Flixbus schluckt Postbus... ...und die Deutsche Bahn weiß nicht, was tun

Das vor drei Jahren gestartete Unternehmen Flixbus sammelt seine Konkurrenten ein. Die Dominanz der Münchner lässt die Deutsche Bahn erstarren wie die Maus vor der Schlange: Prompt stellt sie ihr eigenes Fernbusgeschäft infrage.

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Ein Regionalzug der Bahn in Berlin Quelle: dpa

Es gab mal Zeiten, da war die Deutsche Bahn so etwas wie ein Monopolist im deutschen Fernbusmarkt. Der Staatskonzern verfügte über das Privileg, die damals noch im Staatsgebiet der DDR liegende Stadt Berlin per Bus zu verbinden. Mit Hamburg etwa oder mit München. Der BerlinLinienBus war ein Nischengeschäft in einem Mobilitätsmarkt, der auch nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 Kleckerkram blieb. Bis 2013 behielt die Deutsche Bahn dieses willkürliche Privileg. Nur vereinzelt durften innerhalb Deutschlands ein paar einsame Fernbusse umherkreuzen, solange sie dem Schienenverkehr keine ernsthafte Konkurrenz machten. So sah es ein Gesetz aus dem Dritten Reich von 1934 vor. Und der Marktanteil der Fernbusse der Deutschen Bahn lag bis 2013 bei mehr als 90 Prozent.

Doch seitdem hat sich vieles verändert. Nicht nur für die Menschen, die seit Januar 2013 wie selbstverständlich auf preiswertere Fernbusse umsteigen können. Auch für die Deutsche Bahn selbst. Der Staatskonzern wollte das eigene Geschäft mit den ICE- und IC-Zügen nicht kannibalisieren.

Also entschied sich der Vorstand, abzuwarten. Bahnchef Rüdiger Grube hielt das Geschäft für unsexy. Es versprach keine Rendite, hieß es damals. Sollen sich doch die blutjungen Anfänger eine blutige Nase abholen.

Tatsächlich gab es einige Unternehmen, die hoffnungsfroh gestartet waren, aber mitunter längst gescheitert sind. Da gibt es das kleine Unternehmen Deinbus.de, das die Politik mit einer damals regelrecht revolutionären Mitfahrzentrale für Busse überhaupt erst dazu brachte, das Thema Fernbus auf die Agenda zu holen. Das Unternehmen war dann zwischenzeitlich zwar insolvent, versucht aber nun, wieder zu alter Stärke zurück zu finden.

Der britische Angreifer Megabus wollte mit Dumpingpreisen den Markt Ende 2014 torpedieren, verkaufte aber anderthalb Jahre später das Geschäft aus Verzweiflung an Flixbus. Und die Deutsche Post reaktivierte überraschend 2014 den guten, alten Postbus. Die saftig gelben nagelneuen Busse überzeugten zwar optisch, aber nicht wirtschaftlich. Nun geht die Flotte ebenfalls in Flixbus auf.

Wie sich der Fernbusmarkt aufteilt

Das Münchner Unternehmen Flixbus steht nun abermals gestärkt da, nachdem sich die drei Gründer André Schwämmlein, Jochen Engert und Daniel Krauss schon Anfang 2015 entschieden hatten, mit dem damaligen Marktführer Meinfernbus zu fusionieren, statt sich gegenseitig die Kunden weg zu nehmen. Deren Gründer Torben Greve und Panya Putsathit haben sich mit ihren Sitzen im Aufsichtsrat zufrieden gegeben.

Und die Deutsche Bahn? Sie schaut gebannt zu. Ihr Marktanteil ist inzwischen auf 14 Prozent gesunken. Damit ist sie zwar zweitgrößter Anbieter nach Flixbus. Aber die haben satte 80 Prozent Marktanteil.



Statt also den Wettbewerb aufzunehmen, benimmt sich die Bahn seit Jahren wie paralysiert. Nach der neuerlichen Offensive teilt die Bahn mit: Die Bahn habe sich entschieden, das eigene Fernbusgeschäft "auf den Prüfstand zu stellen". Der Konzern werde die Fernbusstrategie "im zweiten Halbjahr 2016 neu bewerten und zu gegebener Zeit die Öffentlichkeit dazu informieren".

