Flughafen Frankfurt-Hahn Einst Juwel, jetzt abgewirtschaftet: Was Frankfurt-Hahn so schwer verkäuflich macht

Warten auf Kundschaft - Vorfeld des Flughafen Hahn Quelle: imago images

Der erwartete Verkauf des ehemaligen Billigflugzentrums Frankfurt-Hahn stockt schon wieder. Doch neue Investoren hoffen auf Rückenwind – durch Beschränkungen für andere Airports.

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Wie beliebt der Flughafen Frankfurt-Hahn ist, durfte Jan Markus Platner in der vergangenen Woche gleich drei Mal erfahren. Am Sonntag konnte sich der Insolvenzverwalter des angeschlagenen Airports im Hunsrück über gut 2000 Besucher beim Tag der offenen Tür freuen. Zudem stärkten ihm die örtlichen Unternehmen HHN Aviation Security, Jet Fuel Frankfurt-Hahn Airport sowie HNA Airport Services den Rücken, weil sie trotz der unsicheren Aussichten unter den Besuchern aktiv um neue Beschäftigte warben. Und schon kurz darauf konnte Restrukturierungsspezialist Platner neben den zwei bekannten kaufwilligen Interessenten wie der russischen NR Holding gleich zwei neue Interessenten für die Provinzpiste vermelden, was den Juristen von einem „schönen Tag“ sprechen ließ. 

Doch so groß das Interesse auch wirkt: Dass ein aussichtsreicher neuer Eigentümer den insolventen Landeplatz übernimmt, ist in Wahrheit erst mal nicht in Sicht. Die Gläubiger stoppten zuletzt die sicher geglaubte Übernahme durch die NR Holding genannte Nürburgring-Besitzgesellschaft des russischen Oligarchen Viktor Charitonin. Und der Verkauf an die weiteren Bieter wie die WR Holding des Mainzer Immobilienentwicklers Wolfgang Richter stockt ebenfalls. Dafür sorgen juristische sowie politische Hürden. Keine Hilfe sind auch die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten. Dazu könnte eine Art Neubeginn des Verfahrens nötig werden, etwa weil die neuen, bislang noch unbekannten Investoren ein Angebot machen – oder NR nachbessert. Die Gruppe hatte diese Woche angekündigt, ein Konsortium mit anderen Geldgebern zu bilden und sich mit einem Anteil von weniger als einem Viertel zu begnügen. Daran hat jedoch zumindest der zweite Bieter WR Holding kein Interesse. „Es ist eine ziemlich verkorkste Lage“, so ein Kenner des Verfahrens. 

Die offensichtlichste Hürde ist der schon unterschriebene Verkauf an die NR Holding. Die Oligarchenfirma hat laut Insidern das höchste Angebot abgegeben. Und das muss Insolvenzverwalter Platner im Interesse der Gläubiger eigentlich nehmen. Allerdings soll der Jurist den Deal nun absagen. Der Vertrag war zwar schon eine Weile bekannt. Doch kurz bevor der Jurist den Abschluss der Gläubigerversammlung bekannt gab, regte sich politischer Widerstand. Denn NR-Eigentümer Charitonin gilt als Oligarch quasi automatisch als ein Vertrauter des russischen Staatschefs Wladimir Putin. „Das hätte natürlich den ganzen Kritikern auch schon vor Monaten zum Protest treiben können statt jetzt beim Abschluss des Verfahrens „, ätzt ein Kenner des Verkaufsprozesses.

Nun ist ein Stopp rechtlich schwierig. Denn derzeit steht der russische Milliardär auf keiner der einschlägigen Sanktionslisten. Dazu bestreitet er eine ungebührliche Nähe zum Kreml. „Sicher hat er Kontakte zu russischen Behörden“, so ein Sprecher. „Doch Kontakte von Vorständen führender deutscher Unternehmen zur Bundesregierung sind ja aber auch hier nichts Ungewöhnliches.“ Da der Insolvenzverwalter keinen Bieter diskriminieren darf, bliebe Charitonin erst mal an Bord. 

Darum soll nun Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Deal mithilfe des Außenwirtschaftsgesetzes stoppen. Sein Haus könnte dies, wenn es „die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik“ gefährdet sieht, eine „erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen“ droht oder eine ausländische Direktinvestition negative Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Deutschland haben könnte. 

Die Prüfung könnte ein halbes Jahr oder länger dauern, fürchten Experten. Denn keine dieser Bedrohung sei leicht herzuleiten. Kritische Infrastruktur sei der Hahn kaum. Dafür ist die Bedeutung für den deutschen Luftverkehr zu gering. Im vorigen Jahr zog es nicht mal ein Prozent der deutschen Flugpassagiere in den Hunsrück. Selbst im boomenden Frachtgeschäft liefen keine fünf Prozent der deutschen Tonnage über den Hahn. „Für unsere Wirtschaft hat der Flughafen wohl nicht ganz die Bedeutung der deutschen Gazprom oder von Chipherstellern wie Elmos und ERS Electronics“, so ein Manager der Branche ironisch auf staatliche Eingriffe des Hauses Habeck. 



