Dazu hat der Wettbewerb mit den Billigfliegern eine neue Dimension erreicht. Die Geizlinien schließen nicht nur die Lücke zu den etablierten Linien, weil sie auf besseren Service setzen. Das Netz der Preisbrecher an Non-Stopp-Verbindungen in Europa ist inzwischen so dicht, dass die Lufthansa zunehmend einen ihrer wichtigsten Vorteile verliert.
Bislang buchten vor allem Geschäftsleute die höheren Tarife der Lufthansa, weil sie dank der vielen Verbindungen bequem den Flug wechseln konnten. So verloren sie kaum wertvolle Arbeitszeit, wenn ihre Termine länger oder kürzer liefen, als geplant.
Die Sparprogramme der Lufthansa
Nach dem Golfkrieg Anfang der neunziger Jahre brach der Luftverkehr ein und die Lufthansa rutschte wegen zu hoher Kosten und Überkapazitäten an den Rand der Pleite. So startete der 1991 zum Vorstandschef gewählte Jürgen Webers sein erstes Sparprogramm, bei dem er mit Zustimmung der Gewerkschaften 8000 Stellen abbaute. Das Programm war ein Erfolg, nicht zuletzt, weil es die Lufthansa zur Schicksalsgemeinschaft machte und die Arbeit im Sparteam die späteren Konzernchefs Wolfgang Mayrhuber und Christoph Franz zu engen Vertrauten machte.
Trotz der Erfolge der Sanierung knickte der Lufthansa-Gewinn 1996 wieder ein. Die nach wie vor zu hohen Kosten sollte das Programm 15 drücken, von 17 Pfennigen um einen Passagier einen Kilometer weit zu transportieren auf höchstens 15, was einer Einsparung von einer Milliarde Mark oder fünf Prozent des Umsatzes entsprach. Das Programm erreichte das Sparziel eine Milliarde, doch am Ende scheiterte es, weil andere Kosten die Lufthansa wieder zu einem der teuersten Anbieter der Branche machte.
Trotz boomender Wirtschaft sanken Ende der neunziger Jahre die Lufthansa-Gewinne, nicht zuletzt wegen der wachsenden Konkurrenz durch Billigflieger. Darum sollte Operational Excellence nicht nur die Kosten senken, sondern auch die Qualität und besonders die Pünktlichkeit steigern, damit die Lufthansa ihre höheren Preise rechtfertigen konnte. In Sachen Pünktlichkeit half das Programm. Doch zum Qualitätsführer machte es Lufthansa nicht, nicht zuletzt, weil der Bordservice trotz hoher Investitionen unter dem Branchenstandard blieb.
Noch vor dem Ende des New Economy-Booms sackte 2000 der Lufthansa-Gewinn. Weil bisherige Sparprogramme kaum langfristig wirkten, wollte Konzernchef-Jürgen Weber mit D-Check – benannt nach der Generalüberholung eines Flugzeugs – die Arbeitsweise des Unternehmen verändern und die Kosten nachhaltig um eine Milliarde Euro senken. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 kam D-Check akut und wurde dank Streckenstreichungen und Lohnzugeständnissen von gut 200 Millionen Euro mit fast 1,5 Milliarden Euro Ersparnis das einzige erfolgreiche Sparprogramm des Jahrzehnts.
Kaum im Amt musste der neue Konzernchef Wolfgang Mayrhuber nach Krisen wie dem Nachfrageeinbruch durch die Lungenseuche Sars in China für das Jahr 2003 einen erneuten Gewinneinbruch verkünden und wollte mit dem Aktionsplan die Kosten um 1,2 Milliarden Euro senken. Parallel dazu versuchte die Lufthansa ihren Europaverkehr im Rahmen von „Zukunft Kont“ neu und effizienter zu organisieren. Am Ende fehlte dem Programm die klare Linie und weil Flughäfen und anderen Lieferanten kaum Sparbeiträge lieferten, blieb es unter den Erwartungen.
Nach dem wenig erfolgreichen Aktionsplan rückte die Lufthansa in der nächsten Effizienzrunde wieder die Qualitätsverbesserung nach vorne. Doch das komplette „Upgrade to Industrie Leadership“ genannte Programm verpuffte, nicht zuletzt, weil in der 2008 beginnenden Finanzkrise den Kunden und besonders Geschäftsreisenden Qualität weniger wichtig war als ein guter Preis. Darunter litt besonders die Lufthansa, deren Service besonders im Vergleich zu Wettbewerbern wie Emirates eher dürftig ausfällt.
