Flix-Chef André Schwämmlein Die Trassenpreis-Lüge?

Private Bahnbetreiber wie Flixtrain klagen über die hohe Trassenpreise, die sie an DB Netz zahlen müssen. Quelle: LAIF/Zenit/Paul Langrock

André Schwämmlein, Chef des Mobilitätsanbieters Flix, fordert ein Absenken der Schienenmaut. Wer das bezahlen soll? Der Flix-Chef hat eine Idee – und einen Plan für eine Fernverkehrsoffensive gegen die Deutsche Bahn.

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Der Bahnhof Pasing ist so ein Beispiel, das André Schwämmlein aufregt. Er müsse es daher mal erwähnen. Die Deutsche Bahn und der Bund investieren rund eine halbe Milliarde Euro in das Projekt. Der Bahnhof erhält einen neuen Bahnsteig, ein weiterer soll erweitert werden. ICE-Züge sollen dort dann einfacher in den Bahnhof hinein- und herausfahren. Für Schwämmlein ist das eine grobe Fehlinvestition – und Geldverschwendung: Die 500 Millionen Euro entsprächen den Trassenpreisen im Fernverkehr „für ganz Deutschland für ein Jahr“, sagt der Flix-Chef. „Da frage ich mich schon, ob die Prioritäten des Netzbetreibers richtig gesetzt sind.“

Der Chef von Flix ist Mitgründer und -inhaber des Unternehmens – und damit auch der Zugtochter Flixtrain. Im Podcast „Chefgespräch“ der WirtschaftsWoche fordert er mehr Wettbewerbsgleichheit im Bahnverkehr. Was ihn stört: die Schienenmaut. Sie sei zu teuer und unfair. Er fordert eine deutliche Reduzierung – nach dem Vorbild Schweden.

Dahinter steckt auch eigenes Kalkül. Mit FlixBus ist das Unternehmen zwar durchgestartet. Die Übernahme des Busbetreibers Greyhound in den USA ist der vorläufige Höhepunkt einer einzigartigen Erfolgsgeschichte. Auch auf der Schiene ist Flix seit 2018 aktiv, im Sommer verbindet der FlixTrain 70 Städte. Doch das Geschäft ist zäher. Nun verhagelt der Ukrainekrieg Schwämmleins Investitionspläne. Flix wollte Züge preiswert in Russland kaufen. Nun muss er sich in Europa umschauen. Für die Investorensuche braucht er eine Investorenstory - und deshalb niedrige Trassenpreise. 

Die Schienenmaut ist inzwischen das zentrale Streitthema in der Debatte um mehr Wettbewerb auf der Schiene. Befürworter niedriger Trassenpreise sagen: So ließe sich der Wettbewerb auf der Schiene anheizen – und damit der Druck auf die Deutsche Bahn erhöhen. Die Gegner argumentieren: Die Bahnunternehmen müssten die Betriebskosten für das Schienennetz selbst tragen – wie die Lkw-Transporteure das Autobahnnetz auch.

Tatsächlich lebt die Gleistochter DB Netz vor allem von der Schienenmaut. Trassenerlöse machten im vergangenen Jahr 87 Prozent der 6,15 Milliarden Euro Umsatz aus. Zwei Drittel der Umsätze entfallen auf die Einnahmen durch Züge der Deutschen Bahn. Kritiker sagen: linke Tasche, rechte Tasche. Unklar ist, wie viel Maut jeweils die Güterbahnen, die Nahverkehrsbetreiber und die Fernverkehrsunternehmen bezahlen. „Aus Gründen der Diskriminierungsfreiheit veröffentlichen wir die Trassenpreis-Einnahmen nicht aufgeschlüsselt nach Verkehrsarten“, schreibt die Deutsche Bahn auf Anfrage. Wenn man davon ausgeht, dass vor allem die Güterbahnen und der Nahverkehr das Schienennetz auslasten, dürfte der Fernverkehr geschätzt bei unter einer Milliarde Euro liegen - das Investitionsbudget des Bahnhofs in Pasing wäre also nicht ganz fern.

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In Deutschland folgt die Schienenmaut dem Vollkostenprinzip. Einfach gesprochen addiert DB Netz alle Ausgaben, etwa für Personal, Verwaltung, Wartung und Instandhaltung, und teilt die Summe durch die gefahrenen Zugkilometer. Daraus errechnet sich für Fernzüge eine relativ hohe Trassengebühr von sieben bis zwölf Euro pro Kilometer. Das Vollkostensystem gilt bei Flix als „Super-Marktabschottung“, weil es eine künstliche Eintrittshürde darstelle. Zum Vergleich: Die Schweden errechnen die Trassenpreise nach dem Grenzkostenprinzip. Maßstab sind die theoretischen Kosten eines zusätzlichen Zuges auf dem Schienennetz. In Schweden zahlen Zugbetreiber für einen Zug, der 200 km/h schnell ist, rund 1,55 Euro pro Kilometer.

Die Bundesregierung hat sich noch nicht klar positioniert, wie sie das Thema Trassenmaut in der laufenden Legislaturperiode angehen will. Klar ist: Die Bundesregierung will das Geschäft mit der Infrastruktur in eine „gemeinwohlorientierte“ Gesellschaft auslagern. Sie bliebe eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Bahn. Die Finanzierungskreisläufe zwischen dem Netzbetreiber DB Netz und dem Bahn-Konzern sollen aber gekappt werden. Im Zuge dessen könnte auch die Schienenmaut zur Sprache kommen. Das Modell Schweden wäre eine Option.

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