Größerer Kunde der Landebahn ist das US-Militär. Weil die Piste mit fast vier Kilometern relativ lang und abgelegen ist, wickeln die amerikanischen Streitkräfte und von ihnen beauftrage Linien wie Atlas Air viel Verkehr ab, nicht zuletzt Waffenlieferungen in Richtung Ukraine. „Aber angesichts von deren Sicherheitsmaßnahmen und der strengen Prüfung des lokalen Personals sehe ich nicht so recht, welche unmittelbare Gefahr ein entfernter russischer Eigentümer darstellen sollte“, so der Branchenmanager.

Wann wird der Hahn „vernünftig geführt“?

Zweite Hürde für die Zukunft des Hahn sind die unsicheren Finanzen des Flughafens. So beschwört Hahn-Betriebsratschef Thomas Dillmann alle Beteiligten, der Airport Hahn brauche bald einen Eigentümer, damit „er endlich mal vernünftig geführt wird.“

Insolvenzverwalter Platner sagt freilich, der Flughafen arbeite profitabel. Doch das können Kenner der Anlagen nur begrenzt nachvollziehen. Zwar habe der Jurist die Kosten gekappt und auch die Einnahmen seien gegenüber dem Tief in 2020 wieder gestiegen. „Doch selbst zu den Boomzeiten machte der Airport trotz seiner schlanken Strukturen nie wirklich Gewinn“, berichtet ein Branchenmanager. Ein Blick auf die Anlagen mache vielmehr den Eindruck, als seien da mehr oder weniger bewusst Investitionen unterblieben und auf Verschleiß gefahren worden. So dürften Flugzeuge inzwischen etwa weniger Teilflächen als früher betankt werden. Darum seien nun bis zu 100 Millionen Euro an Investitionen nötig. 

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Die werden schwer zu verdienen sein. Denn von seinen früheren Einnahmen ist der Airport weit entfernt. Zwar hatte der Flughafen im Jahr 2022 mit rund 1,3 Millionen Passagieren wohl mehr oder weniger wieder die gleiche Passagierzahl wie vor der Coronakrise. Doch von den vier Millionen Zahlgästen der Jahre 2007 und 2008 ist der Betrieb weit entfernt. Das drückt neben den Abfertigungsgebühren auch die für Billigairports besonders wichtigen Einnahmen aus den Läden im Terminal. Auch der Frachtboom der Pandemiejahre hat deutlich nachgelassen. Gleichzeitig treiben Gehälter und Energiekosten die Ausgaben.

Die Aussichten auf höhere Einnahmen sind mäßig. Zwar sind die Billigflieger wie Ryanair oder Wizz Air anders als Lufthansa oder Air France längst wieder größer als vor der Krise. Doch sie wachsen vor allem außerhalb Deutschlands. Ähnlich läuft es bei der Fracht. Hier locken die Airports der Beneluxstaaten wie Lüttich mit niedrigen Gebühren. Dazu holen die größeren Airlines ihre Lastenflüge lieber zurück an die größeren Drehkreuze, weil sie die geringere Menge an Paletten und Containern dort auch in den Passagiermaschinen transportieren können.

Dass sich trotzdem zwei neue Investoren für den Hahn gefunden haben, ist der Hoffnung geschuldet. Die Geldgeber rechnen damit, dass in wenigen Jahren Airport-Kapazität wieder Mangelware werden könnte. 

Trotz aller Umweltauflagen dürfte die Reisenachfrage künftig zulegen, vor allem wenn sparsamere Flugzeuge und nachhaltiger Treibstoff die Umweltbelastung senken. Zugleich kommen besonders in Deutschland fast keine neuen Kapazitäten dazu. Lediglich in Frankfurt ist ein neues Terminal in Sicht. In München besteht immerhin die Chance auf eine dritte Startbahn. „Aber das war es dann mit Neubauten“, fürchtet ein Branchenmanager.

Dagegen drohen den bestehenden Airports strengere Betriebsregeln mit weniger Nachtflügen oder gar einer Obergrenze an Flügen pro Stunde. Damit, so offenbar die Erwartung der neuen Hahninvestoren, steigt auch die Nachfrage nach den wenigen Bahnen und Abfertigungsanlagen. „Und besonders solchen ohne nächtliche Sperrstunde“, so ein Insider. Dann rechnen sich der Verkaufspreis von 20 Millionen Euro und die Investitionen allemal.

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Selbst wenn daraus nichts wird, gibt es immer noch eine umweltfreundliche Alternative: Als Solarpark, glaubt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt, der früher mal einen der öffentlichen Eigentümer beraten hat. „Das war schon damals gar keine so schlechte Idee“.

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