Flixbus-Chef Schwämmlein „Wir haben die Prioritäten verschoben“

Quelle: REUTERS

Die Coronakrise hat Flixbus voll erwischt. Von den grünen Fernbussen war auf der Straße keine Spur mehr. Nun fährt das Unternehmen den Betrieb wieder hoch. Gründer und Chef André Schwämmlein über die Rolle der Buspartner, Finanzspritzen für die Bahn – und die Pläne für die Weltexpansion.

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WirtschaftsWoche: Herr Schwämmlein, Sie wollen mit den Flixbussen in der kommenden Woche wieder an den Start gehen. 26 Fernbusse sind aber nur ein Bruchteil der ursprünglichen Flotte. Wird Flixbus jemals so stark wie vor der Coronakrise?
André Schwämmlein: Die 26 Fernbusse sind nur der Anfang. Wir bedienen damit die wichtigsten Routen. Wir fahren den Betrieb dann langsam wieder hoch und sind optimistisch, dass wir langfristig zu alter Stärke zurückkehren werden. Aber klar: Wir starten mit einem kleinen Netz, fast so wie früher.

Sie haben sonst 500 Ziele in Deutschland angesteuert. Wie lange rechnen Sie damit, dass Flixbus wieder so ein enges Netz haben wird?
Wir setzen zunächst auf unsere Klassiker etwa von München nach Berlin und Verbindungen zum Bodensee. Wir glauben, dass die Menschen ein Bedürfnis haben, Freunde und Familie nach der langen Zeit des Lockdowns wieder zu sehen. Die verhaltene Nachfrage zeigt uns, dass wir die ersten Schritte machen können.

In den Bussen geht es eng zu. Müssten Sie nicht einzelne Plätze freihalten, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen?
Wir haben die Hygiene verstärkt, in dem wir etwa Desinfektionsmittel für Fahrgäste an Bord halten, die Busse nach jeder Fahrt desinfizieren und auf Einstiegsregeln mit mehr Abstand setzen. Ansonsten halten wir uns daran, was der Gesetzgeber erlaubt. Wir glauben, dass das ausreicht, weil die Menschen ihr Verhalten verändern werden, Mundschutz tragen – der ist bei uns während der gesamten Fahrt Pflicht - und aufeinander Rücksicht nehmen. Es gibt eine neue Normalität, die auch das Reisen im Fernbus möglich macht.

Flixbus-Chef André Schwämmlein. Quelle: dpa

Für Ihr Start-up ging es seit der Gründung 2011 fast nur bergauf. Wie haben Sie die vergangenen zweieinhalb Monate durchgehalten? Hatten Sie sogar mal das Gefühl, dass Ihr Lebenswerk bedroht ist?
Wir sind von 100 auf Null herunter gefahren. Für fast alle Mitarbeiter haben wir Kurzarbeit beantragt. Das war eine harte Zeit und hat Spuren hinterlassen. Aber wir haben auch gemerkt, dass wir uns auf unser Team verlassen können und ein solides Geschäftsmodell haben, das funktioniert und gut finanziert ist. Wir funktionieren nicht wie ein amerikanisches Start-up, das nur auf schnelles Wachstum schaut.

Haben Sie Staatsmittel beantragt wie die Deutsche Bahn, die mit dem Fernverkehr Ihr größter Konkurrent ist?
Wir schauen uns alle Finanzierungsmöglichkeiten an, die möglich sind. Unsere Investoren stärken uns den Rücken, wir reden mit unsere Hausbanken und sprechen auch mit der staatlichen KfW.

Wie viel Geld braucht Flixbus?
Zu der Größenordnung können wir nichts sagen. Letztendlich hängt viel davon ab, wie schnell wir wieder zur alten Stärke zurückkehren können. Wir rechnen damit, dass die Zahl der Fahrgäste erst in 18 bis 24 Monaten das alte Niveau erreichen wird.

Die Deutsche Bahn erhält eine Milliardenspritze, unter anderem will der Staat das Eigenkapital erhöhen. Was halten Sie davon?
Ich verstehe, dass man in der Coronakrise seinen Eigentümer um Geld fragt. Ich finde aber auch, dass man hinterfragen sollte, ob ein Teil der Kosten nicht selbst verschuldet ist. Andere Staatsbahnen in Europa haben den Betrieb während der Coronakrise reduziert. Wichtiger ist aber die Wettbewerbsfrage. Die Politik sollte sehr genau kontrollieren, ob die Finanzmittel wirklich nur dafür eingesetzt werden, die Coronaprobleme zu lindern.

Geld war für ein Start-up Ihrer Größe zuletzt kein Problem. Flixbus wird von internationalen Risikokapitalgebern wie Silver Lake und General Atlantic aus den USA, den Daimler Mobility Services und HV Holtzbrinck Ventures aus Deutschland finanziert. Ist das Geld für weitere Expansion nun aufgebraucht?
Natürlich haben sich die Prioritäten verschoben. Wir müssen nun vor allem unser Kerngeschäft in allen Märkten aufbauen - von Europa über die Türkei bis hin zu den USA. In den Staaten hatten wir den Betrieb komplett runter gefahren, anders als unsere Wettbewerber Greyhound und National Express. Wir fahren jetzt auch noch nicht wieder hoch. Wir schauen erst, wie es in Europa läuft. An den grundsätzlichen Aussichten hat sich aber nichts geändert. Wir sind als globales Techunternehmen im Fernbusmarkt sehr gut aufgestellt.

Ihre Investoren lieben auch deshalb Ihr Geschäftsmodell, weil Flixbus einen Großteil der Risiken mit den Buspartnern teilt. Die Subunternehmen finanzieren die Busse und stellen die Fahrer. Wenn es gut läuft, profitieren die Buspartner von Ihrer Vertriebsstärke im Internet. Nun läuft es schlecht. Wie viele Buspartner werden unter die Räder kommen?
Zurzeit sind noch alle Buspartner an Bord. Es gibt einige, die auch Busse für den öffentlichen Nahverkehr betreiben. Denen geht es vergleichsweise gut. Andere haben neben dem Linienverkehr für Flixbus noch touristisches Geschäft. Dort ist das Geschäft natürlich ebenfalls eingebrochen. Die Branche hat daher staatliche Unterstützung dringend nötig. Es ist gut, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer 170 Millionen Euro Hilfe zugesagt hat. Ich bezweifle, dass das reichen wird. Fernbusse sind systemrelevant und sollten entsprechend unterstützt werden.

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