Filmindustrie Deutsche Filme in Gefahr

Filmförderung ist ein Wirtschaftsturbo und eine Jobmaschine, sagt Alexander Thies, Vorsitzender der Allianz der deutschen Film- und Fernsehproduzenten, und warnt: Kürzt die Bundesregierung wie geplant die Filmförderung, kommen internationale Filmproduzenten nicht mehr nach Deutschland.

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Mit Filmen wird auch in Deutschland viel Geld verdient – von den Verwertern. Produzenten sind von der Wertschöpfung aus Film- und Fernsehrechten weitgehend ausgeschlossen.

 Dies gilt für Fernsehproduzenten, die mit der Ablieferung ihres Films, ihrer Serie, ihrer Show an den Auftrag gebenden Sender normalerweise auch alle Rechte los sind. Erlöse aus Zweitverwertungsmärkten – Auslandsverkäufe, Formathandel, VoD-Plattformen – finden praktisch nicht statt.

 Und es gilt für Kinofilmproduzenten. Auch deshalb ist der deutsche Kinofilm von Subventionen abhängig. Die Strukturen des deutschen Produktionsmarktes verhindern bis auf wenige Ausnahmen auch hier die Teilhabe der Produktionsfirmen am Erfolg ihrer Werke. Um ihre Projekte überhaupt finanzieren zu können, müssen sie die Auswertungsrechte vorab billig verkaufen. Wenn alles gut geht, haben sie am Ende der Auswertungskette keinen Verlust gemacht. Von wirklichen Gewinnen, die reinvestiert werden können, um den Teufelskreis der Vorab-Verramschung wertvoller Filmprojekte zu durchbrechen, kann keine Rede sein.

 Aber wir wollen ja Filme machen, und bevor wir die deutsche Verwertungs- und Rechtewirklichkeit vom Kopf auf die Füße gestellt haben, geht ohne die Filmförderung eben so gut wie gar nichts. Doch auch die darf man sich nicht als kuschelige Rundum-Sorglos-Versorgung vorstellen. Verschiedene Förderinstitutionen verfolgen verschiedene Ziele, mit denen man sich zu arrangieren gelernt hat. Doch jetzt soll der Deutsche Filmförderfonds DFFF, das einleuchtendste und auch volkswirtschaftlich effektivste Programm, um fast 30 Prozent gekürzt werden.

 Der DFFF funktioniert nach einem sehr einfachen Prinzip: Erfüllt ein Projekt bestimmte Bedingungen, werden bis zu 20 Prozent der in Deutschland ausgegebenen Produktionskosten erstattet. Seit seiner Einführung 2007 wurden damit 750 Filme mitfinanziert – von deutschen Blockbustern wie „Fack Ju Göhte“ über Filmkunsterfolge wie „Das weiße Band“ bis zu stargespickten internationalen Koproduktionen wie „Inglourious Basterds“. Seit der Einrichtung des DFFF ist der durchschnittliche Marktanteil deutscher Filme von 16 Prozent (1995 bis 2007) auf 23 Prozent (2008 bis 2013) gestiegen.

Foto von Alexander Thies

 Aber das ist ganz egal. Obwohl er irritierenderweise so heißt, ist der Deutsche Filmförderfonds eigentlich gar keine Filmförderung. Er ist ein Wirtschaftsturbo und eine Jobmaschine, er hat dafür gesorgt, dass Deutschland auf der Weltkarte der Filmproduktion wieder als Player wahrgenommen wird, er hat unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit entscheidend gestärkt. Ob die Filme, die durch ihn ermöglicht oder besser ausgestattet werden, gut oder sehenswert oder erfolgreich an den Kinokassen sind, ist in diesem Zusammenhang nebensächlich. Die Wirkung des DFFF passiert nicht im Kino, sie passiert in der wirklichen Welt. So hat er mit einem vergleichsweise kleinen Volumen von 60 bis –70 Mio. Euro pro Jahr seit seiner Einführung Folgeinvestitionen in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro ausgelöst.

