Festival „Tomorrowland“ Elektromusik als lukratives Geschäftsmodell

„Tomorrowland“: Elektromusik als lukratives Geschäftsmodell Quelle: imago images

Elektronische Tanzmusik zählt zu den erfolgreichsten Popmusik-Genres. Beim „Tomorrowland“-Festival in Belgien treten die Stars der Szene auf. Doch es geht längst nicht mehr nur um Musik, sondern ums Geschäft.

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„Tomorrowland“ ist so beliebt, dass die 400.000 Tickets jedes Jahr binnen einer Sekunde ausverkauft sind: Das Festival ist eines der weitweit größten Treffen für Fans von elektronischer Tanzmusik – und das ausgerechnet im kleinen Belgien. Am Freitag startete das Spektakel wieder in der Nähe von Antwerpen - und zeigt einmal mehr, was für ein riesiger Geschäftszweig die elektronische Musik inzwischen ist.

Neben mehr als tausend DJs erwarten die meist jungen Besucher Zirkusakrobaten, Feuerwerke, Konfettiregen, Go-Go-Tänzerinnen, Gourmet-Essen, Rauch speiende Riesendrachen und Jahrmarktbuden. Auch viele deutsche DJs wie Sven Väth, Felix Jaehn, Alle Farben oder Ben Klock werden beim „Tomorrowland“ an den Reglern stehen. Denn deutsche Musiker prägen die Szene entscheidend mit. In der elektronischen Tanzmusik durchbrechen europäische Künstler die sonst übliche „angloamerikanische Dominanz“ in der Popmusik, meint der Kulturwissenschaftler Thomas Hecken von der Universität Siegen.

„Deutsche DJs sind tatsächlich sehr erfolgreich in der Welt der internationalen DJs“, sagt auch Ethan Baer, der Chef von „EDM.com“, einem US-amerikanischen Blog für elektronische Tanzmusik. „EDM“ ist die Abkürzung für „Electronic Dance Music“ und beschreibt eine kommerziell besonders erfolgreiche Form der Elektromusik: Melodiöse und sehr tanzbare Lieder mit einfachen Beats. Populäre Vertreter sind etwa der Franzose David Guetta - der jedes Jahr auf dem „Tomorrowland“ auftritt - und der Deutsche Robin Schulz. Auch er kommt nach Belgien.

Sieht man sich die Live-Auftritte der vergangenen Jahr an, fällt vor allem auf, dass niemand stillstehen kann. Treibende Beats im 4/4-Takt und Hunderttausende, die dazu die Arme recken. „EDM macht es zum einen möglich, sehr einfache Melodien und Harmonien zu hören, weil sie durch die exakten Beats und digitalen, sterilen Sounds nicht allzu traditionell wirken, obwohl sie einen hohen Kitschfaktor besitzen“, erklärt Kulturwissenschaftler Hecken die Beliebtheit. „Zum anderen funktioniert EDM gleichermaßen erfolgreich als Begleitklang, als zerstreute Hintergrundatmosphäre wie als Tanz- und Feiermusik, die intensiv und körperlich wahrgenommen wird.“

Die Fans wollen tanzen und feiern – doch beim „Tomorrowland“ geht es, wie in der Szene allgemein, längst nicht mehr nur um die Musik. Für die Veranstalter und die großen DJs sind die Beats nicht zuletzt ein gutes Geschäft. Beim „Tomorrowland“ kosten die teuersten Tickets 445 Euro, ein einfaches Tagesticket 94. Wie viel die Musiker bekommen, wollten die Veranstalter auf Nachfrage nicht sagen. Auch DJs wie Solomun, Sven Väth, Ben Klock, Dixon oder Robin Schulz äußerten sich nicht.

Doch Baer, der für „EDM.com“ häufig mit Veranstaltern und DJs zusammenarbeitet, gibt einen Einblick: „Die Gagen sind natürlich sehr unterschiedlich, aber wir können definitiv bestätigen, dass berühmte DJs mindestens fünfstellige Beträge pro Auftritt bekommen, manchmal sogar sechsstellig.“ Viele DJs haben Hunderte Auftritte im Jahr.

Elektronische Tanzmusik hat ein hohes wirtschaftliches Kapital, wie auch Hecken bestätigt. Das liege neben der Beliebtheit daran, dass die Genres günstig zu produzieren seien. Zwar fallen für die Topstars, mit denen das Geld gemacht werde, hohe Marketingkosten an - doch diese seien immer noch geringer als bei Popstars wie Rihanna. Die Branche der elektronischen Tanzmusik expandiere immer weiter, sagt Baer. „Das bedeutet aber auch, dass die großen Namen es sich herausnehmen, mehr zu verlangen - Kosten, die an den Konsumenten weitergegeben werden.“
Das „Tomorrowland“ zählt zu den größten Veranstaltern der Szene, ist laut Baer ein „Meilenstein“, was Elektro-Festivals angehe, und „hoch respektiert in der Branche.“ Doch alle werden nicht profitieren, wenn die Fans am Wochenende wieder ins Naherholungsgebiet De Schorre südlich von Antwerpen strömen.

„Der Großteil des Wachstums in der elektronischen Tanzmusik entfällt auf die Top-Acts und Top-Clubs“, sagt Baer. „Für die meisten Künstler verändert sich nichts.“ Es werde bei all der Musik, die täglich veröffentlicht wird, eher schwieriger, den Durchbruch zu schaffen. „Am Ende gibt es eine Verdichtung von Macht und Geld an der Spitze der Branche - und die wird es auch immer geben.“

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