Es sieht ganz so aus, als gehe der Bahn zunehmend die Puste aus. Die Verluste sind offenbar groß. "Die Preise liegen bei 3,7 Cent pro Bus- und Personenkilometer", sagte Bahnchef Grube aus der Halbjahres-Pressekonferenz vorige Woche. Eigentlich seien sechs Cent notwendig. "Das können und wollen wir uns auf Dauer nicht länger erlauben."

Die drei großen Fehler der Deutschen Bahn

Selber schuld. Der Mobilitätskonzern hat den Markt komplett unterschätzt:

Fehler 1: Falsche Preisstrategie

Die Strategie, gemütlich darauf zu warten, bis Flixbus sich mit seiner Schnäppchenpreis-Politik sein eigenes Grab schaufelt, geht nicht auf. Natürlich wird Flixbus auf einigen Strecken die Preise anheben, wenn jetzt mit dem Postbus einer der wichtigsten Wettbewerber wegfällt.

Doch die Preislogik der Münchener ist eine andere, als die Bahn glauben macht. Selbst vier Cent pro Bus- und Personenkilometer können ausreichen, um Gewinne zu erzielen. Der Schlüssel dazu ist ein großes Liniennetz, das die Busse voll macht. Flixbus kann inzwischen Passagiere über Drehkreuze so verteilen, dass die Auslastung der Fahrzeuge weit über 50 Prozent liegt. Im Sommer fahren die Busse inzwischen selbst auf Nebenstrecken profitabel.

Fehler 2: Fehlende Beweglichkeit

Dass die Deutsche Bahn erst jetzt darüber nachdenkt, ob sie die Fernbusse weiterführt oder einstellt, zeigt: Die Bahn ist zu behäbig im Wettbewerb mit flinken Start-ups. Flixbus entscheidet wendig und flexibel, welche Strecken neu aufgemacht oder wieder geschlossen werden.

Die Bahn kann da von Glück reden, dass die deutschen Behörden jeden Linienantrag genehmigen müssen. Das dauert dann nämlich gut und gerne drei Monate. In Frankreich hingegen kann Flixbus ganz ohne Behördenstempel losbrummen. Dort entscheidet Flixbus innerhalb von Tagen über neue Strecken. Für die Bahn ist so viel Entscheidungskraft bei der Konkurrenz neu.

Ohnehin fehlt eine Grundstrategie. Es herrscht Hickhack. Entscheidungen wurden immer wieder einkassiert. So sah die Bahn im 2013 liberalisierten Markt zunächst keine Gewinnchancen. Vor einem Jahr verkündete der Konzern dann plötzlich eine Offensive an, vervierfachte die Strecken der Fernbustochter BerlinLinienBus (BLB). Jetzt scheint man sich aber nun doch wieder zurück ziehen zu wollen.

Auch die Marke mit dem einleuchtenden Namen "IC Bus", die der Konzern in den Schienenfahrplan integrierte, sollte vor einem Jahr komplett eingestampft und durch das dröge "BLB" ersetzt werden. Aber jetzt heißt es wieder, man wolle "weiterhin an dem Markennamen festhalten".

Fehler 3: Falsche Marktanalyse

Die Bahn gibt zu, dass die Kunden inzwischen "preissensitiver" geworden sind. Man kann auch sagen: die Fernbusse zeigen, dass man für eine Fahrt durch Deutschland keine ICE-Preise zahlen muss. Nun ballert die Bahn Sparpreise unters Volk, die zwar mehr Kunden in die Züge steigen lassen, dafür aber die Gewinne purzeln lassen. Die Bahn hat die Hoheit über die Preisgestaltung bei der innerdeutschen Fernreise aus der Hand geben müssen. Das hat der Konzern nicht kommen sehen.

Und nun? Der Bundesverkehrsminister soll, so ist aus Regierungskreisen zu hören, Bahnchef Grube mehrfach empfohlen haben, den Postbus zu kaufen, um Marktanteile zu gewinnen. Doch Grube wollte nicht. Jetzt ist die Chance vergeben. Viele Alternativen bleiben der Bahn nicht. Zieht sie sich also aus dem Markt zurück? Oder nimmt sie den Wettkampf doch noch einmal auf und investiert Millionen? Irgendwie scheint der Bus für die Bahn inzwischen abgefahren.

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