Finanzdatensystem Warum Putin keine echte Alternative zu Swift hat

Das Finanznetzwerk Swift mit Sitz im belgischen Brüssel betreibt eine Art Intranet für Banken.  Quelle: REUTERS

Der Westen hat beschlossen, russische Banken wegen des Ukraine-Überfalls aus dem Finanznetzwerk Swift zu werfen. Bloß: Warum ist Swift so bedeutend? Die fünf wichtigsten Antworten im schnellen Überblick.

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Sollen russische Banken weiterhin das Finanznetzwerk Swift nutzen dürfen? Nach monatelangem Ringen haben die USA und die Europäische Kommission am Wochenende beschlossen, Russland teilweise vom Finanznetzwerk Swift abzuklemmen. Konkret will der Westen die russischen Banken von Swift abtrennen, die er bereits mit Sanktionen belegt hat. Zuvor hatte sich vor allem Deutschland lange gegen diesen Schritt gewehrt, weil die Folgen der Swift-Sperre zu dramatisch erschienen. Allein: Warum ist Swift so bedeutsam?

Die WirtschaftsWoche beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zu dem Finanznetzwerk:

Wer steckt hinter Swift?

Swift ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit Sitz in Brüssel, das sich 1973 als Genossenschaft nach belgischem Recht gegründet hat. Swift gehört Banken auf der ganzen Welt, das spiegelt sich im Verwaltungsrat der Genossenschaft wider. Mitglieder des Gremiums sind unter anderem Banker aus den USA, China, Südafrika sowie ein Deutsche-Bank-Manager und – noch – der Russe Eddie Astanin.

Weil Swift den Banken Transaktionen über Ländergrenzen hinweg ermöglicht. Die Folge: Ein Geldhaus ohne Swift-Anschluss hat praktisch keinen Zugang zum internationalen Zahlungsverkehr mehr. Für Länder, in denen keine einzige Bank mehr an Swift angeschlossen ist, bedeutet das: Sie können nur noch mit erheblichem Aufwand oder gar nicht mehr Geld an andere Staaten versenden oder von diesen erhalten. Das kann dramatische Konsequenzen haben: Als der Westen Iran 2012 zum ersten Mal wegen des Atomstreits aus Swift ausschloss, knickte die Wirtschaft des Mullah-Regimes prompt ein. 

Anders als oft angenommen wickelt Swift selbst keine Überweisungen ab, sondern schafft nur die Voraussetzungen dafür. Für diesen Zweck betreibt Swift eine Art Intranet, an das sich Banken und andere Finanzfirmen anschließen können. Dieses Intranet lässt sich mit einem Rohrpostsystem vergleichen: Es ermöglicht den Geldhäusern, sich auf eine besonders sichere Art und Weise Informationen hin- und herzuschicken, die ihren Transaktionen zugrunde liegen. 

Dazu legt Swift fest, welches Format die Rohrpostnachrichten haben müssen, die sich die Banken schicken. Swift vergibt deshalb die sogenannten Bank Identifier Codes, kurz BICs, die auf Bezahlkarten aufgedruckt sind und bei Überweisungen eine Rolle spielen. Dieser Code ist die Adresse einer Bank im Swift-Netzwerk: Jedes beteiligte Geldhaus verfügt über mindestens einen BIC-Code und kann durch ihn identifiziert werden – ähnlich einer IP-Adresse im Internet, über die sich ein Computer identifizieren lässt.

Wie ließe sich der beschlossene Ausschluss Russlands bewerkstelligen?

Das wäre ein simpler technischer Vorgang: Die Swift-Mitarbeiter könnten die BIC-Codes der russischen Banken mit wenigen Klicks aus ihrem Netzwerk entfernen. Schon können andere Geldhäuser nicht einmal Nachrichten an die russischen Institute losschicken, weil es für diese Rohrpost keinen Adressaten mehr gäbe.


