FlixBus Der unheimliche Siegeszug des Start-ups

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Wachstum vor Profit

Dieser Schachzug hat die Konkurrenz mattgesetzt. Der Marktanteil stieg über Nacht auf mehr als 70 Prozent. Schnell wird aber klar, dass die Münchner bei der Fusion den Ton angeben. Die Zentrale bleibt in Bayern, die Geschäftsführung übernehmen die FlixBus-Gründer. Die beiden MeinFernbus-Gründer rücken als strategische Berater zurück ins Glied.

In der Nähe der Maximilianstraße in München sitzt der Mann, der für diesen Deal mit verantwortlich ist. Jörn Nikolay ist 37 Jahre alt und Deutschlandchef von General Atlantic (GA). Der US-Wachstumsfinanzierer hat einen dreistelligen Millionenbetrag in FlixBus investiert und ist seit der Fusion mit 30 Prozent beteiligt. Bis dahin wurde FlixBus vor allem von Business Angels getragen, etwa dem Gründer der Buchungsseite hotel.de, Heinz Raufer. Und von Investmentgesellschaften wie Daimler Mobility Services und Holtzbrinck Ventures. Und natürlich von den Gründern selbst, die, wie Schwämmlein sagt, „die ersten Jahre von ihren privaten Rücklagen gelebt haben“.

Doch so viel Geld wie GA konnte und wollte kein anderer Investor einbringen. GA geht es nicht um Glamour. Auf der Terrasse von Nikolays Büros sprießt Unkraut. Die Büros wirken zweckmäßig. Er und seine Handvoll Berater suchen deutsche Start-ups, um sie groß zu machen. Das Geld kommt vor allem von wohlhabenden Familien. Ist ein gutes Unternehmen identifiziert, investiert GA meist zwischen 25 und 400 Millionen Euro. „Wir erzielen Rendite hauptsächlich durch das Umsatzwachstum unserer Beteiligungen“, sagt Nikolay. GA ist auch bei Uber, Airbnb und Buzzfeed beteiligt.

Fernbusmarkt

In diese Fußstapfen soll auch FlixBus treten. „Wir glauben an das Wachstum zu einem europäischen Verkehrsriesen“, sagt Nikolay. Das Geschäftsmodell könne man „sehr gut in andere Länder exportieren“. Allein im August habe das Unternehmen außerhalb Deutschlands fast eine Million Passagiere befördert. In fast allen angrenzenden Ländern ist FlixBus bereits vertreten.

Noch steht Wachstum vor Profit. FlixBus hat unterm Strich noch keinen einzigen Euro verdient. Und das muss es auch nicht. Die Gewinne sollen irgendwann in Zukunft fließen. Damit kopiert FlixBus den digitalen Kapitalismus amerikanischer Prägung. Auch Uber, der US-Vermittler von privaten Fahrgelegenheiten, schreibt nur Verluste. FlixBus ist kleiner, ein ökonomischer Zwerg, wenn man so will. Doch die Idee ist die gleiche. Gehört FlixBus erst einmal Europa, fließen die Millionen von alleine.

In Frankreich ist FlixBus einer der zwei führenden Anbieter mit einem Marktanteil von 40 Prozent. Die Regierung in Paris hat den Markt vor einem Jahr liberalisiert. Dort hat man ganz genau beobachtet, was in Deutschland passiert ist. Guillaume Pepy, Chef der französischen Staatsbahn SNCF, hält mit der eigenen Fernbusflotte OuiBus dagegen. „Wenn FlixBus glaubt, es könne den Markt wie in Deutschland dominieren, werden sie scheitern“, sagt Pepy. „Es wird immer zwei große Spieler im Markt geben.“ Doch sein Schlachtplan hat Schwächen. Die Bustochter der SNCF bietet keine Fahrten unter 100 Kilometer an, um den Zugverkehr nicht zu kannibalisieren. Die Fernbusse sollen auch nicht in andere Länder expandieren. SNCF tritt also auf die Bremse, FlixBus gibt Vollgas.

Zunehmend mehr Reisende entscheiden sich für den Bus. Der Marktanteil im Vergleich zur Bahn betrug im vergangenen Jahr bereits 15 Prozent.

Möglich ist das auch, weil FlixBus keinen einzigen Bus betreibt. Stattdessen bezahlt FlixBus Subunternehmer dafür, dass sie Fahrgäste durch Deutschland fahren. Die mittelständischen Unternehmer nehmen dafür ein hohes Risiko in Kauf. Sie kaufen die Busse, streichen sie grün und stellen die Fahrer. Im Gegenzug bekommen sie Geld – abhängig davon, wie viele Fahrer nötig sind, wie groß der Bus ist und wie viele Fahrgäste Platz nehmen. Das ist der Kern des Deals: Je höher der Umsatz, desto höher der Profit.

Auf Kosten der Busunternehmer?

Auch Alfred Beer rollte lange Zeit mit. Der Unternehmer aus Bayern fuhr seit 2012 für MeinFernbus. Er kaufte 15 Busse, bediente die Strecken von Frankfurt nach Zürich und Berlin nach München. „Die Kunden haben uns anfangs geliebt“, sagt Beer. Doch nach der Fusion mit FlixBus wollte er nicht mehr weiterfahren. Die Fahrpläne wurden umgeworfen. Plötzlich sollte er zu anderen Zeiten fahren. Er fühlte sich „rumgeschupst“, sagt Beer. FlixBus sei „auf dieser Businesswelle“ unterwegs. Außerdem seien die Gewinnaussichten nicht so rosig: „Die Ticketpreise sind einfach zu niedrig.“

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