
Ein Blick in die Vergangenheit kann manchmal erhellend sein, bisweilen aber auch amüsant. Vor 20 Jahren schrieb „Der Spiegel“ über den damals geplanten Berliner Großflughafen (BER), das Projekt zeuge „von Gigantonomie“, die Prognosen für das Passagieraufkommen würden „alle bisherigen Monumente politischen Größenwahns in den Schatten“ stellen. Statt der damals zehn Millionen Passagiere in Schönefeld, Tegel und Tempelhof, solle der Superflughafen bei Inbetriebnahme 25 Millionen Fluggäste pro Jahr abfertigen. Die Planer seien offensichtlich „ins Fantastische entrückt“.
Das Magazin verwies damals auf ein Gutachten des Bundesrechnungshofes, das die Großmannssucht bundesdeutscher Politik anprangerte. Die Planungen beim BER liefen völlig aus dem Ruder, hieß es darin.
Tatsächlich, so weiß man heute, hatten sich die Planer bei der Kapazität verkalkuliert – doch mit umgekehrten Vorzeichen. 2014 fertigten die Berliner Flughäfen bereits 28 Millionen Passagiere ab. Dieses Jahr kommt eine Million dazu. Daraus folgt: Der Flughafen BER, der bei Eröffnung 27 Millionen Passagiere fassen könnte, wäre schon heute viel zu klein.
Die sechs Milliarden Dollar teure Peinlichkeit
Den Gesellschaftern droht so eine neue Debatte, die das aktuelle Problem der Imtech-Pleite, den Betrugsverdacht gegen andere am Bau beteiligte Unternehmen und das allgemeine Chaos auf Deutschlands mysteriösester Baustelle überlagern könnte.
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In wenigen Wochen muss Flughafenchef Karsten Mühlenfeld dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg erklären, wie er die Reisenden in der Hauptstadt in Zukunft abfertigen möchte. Klar ist schon jetzt: Der Bau des Flughafens wird noch mehr Geld verschlingen.
Das Ausland staunt längst. „Wie Berlins futuristischer Flughafen zu einer sechs Milliarden Dollar teuren Peinlichkeit wurde“ titelte das US-Magazin „Bloomberg Business“ im Juli. Es folgte ein 13-seitiger Report über „Deutschlands verschwenderisches Fiasko“, das sehr „an Griechenland erinnert“.
Bester Flughafen Deutschlands
Das Deutsche Kundeninstitut (DKI) hat für WirtschaftsWoche Online die zehn größten Flughäfen Deutschlands untersucht. Ziel war es, die Flughäfen bezüglich ihrer Leistungen, ihres Angebots und der Wahrnehmung durch die Flughafengäste in eine Rangfolge zu bringen. Die Daten stützen sich auf die Befragung bei den Flughafenzentralen zu objetiven Fakten, die Online‐Befragung von 3300 Flughafengästen sowie die Überpfüfung der Kundebetreuung via Mail, Hotline und Social Media durch anonyme Tester.
Ermittelt wurde zum einen der Testsieger „Bester Flughafen Deutschlands“. Zum anderen wurden Rankings für die Unterkategorien „Flugangebot“ (Anzahl der Fluggesellschaften, der angeflogenen Ziele/Länder, Start- und Landebahnen und
Interkontinentalflüge), „Aufenthaltsqualität“ (Ausstattung der Terminals etwa adäquate Sitzmöglichkeiten, Sauberkeit, Waschräume, W‐Lan-Angebote, Gastronomie und Einkaufsangebot, Familienfreundlichkeit sowie Office‐, Freizeit‐ und Entertainmentangebote), „Prozesse“ (effiziente Abwicklung der Prozesse wie Check-In, Security oder verkehrstechnische Anbindung) und „Service“ (Kundenservice per Telefon, E‐Mail und Social Media und die Qualität der Webseite). Die Gewichtung der Kategorien erfolgte nach folgendem Schlüssel: Flugangebot: 25%; Aufenthaltsqualität: 25%, Prozess: 30% und Service: 20%.
