Könnte sich ein Airport-Chef einen Traum erfüllen, dann diesen: ein Terminal mit viel Platz zum Expandieren, Starts und Landungen rund um die Uhr, viel freies Areal im Umfeld, sowohl einen ICE-Bahnhof im Haus als auch ein Autobahnkreuz vor der Tür.
All das hat Leipzig/Halle – nur eines nicht: Passagiere. Während der Luftverkehr und Flughäfen wie Berlin-Schönefeld ihre Größe mehr als verdreifachten, stagniert der Landeplatz. Und weil selbst das boomende Frachtgeschäft keinen Gewinn abwirft, wird der Airport zum Milliardengrab.
Falsche Hoffnungen
Geplant war das ganz anders. 1994 wollte Sachsens damaliger Landesvater Kurt Biedenkopf (CDU) der einstigen DDR-Messehochburg ein Tor zur Welt zu bauen. Seit der deutschen Wiedervereinigung hatte der Landeplatz von 600.000 auf gut zwei Millionen Kunden zugelegt. „Bald werden wir mehr als sechs Millionen Passagiere haben“, frohlockte der damalige Geschäftsführer Wolfgang Hesse und investierte eine Milliarde Euro, größtenteils in einen Terminal für 4,5 Millionen Passagiere pro Jahr.
Doch die Hoffnungen entpuppten sich als Größenwahn. Das Passagierwachstum stockte bereits, als der Terminal öffnete. 2011 hatte Leipzig/Halle gerade mal 86.000 mehr als vor eineinhalb Jahrzehnten.
Und selbst diese Zahl ist geschönt. Von den knapp 2,3 Millionen Passagieren waren 2011 gut 400.000 Umsteiger, die, ohne nach Deutschland einzureisen, weiterflogen, davon die meisten US-Soldaten, die auf dem Weg von oder nach dem Mittleren Osten nur zum Tanken landeten. Ohne sie hätte der Flugplatz sogar rund zehn Prozent weniger Gäste als 1996.
Zwar hat Leipzig seit 2008 beim Frachtgeschäft stark zugelegt und gehört zu den 20 größten Frachtflughäfen der Welt. Die Deutsche Post hat 2008 den wichtigsten Umschlagplatz ihrer Express-Tochter DHL hierhin verlegt. Doch gelohnt hat sich das bislang nur für Eric Malitzke. Der hatte als Flughafenchef unter anderem DHL mit guten Konditionen gelockt, wechselte aber 2009 als Chef zu DHL in Leipzig.
Zu wenig Geld
Leidtragender ist der Airport. 2007, vor dem Frachtboom lag das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit bei minus 38 Millionen Euro, knapp die Hälfte des Umsatzes. 2010, im bislang letzten veröffentlichen Abschluss, waren es minus 62,4 Millionen – zwei Drittel der 92,7 Millionen Umsatz. Seit 2006 summierten sich die Verluste auf knapp 300 Millionen Euro zulasten der öffentlichen Hand: Sachsen, Sachsen-Anhalt, Leipzig, Halle und Dresden.
Vorbild Dresden
Aus Sicht des Flughafens liegt das vor allem an den gut 47 Millionen Euro Abschreibungen für die Neubauten, der unsicheren Konjunktur, den hohen Rabattforderungen der Fluglinien und dass der Flughafen schwer erreichbar ist, weil die Deutsche Bahn bislang statt ICEs nur Regionalzüge am Flughafen halten lässt. Doch das hält ein Insider für „ein Lexikon der Ausreden“. So gab es auch ohne die Abschreibungen 2010 ein operatives Minus von 17 Millionen Euro. Zudem sinkt der Umsatz aus Einzelhandel und Büromieten, weil der Flughafen im Gegensatz zu anderen Airports kaum Touristen von außerhalb anlockt, die vor der Heimreise in Duty-free-Läden einkaufen.
Aus Sicht des Insiders bekommt Leipzig zu wenig Geld von DHL und Co. Die zahlen nicht nur relativ geringe Landegebühren, sondern durften ihre Hallen auch selbst bauen, statt sie wie anderswo vom Flughafen mieten zu müssen. Dazu hat es Leipzig versäumt, mit Berlin-Schönefeld um den wachsenden Billigflugverkehr zu konkurrieren oder sich als Urlaubsziel zu vermarkten wie das nahe Dresden, das auf Einkaufsreisende vor allem aus Russland setzt.
Zwar gelobt Leipzig/Halle Besserung. „Bis 2015 möchte der Flughafen das Passagieraufkommen auf drei Millionen Fluggäste steigern“, heißt es im Geschäftsbericht. Zudem sollen die Verluste in diesem Jahr deutlich sinken. Dafür sorgen sollen Fluglinien wie Turkish Airlines und Ryanair, die vom Frühjahr an erstmals hier starten.
Doch das dürfte schwer werden. Billigflieger Ryanair zahlt den Flughäfen in der Regel fast keine Gebühren. Air France hat Leipzig aus dem Flugplan gestrichen, und Lufthansa wird kleinere Flieger einsetzen. „Leipzig“, so ein hochrangiger Lufthanseat, „rechnet sich für uns derzeit nicht so recht.“