 

Schaden im Kernbereich des DFFF

Auch, wenn der DFFF – die entsprechende Ausstattung vorausgesetzt – durch seine einfache Konstruktion und seine übersichtliche Anwendung von allen Film-Subventionen die effektivste ist, bleiben auch die „klassischen“ Förderungen volkswirtschaftliche Einnahmen-Generatoren. Jeder Euro, der in die Filmproduktion geht, so hat man ausgerechnet, erzeugt nach kurzer Zeit ein Steueraufkommen von 1,72 Euro – und da ist die Verwertung noch gar nicht erfasst.

 Die für den DFFF geplanten Kürzungen hätten drastische Folgen: zehn Prozent, also sechs Million en Euro weniger, ließe das deutsche Filmproduktionsvolumen um bis zu 49 Millionen Euro einbrechen, hinzu kämen indirekte und induzierte Umsatz-Verluste von weiteren 69 Millionen Euro, 800 Beschäftigte verlören ihre Arbeit – und dem Staat entgingen Steuereinnahmen, die mit 16 Millionen Euro fast drei Mal so hoch wären wie der durch die DFFF-Kürzung eingesparte Betrag. Tatsächlich aber ist es noch viel schlimmer: Im Haushaltsentwurf stehen statt der 70 Millionen, über die der DFFF 2013 verfügen konnte, für das nächste Jahr 20 Millionen Euro weniger.

 Umgekehrt hätte eine Aufstockung ebenfalls überproportionale Auswirkungen: Sechs Millionen Euro mehr würden für 16 Millionen Euro zusätzlicher Steuereinnahmen sorgen, Umsatz und Zahl der Beschäftigten würden ebenfalls  entsprechend wachsen.

 Selbst wenn die Kürzungsabsicht zurückgenommen und vielleicht sogar eine Aufstockung des DFFF ins Auge gefasst würde, ist der Schaden in einem Kernbereich des DFFF bereits entstanden: dem der internationalen Koproduktionen. Dieser Sektor verlangt nichts mehr als Verlässlichkeit und Kontinuität. Hochbudgetierte Großprojekte benötigen einen großen Vorlauf. Wenn die Rahmenbedingungen in Deutschland in Frage gestellt sind, wandern sie eben nach Großbritannien oder Kanada, wo jährlich ein Vielfaches des DFFF-Volumens zur Verfügung steht, oder in eines der vielen Länder, in denen eine schlechtere Infrastruktur und unterentwickeltes Knowhow durch eine Kombination aus Förderung und niedrigen Löhnen ausgeglichen wird.

 Die Bedeutung eines Einsparungspotentials von 20 Millionen Euro kann man angesichts eines Gesamt-Haushaltsvolumens von 299,5 Milliarden Euro wohl als eher gering bezeichnen. Von den 100 Millionen Euro an Steuermitteln, die Bund und Länder jährlich in die Kinofilmproduktion investieren, machen 20 Millionen dann schon ein Fünftel aus, was die empfindliche Balance der Filmfinanzierung in Deutschland entscheidend stören würde. Darüber hinaus würde die Kürzung des DFFF über kurz oder lang den Abstieg Deutschlands aus der Champions League der Filmproduktion bedeuten – ein zu hoher Preis für eine vergleichsweise geringfügige Sparmaßnahme.

 Es geht beim DFFF nicht um Filmförderung. Es geht um die Sicherung von Betrieben und Arbeitsplätzen, die Weiterentwicklung des Produktionsstandorts mit Hightech und Knowhow, um die Steigerung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Für die Mitglieder des Haushaltsausschusses, die am 11. November die Haushaltswoche des Deutschen Bundestags vorbereiten, und für die Abgeordneten, die dem Gesetz am Ende zustimmen, sollte es eine Frage der Vernunft sein, den DFFF nicht zu kürzen, sondern im Gegenteil verlässlich und dauerhaft aufzustocken.

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