Flughafen Berlin‐Tegel
Punkte: 54,6/100
Note: ausreichend
Bestes Flugangebot: Platz acht
Punkte: 12,9/25
Note: mangelhaft
Beste Aufenthaltsqualität: Platz zehn
Punkte: 11,2/25
Note: mangelhaft
Beste Prozesse: Platz zehn
Punkte: 13,4/30
Note: mangelhaft
Bester Service: Platz sechs
Punkte: 17,1/20
Note: sehr gut
Flughafen Stuttgart
Punkte: 66,3/100
Note: befriedigend
Bestes Flugangebot: Platz sieben
Punkte: 13,5/25
Note: ausreichend
Beste Aufenthaltsqualität: Platz acht
Punkte: 16,7/25
Note: befriedigend
Beste Prozesse: Platz acht
Punkte: 19/30
Note: befreidigend
Bester Service: Platz sieben
Punkte: 17.1/20
Note: sehr gut
Airport Bremen
Punkte: 67,3/100
Note: befriedigend
Bestes Flugangebot: Platz zehn
Punkte: 8,3/25
Note: ungenügend
Beste Aufenthaltsqualität: Platz sieben
Punkte: 17,1/25
Note: befriedigend
Beste Prozesse: Platz eins
Punkte: 26,6/30
Note: sehr gut
Bester Service: Platz neun
Punkte: 15,3/20
Note: gut
Airport Nürnberg
Punkte: 68,7/100
Note: befriedigend
Bestes Flugangebot: Platz neun
Punkte: 10,2/25
Note: ungenügend
Beste Aufenthaltsqualität: Platz neun
Punkte: 16,4/25
Note: befriedigend
Beste Prozesse: Platz drei
Punkte: 26,1/30
Note: sehr gut
Bester Service: Platz acht
Punkte: 16/20
Note: gut
Köln Bonn Airport
Punkte: 69,3/100
Note: befriedigend
Bestes Flugangebot: Platz sechs
Punkte: 13,7/25
Note: ausreichend
Beste Aufenthaltsqualität: Platz vier
Punkte: 20,4/25
Note: gut
Beste Prozesse: Platz vier
Punkte: 23,2/30
Note: gut
Bester Service: Platz vier
Punkte: 12/20
Note: ausreichend
Flughafen Hamburg
Punkte: 72,3/100
Note: gut
Bestes Flugangebot: Platz fünf
Punkte: 14,2/25
Note: ausreichend
Beste Aufenthaltsqualität: Platz drei
Punkte: 19,2/25
Note: gut
Beste Prozesse: Platz sechs
Punkte: 20,6/30
Note: befriedigend
Bester Service: Platz vier
Punkte: 18,3/20
Note: sehr gut
Düsseldorf Airport
Punkte: 74,1/100
Note: gut
Bestes Flugangebot: Platz vier
Punkte: 16,7/25
Note: befriedigend
Beste Aufenthaltsqualität: Platz drei
Punkte: 21,4/25
Note: sehr gut
Beste Prozesse: Platz fünf
Punkte: 21,8/30
Note: gut
Bester Service: Platz fünf
Punkte: 17,3/20
Note: sehr gut
Hannover Airport
Punkte: 84,2/100
Note: gut
Bestes Flugangebot: Platz drei
Punkte: 17,2/25
Note: befriedigend
Beste Aufenthaltsqualität: Platz drei
Punkte: 21,4/25
Note: sehr gut
Beste Prozesse: Platz zwei
Punkte: 26,4/30
Note: sehr gut
Bester Service: Platz drei
Punkte: 19,2/20
Note: sehr gut
Flughafen München
Punkte: 89,1/100
Note: sehr gut
Bestes Flugangebot: Platz zwei
Punkte: 23,2/25
Note: sehr gut
Beste Aufenthaltsqualität: Platz eins
Punkte: 27,7/25 (+ Bonuspunkte)
Note: sehr gut
Beste Prozesse: Platz neun
Punkte: 18,4/30
Note: ausreichend
Bester Service: Platz zwei
Punkte: 19,8/20
Note: sehr gut
Frankfurt Airport
Punkte: 90,2/100
Note: sehr gut
Bestes Flugangebot: Platz 1
Punkte: 25,3/25 (+ Bonuspunkte)
Note: sehr gut
Beste Aufenthaltsqualität: Platz 2
Punkte: 21,4/25
Note: sehr gut
Beste Prozesse: Platz 7
Punkte: 20,5/30
Note: befriedigend
Bester Service: Platz 1
Punkte: 23/20 (+ Bonuspunkte)
Note: sehr gut
Auf der Aufsichtsratssitzung im September will Mühlenfeld das Chaos ordnen. Eine Grundsatzentscheidung hatte das Kontrollgremium bereits im Juli gefällt: BER erhält ab 2017 ein Provisorium. Der derzeitige Flughafen Schönefeld-Alt, der vor allem von Billigfliegern genutzt wird, soll fünf Jahre lang weiter betrieben werden und die Kapazität des BER so auf etwa 35 Millionen Passagiere pro Jahr erhöhen. Mühlenfeld will vorstellen, wie das funktionieren und der provisorische Terminal aussehen soll. Fest steht: Zu den bislang veranschlagten Gesamtkosten von 5,4 Milliarden Euro kommt noch ein hoher Millionenbetrag hinzu.
Auch andere Metropol-Flughäfen planen neue Terminals
Auf Dauer wäre die Interimslösung aber ungeeignet, weil zwischen dem neuen und dem provisorischen Terminal eine Start- und Landebahn liegt, was betrieblich Unsinn ist. „Wir müssen schnell entscheiden, wie es nach 2023 weitergehen soll“, sagt Rainer Bretschneider, Flughafenkoordinator des Landes Brandenburg. „Wenn wir rechtzeitig eine zukunftsfähige Lösung haben wollen, müssen wir schneller mit der Planung beginnen als bisher geplant“, so Bretschneider. „Wächst die Hauptstadtregion weiterhin so stark, braucht Berlin einen Flughafen, der langfristig mehr als 40 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen kann.“
Die BER-Kapazität müsste also um ein Drittel wachsen. Der Trend zeigt sich auch in anderen Metropolen. Der Flughafen München baut gerade einen Terminal für weitere elf Millionen Passagiere. Kosten: 900 Millionen Euro. Eine ähnliche Summe müsste die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) für die Zeit nach der Eröffnung Ende 2017 einplanen.
Ob dieser Zeitpunkt zu halten ist, scheint ohnehin fraglich. Die Insolvenz des deutschen Gebäudetechnikausrüsters Imtech habe „Auswirkungen auf den Bauablauf und unsere Meilensteinplanung“, schrieb BER-Chef Mühlenfeld in einer E-Mail an den Aufsichtsrat, die der WirtschaftsWoche vorliegt. Bauexperten und Juristen loten derzeit die Folgen aus und wollen in wenigen Tagen Lösungen präsentieren.