Nach dem Misserfolg des Qualitätsprogramm Upgrade startete Christoph Franz seine Zeit als Chef das Fluggeschäfts mit einem klassischen Sparprogramm. Auch weil es erstmals Entlassungen androhte und einen – Hochverrats verdächtigen - Umbau der Europaflüge in Richtung der Billigflieger vorschlug, musste Franz zurück rudern. Doch weil der Spardruck bleib und der Versuch den Einkauf im Konzern zu zentralisieren, grandios scheiterte, bleib am Ende eine magere Ersparnis von gut 600 Millionen - und an der unzeitgemäß aufwändigen Arbeitsweise änderte sich nichts.
Kaum Konzernchef, kündigte Christoph Franz den in drei wirkungslosen Sparrunden vermiedenen Komplettumbau an: mit zuvor unvorstellbaren Dingen wie Entlassungen, Entmachtung der Konzerntöchter zu Gunsten der Zentrale und dem Übergang der tiefroten Europafliegerei zur Billigtochter Germanwings. Die Aussichten sind gut, weil Franz Erfolge vorsichtig feiert, die Führung durch konzernfremde Manager ergänzte, der ganze Vorstand in Workshops für das Programm wirbt - und Franz beim Umbau der Tochter Austrian zeigte, dass er noch radikalere Dinge wie ein Ausflaggen nicht fürchtet.
Doch inzwischen fliegen die Billigheimer viele Strecken so oft, dass auch eilige Manager bei ihnen kurzfristig einen passenden Flug finden. Dagegen wird eine spontane Umbuchung bei Lufthansa immer schwerer. Wegen der volleren Flieger ist im Ernstfall kein Platz mehr frei, wenn ein Kunde umdisponiert.
Kampf gegen die Krise
Nun will Lufthansa gegen die Krise kämpfen. Finanzchefin Menne hat angekündigt, weitere Flüge zu streichen. Sie hofft, die verbliebenen besser und mit weniger Rabatten verkaufen zu können.
Doch das wird nicht reichen. Die Lufthansa muss ihr aktuelles Sparprogramm Score aufstocken. Und zwar am besten nicht nur um die 650 Millionen, die jetzt für das geplante Sparziel fehlen, sondern um einen höheren Betrag. Dafür muss sich die Lufthansa stärker und gründlicher ändern, als bisher geplant.
Weitere Probleme belasten die Lufthansa
Denn die Fluggesellschaft leidet nicht nur unter dem Preisverfall und dem wachsenden Wettbewerb, sondern auch unter anderen Dingen. Das beginnt bei immer neuen Überraschungen: So verliert die Lufthansa 60 Millionen Euro, weil sich Venezuela weigert, den Umsatz mit den im Land verkauften Tickets zu einem angemessen Wechselkurs zu tauschen.
Problematischer ist, dass die Lufthansa hierzulande unter Bedingungen arbeitet, die der heutige Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber mal „Wettrennen mit einer Werkzeugkiste auf dem Buckel“ nannte. Da sind zum einen anderswo unbekannte staatliche Belastungen wie die deutsche Sondersteuer namens Luftverkehrsabgabe.
Oder, dass sich die staatliche Flugsicherung in Deutschland zwar privatisiert nennt, aber nach wie vor wie eine Behörde bei steigenden Ausgaben ihre Gebühren anheben darf, statt wie ein echtes Unternehmen sparen zu müssen.
Problemfall Pilotengehalt
Weil sich daran vorläufig wenig ändern wird, muss die Lufthansa die Dinge ändern, die in ihrer Macht stehen. Und das sind ihre vergleichsweise üppigen Arbeitskosten. Dazu zählen aber nicht nur die hohen Pilotengehältern, sondern zumindest ebenso die umständlichen Arbeitsweisen.
So arbeiten die Konzernzentrale in Frankfurt und die Verwaltungen der Töchter in Hamburg oder Köln noch zu oft parallel. Dadurch dauern Neuerungen, die ein Billigflieger quasi über Nacht beschließt und umsetzt, oft Monate.
Dazu erledigt die Lufthansa noch zu viele Arbeiten im teuren Inland, statt sie wie ihre Wettbewerber an Töchter oder Dienstleister in günstigere Länder zu verlagern.
Das alles muss Spohr nun angehen und möglichst bereits die ersten Ansätze verkünden, wenn er Anfang Juli sein Regierungsprogramm vorstellt. Und vielleicht war das auch einer der Gründe für die heutige Gewinnwarnung. Denn sie zeigt: Das von vielen mit dem Wechsel vom etwas kühlen Alt-Chef Franz zum leutseligen Spohr erhoffte Ende des Reformkurses fällt nicht nur aus. Spohr erhöht den Reformdruck sogar.