Fivee-Gründer Braun Der Generation-Z-Flüsterer

André Braun auf der Tincon, einer Veranstaltung für Teenager im Rahmen der Republica 2019. Quelle: Presse / Dominik Pohl

Ein 17-jähriger Unternehmer erklärt, wie Konzerne seine Generation am besten erreichen können – und warum viele kläglich scheitern.

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Eigentlich müsste André Braun lernen, aber im Moment hat er andere Prioritäten: „Gelernt wird, wenn keine Kunden mehr erreichbar sind“, sagt der 17-Jährige. Er steckt gerade mitten in der Prüfungsphase für seinen Abschluss als Heilpädagoge, er wollte früher mal Erzieher werden. Heute arbeitet er gewissermaßen immer noch pädagogisch, nur mit einer anderen Zielgruppe: Als Gründer und Geschäftsführer der Agentur Fivee erklärt er Unternehmen wie Nike, Unitymedia oder der Bahn, wie man die Generation Z am besten erreicht.

Diese Generation der von 1995 bis 2010 Geborenen hat große Erwartungen an Wirtschaft und Gesellschaft. Und sie artikuliert sie offensiv: Da sind junge Aktivistinnen, die auf den Hauptversammlungen von Dax-Konzernen mehr nachhaltiges Wirtschaften einfordern. Da sind Tausende, die seit Monaten bei den „Fridays for Future“ für mehr Klimaschutz demonstrieren. Und da sind Einzelne, wie der YouTuber Rezo, der mit einem CDU-kritischen Video der Wut seiner Altersgenossen eine Stimme gibt.

André Brauns Dienste als Gen-Z-Flüsterer sind deshalb gerade besonders gefragt. Man erreicht ihn per Skype, in seinem Kinderzimmer in Würzburg. Er trägt eine weinrote Kapuzenjacke, die blonden Haare sind an den Seiten kurz geschoren. Insgesamt arbeiten etwa 70 Mitarbeiter für ihn, 30 sind fest angestellt. Sie erstellen Marketingkonzepte oder managen die Kontakte zu YouTubern und Instagram-Influencern.

von Peter Steinkirchner, Rüdiger Kiani-Kreß

Wie spricht man sie also an, die Generation Z? Glaubt man André Braun, trifft man seine Altersgenossen am besten im Internet in den sozialen Medien. Niemals würde er Firmen empfehlen auf Plakaten und Anzeigetafeln in der Stadt auf sich aufmerksam machen zu wollen. „Wir laufen durch die Straßen und schauen dabei aufs Handy, da macht es keinen Sinn, eine Werbetafel aufzustellen. Die haben wir ja schon in der Hand“, sagt Braun.

Wichtig sei dabei, dass man nicht „einfach irgendwas macht, egal wie schlecht“. Denn nicht alles, was in den sozialen Medien gesendet wird, funktioniert auch. Ein Fehler wäre es beispielsweise, mit den klassischen Methoden Werbefilme bei YouTube oder Instagram einzuspielen. „Die Gen Z drückt dann sobald es geht auf den Überspringen-Knopf“, so Braun. Man wolle angenehme, nutzerfreundliche Werbung. Am ehesten funktionieren seiner Einschätzung nach Kampagnen, in denen Unternehmen mit Menschen zusammenarbeiten, die bereits eine große Anhängerschaft in den sozialen Medien haben.

Statt Jugendlichen also einen Werbespot für ein neues Produkt aufzuzwingen, empfiehlt der Fivee-Chef eine andere Strategie: Zunächst müsste man einen YouTuber finden, dessen Zielgruppe mit der des eigenen Produkts weitgehend übereinstimmt. Diesem stellt man das Produkt zur Verfügung, damit er ein Video dreht, in dem es möglichst unaufdringlich aber prominent vorkommt.

So ticken die jungen Erwachsenen

Bei einem Rucksack könnte der YouTuber zum Beispiel seinen Tag planen und dabei den Rucksack mit den wichtigsten Dingen dafür packen. Das Ziel sei es, so Braun, dass die Zuschauer die Werbung so interessant finden, dass sie sie gerne konsumieren wollen. Braun bespielt beide Seiten dieses Marktes zugleich: Sein Unternehmen erstellt für Kunden Werbekonzepte und hat gleichzeitig auch die passenden Influencer und Produzenten unter Vertrag, um die Konzepte umzusetzen.

Was bei Jugendlichen Fremdscham auslöst

Wenn er Unternehmen seine Generation erklärt, muss er sie auch immer wieder vor haarsträubenden Fehlern bewahren. „Das schlimmste sind Firmen, die versuchen, in den sozialen Medien hip zu sein und Jugendsprache zu benutzen, die aber überhaupt nicht wissen, was sie da tun“, sagt Braun, „Da entsteht eher Fremdscham.“ Besonders kleinere, regionale Firmen würden dabei öfter ins Fettnäpfchen treten, etwa das Sushi-Restaurant in seiner Straße, das zwar seit neuestem einen Instagram-Account besitzt, aber auf dessen Fotos die Bilder keinen Appetit, sondern eher Würgereiz auslösten.

Aber auch große Firmen seien vor Fehlern nicht gefeit. Eine Möbelkette hätte ihm einmal mitgeteilt, sie wollten jetzt auch bei der App Musical.ly werben, eine Plattform, auf der Nutzer kurze Karaokevideos von sich teilen. André Braun musste die Auftraggeber dann darauf hinweisen, dass die Plattform seit Monaten out sei und andere Kanäle viel besser funktionierten.

Insgesamt sei wichtig, dass man die junge Zielgruppe ernst nehme. „Viele Ältere denken: Jugendliche sind schon nicht so kompliziert, die verstehen wir schon“, sagt Braun. Dass sie das aber überhaupt nicht tun, zeige die aktuelle Aufregung um das CDU-kritische Video des Youtubers Rezo. In einem fast einstündigen Video zählt er auf, wo die Partei aus seiner Sicht Fehler gemacht hat und belegt seine Argumente mit vielen Quellen. Die Antwort der CDU sah für Braun eher stümperhaft aus. „Sie hatten versucht, jugendlich zu reagieren und ein eigenes Video zu machen, aber merkten dann: Das können wir gar nicht. Und dann kamen Argumente wie: Der hat blaue Haare und wirft nur mit Schlagwörtern um sich.“ Braun nennt das „Kindergartenniveau“, seine Generation bekomme das Gefühl, „für dumm verkauft“ zu werden. Ein tödlicher Fehler im Umgang mit den Wählern, Kunden und Mitarbeitern der Zukunft.

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