Das zeigt: Technisch gesehen ist auch der beschlossene Teil-Ausschluss Russlands von Swift problemlos möglich. Einige Geldhäuser verlieren ihren Anschluss an das Netzwerk, indem Swift ihre BIC-Codes entfernt, während andere Geldhäuser ihre Adressen behalten. Über diese verbliebenen Institute könnte Europa zum Beispiel die Zahlungen für russisches Gas und Erdöl abwickeln, weil der Kontinent auf diese Rohstoffe angewiesen ist.

Wer entscheidet, ob Russland aus Swift fliegt?

Die westlichen Regierungen – oder sogar die USA allein. So war es jedenfalls in der Vergangenheit: 2018 verhängten die Amerikaner unter Präsident Donald Trump neuerliche Sanktionen gegen Iran, die die Europäer nicht mittragen wollten. Trotzdem warf Swift Iran, nachdem das Teheraner Regime ab 2016 wieder Teil des Netzwerks geworden war, erneut raus, weil die US-Banken Mitglieder und Kunden von Swift sind. Hinzu kommt, dass die Amerikaner die Swift-Manager mit Sanktionen belegen könnten, sollten diese möglichen Wünschen aus Washington nicht nachkommen.

Gibt es keine Alternativen zu Swift?

Nein. Es gibt kein anderes Bezahlnetzwerk, das derart global aufgestellt ist wie Swift. Es existieren nur regionale Alternativen: Russland hat vor Jahren begonnen, sich auf einen Swift-Ausschluss vorzubereiten und ein eigenes System zu entwickeln. Dieses Netzwerk ist allerdings nicht ansatzweise so weit verbreitet wie Swift. Moskau kann sein eigenes Netzwerk immerhin nutzen, um daran Banken aus anderen Staaten wie China anzudocken, damit die Russen weiterhin Geld ins Ausland bringen können. 

Das würde für sie jedoch einen zusätzlichen Aufwand bedeuten, weil die russischen Geldhäuser ihre Transaktionsdaten nicht mehr direkt an Institute ihrer Wahl senden können. Zudem müsste sich erst zeigen, ob Banken unter anderem aus China, die erst an das russische Netzwerk angeschlossen werden müssten, den gesamten internationalen Zahlungsverkehr mit Russland abwickeln könnten. 



Mittel- und langfristig könnte Russland zwar versuchen, noch mehr Banken aus weiteren Ländern an sein Netzwerk anzuschließen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Moskau Swift tatsächlich Konkurrenz machen kann. Es wäre ein Kraftakt, tausende Banken als Kunden zu gewinnen und an das russische Netzwerk anzuschließen. An Swift sind derzeit gar mehr als 11.000 Geldhäuser und andere Finanzunternehmen aus mehr als 200 Ländern angeschlossen.

Zugleich besitzen die Banken kein Interesse daran, einen Swift-Konkurrenten aufzubauen, weil ihnen die Genossenschaft gehört. Das ist auch der Grund dafür, warum Swift zwar über eine quasi-monopolistische Stellung verfügt, diese aber augenscheinlich kaum ausnutzt: Die Gebühren gelten als moderat. So wickelte Swift 2020 – neuere Geschäftszahlen liegen noch nicht vor – zwar mehr als 20 Milliarden Finanznachrichten zwischen Banken ab, aber erwirtschaftete damit noch nicht einmal eine Milliarde Umsatz: Die Einnahmen betrugen 905 Millionen Euro, der Gewinn lag bei 36 Millionen Euro.

Aktualisierung: Dieser Text ist erstmalig 25. Februar 2022 erschienen und seitdem mehrfach aktualisiert worden, zuletzt am 28. Februar 2022.  

Mehr zum Thema: Schwere Hackerattacken gegen die Ukraine begleiteten Russlands Einmarsch. Sicherheitsexperten fürchten, der Konflikt könnte im Netz auch auf Deutschland und die EU übergreifen.

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