Flix-Chef André Schwämmlein „Wir werden das 49-Euro-Ticket verkraften“

Flix-Chef André Schwämmlein Quelle: imago images

Das gute Geschäft mit dem Deutschlandticket ist schlecht für die grünen Busse von Flix. Im Interview spricht Chef André Schwämmlein über die Folgen des 49-Euro-Tickets und die Zukunft des Autos in der Stadt.

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Der Run auf das neue Deutschlandticket hält an: Etwa sieben Millionen Menschen haben inzwischen ein Abo abgeschlossen, darunter etwa zwei Millionen, die vorher kein ÖPNV-Abo hatten, so der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Das könnte für den Bahn-Konkurrenten Flix zum Problem werden. Denn der Bus- und Zuganbieter bedient viele Strecken, auf denen auch Regionalbahnen der Deutschen Bahn verkehren. Im Gespräch erzählt Schwämmlein, wie er mit der neuen Konkurrenzsituation umgeht und wie er darüber hinaus die Perspektiven für sein Unternehmen und die gesamte Mobilität sieht. 

WirtschaftsWoche: Herr Schwämmlein, haben Sie schon ein Deutschlandticket?
André Schwämmlein: Nein, noch nicht. Bislang lässt sich mein Monatsticket nicht online auf das Deutschlandticket umstellen. Ich habe ein altes Papierticket, das muss ich wohl in einem Geschäft umwandeln.

Aber Sie holen sich eins?
Ja, das 49-Euro-Ticket ist günstiger als mein Monatsticket. Außerdem fahre ich auch in Hamburg oder Berlin mit dem ÖPNV. Das ist schon praktisch. Aber ich wage zu bezweifeln, dass es für den Staat eine gute Investition ist, Menschen wie mich zu subventionieren.

Zur Person

Was meinen Sie?
Die meisten Nutzer des Tickets werden diejenigen sein, die schon vorher ein teureres ÖPNV-Ticket kauften und jetzt für 49 Euro an die Ostsee fahren werden. Das sei jedem gegönnt. Nur wäre es besser gewesen, das Geld in das Verkehrsangebot zu stecken.

Trotzdem wollen Sie, dass auch Flixbus in Zukunft Teil des Deutschlandtickets wird und Subventionen bekommt?
Wir wollen keinen Teil vom Kuchen, wir bringen selbst Kuchen mit. Momentan bleibt der Deutschlandticketverkauf unter den Erwartungen. Flix würde das Angebot auf vielen Strecken erweitern, wo Menschen uns schon heute nutzen. Das sehen wir in Umfragen: Mit uns würden mehr Menschen das Ticket kaufen, das wäre für das System insgesamt günstiger. Die Umfragen sprechen von mindestens 250 Millionen Euro Zusatzeinnahmen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie noch unter das Ticket rutschen?
Wir sind mit dem Verkehrsministerium im Gespräch. Ich glaube fest, dass wir eine Lösung finden.

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Woran hakt es im Moment?
Das Verkehrsministerium hatte von Anfang an viele Muss- und Kann-Fragen zu beantworten. Sie mussten alle Verkehrsverbünde an einen Tisch bekommen, um das Ticket zu realisieren. Wir waren schon immer ein Kann-Element.

Das Ticket hat offensichtlich schon heute Folgen für Ihr Unternehmen. Auf der Fahrt zum Interview von Stuttgart nach München saßen im Flixbus sieben Personen. Das kann sich doch nicht lohnen?
Bei sieben Fahrgästen lohnt es sich nicht, nein. Eine Zwischenfrage von mir: Wie war die Fahrt?

Das W-Lan funktionierte nicht, auch nicht die Steckdosen für den Strom. 
Ok, das ist natürlich nicht der Anspruch. War der Bus pünktlich?

Fünf Minuten verspätet.
Gut, das gilt auch beim größeren Konkurrenten als pünktlich. War der Fahrer freundlich?

Ja, er begrüßte jeden persönlich.
Das wäre dann mit einer Schulnote gesprochen eine Drei plus (lacht).

Zurück zum Deutschlandticket. Wissen Sie schon, welche Strecken Sie in Zukunft nicht mehr anbieten werden?
Wir prüfen bis zum Sommer, welche Linien die Gäste weniger nutzen. Stuttgart-München, Hamburg-Ostsee. Dort, wo man heute mit dem 49-Euro-Ticket praktisch umsonst fahren kann, könnten bestimmte Fahrten am Tag wegfallen.

Wie sehr wird das dem Unternehmen schmerzen?
Wir werden das 49-Euro-Ticket verkraften. Deutschland ist wichtig, aber bei Weitem nicht unser größter Markt, das sind die USA, Türkei oder Südamerika. 

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Sie sagen, dass man die Subventionen für das Deutschlandticket hätte besser nutzen können. Woran denken Sie?
Das heutige Ziel einer Mobilitätswende sind auch klimaneutrale Antriebe. Dafür brauchen wir andere Verteilnetze für Strom und Wasserstoff – hier sollte man Geld in die Hand nehmen. Man könnte auch Forschungsprogramme für neue Antriebe auf der Langstrecke finanzieren. Bislang gibt es für Lastwagen oder Busse keine sinnvolle Alternative zum Diesel. Auch wenn es für mich klar ist, dass wir als Fernbus klimaneutral werden müssen.

Von Preisregelungen beim Angebot halten Sie nichts?
Preise sind auf jeden Fall Signale, die der Markt versteht. Man könnte zum Beispiel über die Mehrwertsteuer Anreize für den Kollektivverkehr schaffen und gleichzeitig das Auto für den Individualverkehr verteuern. Das Parken in der Stadt könnte man von 30 Euro im Jahr auf 100 Euro im Monat erhöhen. Das würde viel mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen lassen als ein günstiges Ticket.

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