Flughafen München Mit Hightech gegen den Abstieg

Der erste Flieger dockt am Dienstag an: Mit einem neuen Abfertigungsgebäude will der Flughafen München Maßstäbe setzen. Nur so kann er im Wettbewerb bestehen - und die Lufthansa zufriedenstellen.

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Das neue Satellitenterminal des Münchner Flughafens. Quelle: Koch + Partner, Generalplaner Flughafen München

Wenn ein Unternehmen feiert und dafür fast 2000 Gäste einlädt, sind drei Gruppen ein Muss: Stars der mehr oder weniger hohen Kultur, Geschäftspartner und natürlich die Chefs der wichtigsten Anteilseigner.
Als der Flughafen München am vergangenen Freitag zur Eröffnung seines neuen Erweiterungsbaus eine Party schmiss, war das anders.

Beim Festakt im offiziell Stangensatellit genannten Zusatzgebäude fehlten mit Angela Merkel und Horst Seehofer gleich von zwei der drei Gesellschafter die Chefs. Die Kanzlerin der Bundesrepublik (Anteil: 26 Prozent) und der Ministerpräsident von Bayern (51 Prozent) bevorzugten einen anderen Termin: den Festakt „500 Jahren Deutsches Reinheitsgebot“ im nahe gelegenen Ingolstadt. Für die Landeshauptstadt München (23 Prozent) selbst kam unter anderem der Oberbürgermeister.

Dabei hätte die Sause am Münchner Satelliten den Politikern gut gestanden. Wenige Projekte in Deutschland sind derzeit ein so deutliches Signal für Aufbruch und werden dann noch ohne große Verzögerungen und Preisexplosionen fertig. Am kommenden Dienstag, fast genau vier Jahre nach Grundsteinlegung, wird der erste reguläre Passagier-Flieger am neuen Satellit andocken. 



Gemeinsam Finanzierung

Bemerkenswert ist die Verbindung von Münchner Flughafen und der wichtigsten Fluggesellschaft des Airports, die den Bau des Satelliten möglich – und erforderlich machte. Wie das Terminal 2 wurde auch dessen Erweiterung, der Satellit, vom Flughafenbetreiber gemeinsam mit der Lufthansa gebaut. Die Gesamtinvestitionen von rund 900 Millionen Euro teilen sich beide im Verhältnis 60 zu 40.

Der Bau gibt dem süddeutsche Drehkreuz der Lufthansa Raum für weitere elf Millionen Passagiere. Die jährliche Auslastungsgrenze des Terminals 2 liegt damit bei 36 Millionen Passagieren der Kranichlinie und ihrer Partner aus dem Star-Alliance-Verbund. Quasi über Nacht kommt die Kapazität des kompletten Flughafens Köln oben drauf, wie Airport-Chef Michael Kerkloh gern anmerkt. „Der neue Satellit wird uns in eine neue Dimension führen“, lobt der Manager seinen Bau.

Die zehn größten Airports in Europa nach Passagieren

Neue Dimensionen befürchten Ausbaugegner wie die Sprecherin des Anti-Airport-Bündnisses Helga Stiegelmeier angesichts von mehr Starts und Landungen zwar auch bei Fluglärm und Umweltverschmutzung. Doch tatsächlich setzt der Bau vor allem technisch und beim Service einen Maßstab.

Diese Plus an Kapazität und Hightech ist bitter nötig für das Pistenensemble im Erdinger Moos. Zuletzt sind die Münchener deutlich langsamer gewachsen als bis Ende der Nullerjahre.

Dafür sorgte vor allem, dass der Hauptkunde Lufthansa unter dem Druck von Golflinien und Billigfliegern kaum noch zulegte. Wenn überhaupt, wuchs im Billigsegment bei German- oder Eurowings, die München weiträumig umfliegen, oder am Hauptflughafen Frankfurt. Dort hat Lufthansa dank einiger Neubauten wieder reichlich Raum und verdient im Schnitt pro Passagier mehr.

