiniert, den Fernbusmarkt aktiv mitzugestalten. Stattdessen erweitert sie ihr Angebot nur behutsam. Ihre Strategie: Mit dem „IC Bus“ will sie vor allem Direktverbindungen anbieten, wo sonst per Zug mindestens ein Umstieg nötig wäre. Das Angebot hat sie auch in den Zug-Fahrplan integriert. Es dürfte dennoch nur eine Frage der Zeit sein, bis auch FlixBus und die ADAC Postbusse an dem Berliner Staatskonzern vorbeirauschen. Bahn-Vorstand Ulrich Homburg hält die Renditeaussichten im Fernbusmarkt für wenig attraktiv.
Tatsächlich hat der Markt bereits einen heftigen Preiskampf ausgelöst. Kostet ein Zugticket von Köln nach München mit Bahncard50-Rabatt 71 Euro, gibt es das Ticket beim ADAC Postbus ab 23 Euro. MFB und Flixbus sind sogar ein beziehungsweise vier Euro preiswerter. Die Einnahmen pro Kilometer sanken für die Busunternehmen innerhalb eines Jahres dramatisch. Nahmen sie im Oktober 2012 laut Iges durchschnittlich elf Cent pro Kilometer ein, sind es heute nur noch neun Cent pro Kilometer – ein Preisverfall von 18 Prozent.