FlixBus Der unheimliche Siegeszug des Start-ups

Seite 4/5

20 Millionen Fahrgäste

Man muss nicht lange suchen, um Busunternehmer zu finden, die mit der Entwicklung in ihrer Branche nicht ganz zufrieden sind. Als der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) Mitte September zum Thüringischen Abend nach Berlin-Mitte geladen hatte, klagten viele von ihnen bei Bratwurst, Bier und Kartoffelsalat über geringe Einnahmen und überanspruchsvolle Kunden. Harald Binder fuhr zwei Jahre lang für den Postbus. Anders als FlixBus zahlte die Deutsche Post eine Pauschale: je nach Strecke zwischen ein und zwei Euro pro gefahren Kilometer. Inzwischen ist die Post ausgestiegen, aufgekauft von FlixBus. „Für mich war das die Möglichkeit, auszusteigen“, sagt Binder.

FlixBus-Chef Engert gibt zu, dass „wir unseren Buspartnern insbesondere nach der Fusion mit MeinFernbus viel zugemutet haben“. Ein paar seien deshalb ausgestiegen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die meisten sind geblieben. Viele stöhnen über den schwierigen Markt, aber die meisten fahren weiter für FlixBus. BDO-Präsident Wolfgang Steinbrück war es wichtig, mit dem anwesenden FlixBus-Chef Schwämmlein fotografiert zu werden. Steinbrück weiß: Seine Branche hat an Bedeutung in Deutschland gewonnen. Fuhren 2012 gerade mal drei Millionen Menschen mit dem Fernbus durch Deutschland, sind es in diesem Jahr weit mehr als 20 Millionen. Der Branchenumsatz liegt bei rund 400 bis 500 Millionen Euro.

Für die Busunternehmer bleibt der Markt neben den Pauschalreisen und dem Schülerverkehr eine Chance auf Neugeschäft. Denn als Alternative zum ICE der Deutschen Bahn ist der Fernbus nicht mehr wegzudenken. Mit Sparpreisen hält der Konzern dagegen. „Wir holen Kunden aus dem Fernbus zurück“, sagt Bahn-Chef Rüdiger Grube – und ein bisschen funktioniert das sogar. Seit Jahresbeginn lockte die Bahn 3,25 Millionen Reisende in die ICE-Züge. Doch die höhere Auslastung auf 52 Prozent erkauft sich die Bahn mit sinkender Rendite. Schlimmer als die abgewanderte Kundschaft wirkt das von den Fernbussen ausgesandte Preissignal: Mobilität geht auch billig. Zwei Jahre hintereinander hat der Fernverkehr der Bahn zuletzt die Ticketpreise nicht mehr erhöht.

Das vor drei Jahren gestartete Unternehmen Flixbus sammelt seine Konkurrenten ein. Die Dominanz der Münchner lässt die Bahn erstarren wie die Maus vor der Schlange: Prompt stellt sie ihr eigenes Fernbusgeschäft infrage.
von Christian Schlesiger

Es ist erstaunlich, wie das vor drei Jahren gestartete Start-up den Milliardenkonzern verunsichert. Seit der Marktöffnung schlingert das Bahn-Management herum. 2013 hielt man sich im Fernbusgeschäft zunächst zurück, 2015 kündigte man dann eine Vervierfachung des Angebots an, vor wenigen Wochen dann bremste man die Expansionspläne wieder aus. Der Markenauftritt ist eine Katastrophe: Mal schob man die Marke Berlin Linien Bus in den Vordergrund, dann doch wieder den IC Bus. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt empfahl Bahn-Chef Grube sogar mal, den Postbus zu kaufen, doch Grube ignorierte den scheinweisen Rat aus der Invalidenstraße in Berlin. An einem Freitag im September verkündete die Bahn schließlich, man werde BLB zum 31. Oktober weitestgehend streichen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%