Lufthansa verschärft die Konkurrenz

Dabei macht die Lufthansa auch in München gutes Geld. Weil ihr 40 Prozent der Terminalgesellschaft gehören, hält sie bei den Umsätzen der Restaurants und Läden mit die Hand auf. Doch am Ende machen die höhere Preise in Frankfurt dieses Münchner Einnahmeplus mehr als wett. „So schön es in Bayern auch ist. Wir müssen starten, wo wir mit unseren Kosten das meiste Geld verdienen“, so ein Lufthanseat.

Zudem verschärft die Lufthansa gerade den Wettbewerb. Zwar fährt der Konzern sein Drehkreuz in Düsseldorf langsam herunter. Dafür wachsen nun Zürich und - nach längerer Durststrecke - auch Wien. Zu guter Letzt käme nach der Übernahme von Brussels Airlines Brüssel als weiterer Flughafen. „Da will sich München ein wenig anstrengen, um seine Position zu halten“, so der Lufthansa-Insider.

So rüstet der Flughafen München auf

Dabei setzt der Flughafen zum einen auf Bequemlichkeit für die reisende Kundschaft. Der Neubau hat besonders viele Gebäudepositionen für Flugzeuge. Es ist Deutschlands erste Midfield-Terminal. So heißen Abfertigungshallen, die keine Straßenvorfahrt haben und nur über unterirdische Züge zu erreichen sind. Das erspart den Passagieren und besonders Umsteigern die lästigen Busfahrten von und zum Flieger.

Aber auch im Satellit selbst gibt es neue Angebote. Touristen und besonders reisende Familien finden recht viele ladenfreie Ruhezonen und für den Nachwuchs eigene Spielbereiche. Müssen Kinder mal alleine reisen, haben sie im neuen Satelliten eine eigene Lounge ausschließlich für unbegleitete Kinder - Spielecken, Computer und bequemen Lümmelkissen zum Ausruhen inklusive.

Ebenfalls neu im Terminal: Es gibt Duschen für jedermann und nicht nur welche in den Vielflieger-Lounges.

Der Erweiterungsbau des Münchner Flughafens

Besser ist auch das Angebot für Geschäftsreisende und Vielflieger. Weil es in den bisherigen Lounges im heutigen Terminal 2 zu Stoßzeiten oft extrem eng wird, bietet der Satellit umgerechnet doppelt so viel Lounge-Flächen. Der Warteraum für die Kunden aus der First Class und die Ultravielfliegern des Hon Circle hat neben 1000 Quadratmetern Fläche sogar eine eigene Dachterrasse.

Großen Wert legten die Airport-Planer darauf, auch mit dem neuen 600 Meter langen Satelliten für das ganze Terminal 2 die heutigen Umsteigezeit zu halten. Jeder Umsteiger soll auch dann seinen Anschluss schafft, wenn zwischen Landung und Weiterflug nur 35 Minuten liegen.

An größeren Flughäfen wie London beträgt die Zeitspanne oft 90 Minuten, in Dubai mitunter zwei Stunden und selbst in Frankfurt sind es mindestens 45 Minuten. Für die geringe Zeit sorgt in München vor allem die Verbindungsbahn, die pro Stunde bis zu 10.900 Passagiere inklusive Wartezeit in weniger als fünf Minuten zwischen Hauptgebäude und Satellit hin und her fahren soll.

Die Zeitersparnis beim Flugzeugwechsel drückt die Gesamtreisezeit teils deutlich. „Das ist gerade für Geschäftsreisende ein wichtiges Kriterium wenn sie einen Flug aussuchen“, sagt Dirk Gerdom, Präsident des Geschäftsreiseverbandes VDR. Eine kürzere Reise bedeutet mehr Freizeit sowie die Chance, schneller im Büro oder beim Kunden zu sein. „Das ist vielen Unternehmen auch einen Aufpreis beim Ticket wert“, beschreibt Gerdom die Hoffnung von Lufthansa und dem Münchner Flughafen.

Technische Aufrüstung

Einen deutlichen Fortschritt verspricht der Airport auch in Sachen Energieeffizienz. Der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid soll auf die Fläche bezogen bis zu 40 Prozent niedriger sein als im Rest des Airports. Darum wird der Bau nicht über Geräte im Gebäude beheizt und gekühlt, sondern über eine Leitung vom zentralen Kraftwerk des Airports. Dazu nutzt das System die Abwärme aus der Be- und Entlüftung zum Heizen und im Sommer eine Art Wärmetauscher zum Kühlen der Hallen.

An die Anlage kann die Lufthansa auch ihre Jets anschließen. Die können dann die eigene, kerosinbetriebene Klimaanlage abschalten.

Damit bei sehr kaltem oder warmem Wetter Kühlung oder Heizung nicht zu stark schuften müssen, umgibt den Bau ein isolierendes Glas sowie ein 4,5 Meter breiter Gang. Das wird Flugfans leider nicht allzu sehr freuen. Denn diese Klimafassade lässt sie nur an wenigen Stellen noch lediglich durch etwas Glas getrennt direkt aufs Vorfeld blicken.

Widerstand gegen den Ausbau

Der umweltbewusste Auftritt sorgt zum einen für ein besseres Image in der Öffentlichkeit. Das ist besonders in der Region selbst von Vorteil. Der Widerstand gegen ein Wachstum des Airports ist im Umland sowie in der Landeshauptstadt so hoch, dass sich der eigentlich längst genehmigte Bau einer dritten Landebahn immer weiter verzögert.

Sogar Landesvater Horst Seehofer drückt sich aus Furcht vor dem Unmut der Anwohner um ein klares Bekenntnis zum Airport. Dabei räumt er dem Vernehmen nach im kleinen Kreis ein, dass dieser in den vergangenen Jahren für tausende Jobs in der Region gesorgt und einige internationale Unternehmen überzeugt hat nach Bayern zu ziehen.

Bester Flughafen Deutschlands

Mindestens ebenso wichtig ist den Machern von München, dass ihr „Green Satellit“ genannter Ausbau auch Geld spart, zum einen durch niedrigere Betriebskosten. Dank denen kann der Flughafen sich im Wettbewerb mit anderen niedrigere Gebühren leisten – oder zumindest den Verzicht auf Erhöhungen.

Zum anderen stellt sich der Flughafen bereits auf künftige Umweltauflagen ein. Über den Weltluftfahrtverband Iata haben sich die Fluglinien verpflichtet ab 2020 klimaneutral zu wachsen. Das Ziel werden sie jedoch angesichts des starken Wachstums nur erreichen, wenn sie auch die Flughäfen stärker in die Pflicht nehmen. Die Hoffnung der Münchner ist, dass dann vor allem klimafreundliche Airports zulegen, notfalls auf Kosten von umweltsündigen Pisten.

Bester Flughafen Deutschlands Geschäftsreisende


Darum glauben die Münchner, trotz der Widerstände bald weiter wachsen zu können.

Weil dann auch der neue Satellit zu eng werden könnte, haben hat Flugleiter Kerkloh schon mal eine Erweiterung geplant. In den zwanziger Jahren könnte der Airport an den heutigen Stangensatelliten einen Pier Ost anbauen und die Kapazität nochmal um die Hälfte steigern – um weitere sechs auf 17 Millionen Passagiere.

Zusammen mit der Erweiterung des Terminals 1 böte der Flughafen München dann Raum für mehr als 60 Millionen Passagiere. Ein Platz unter den zehn größten Airports in Europa wäre sicher.
Vielleicht kämen zur Eröffnung dieses Erweiterungsbaus dann auch die Chefs von Bundes- und Landesregierung.

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