Fluglinien Flugpannen kosten die Airlines über eine Milliarde Euro

Airlines: Flugpannen kosten über eine Milliarde Euro Quelle: dpa

Die immense Zahl an Verspätungen und Flugabsagen kostet die Airlines in diesem Jahr eine Rekordsumme. Was die Unternehmen bei Pannen draufzahlen – und warum sich trotzdem erstmal wenig ändert.

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Wenn Fluglinien Rekorde melden, geht es meist um mehr Passagiere oder gewachsenen Umsatz. In diesem Jahr sorgen die vielen Flugpannen aber für eine neue Höchstleistung: mehr unfreiwillige Ausgaben.

Laut einer Berechnung der Unternehmensberatung Oliver Wyman für die WirtschaftsWoche drohen den in Deutschland tätigen Airlines in diesem Jahr Zusatzkosten von mehr als einer Milliarde Euro. Der wichtigste Posten: Auf bis zu 620 Millionen Euro könnten sich allein die Ansprüche auf Entschädigungen für die von Verspätung und Annullierungen betroffenen Passagieren summieren. Laut einer Statistik des Rechteportals EUclaim haben die Fluglinien von Januar bis Juli dieses Jahres 19.631 Flüge gestrichen. 5361 Verbindungen waren mindestens drei Stunden verspätet.

Das Problem mit den Zahlungen nach der Fluggastrechte-Verordnung der EU trifft die deutschen Fluglinien gleich auf zweierlei Weise.

Zum einen ist die Zahl der Problemflüge laut EUclaim 2018 deutlich höher als im Vorjahr und im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Es gab auf den Verbindungen von und zu deutschen Landeplätzen fast drei Viertel mehr Annullierungen. „Die Zahl der starken Verspätungen stieg um die Hälfte.“ So startete im Juni an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt mehr als jede zweite Maschine mindestens 15 Minuten nach Plan. Am notorisch unpünktlichen Airport London-Heathrow gab es nur halb so viele Verzögerungen.

Zudem nehmen die Passagiere die Unzuverlässigkeit ihrer Airlines immer seltener gelassen hin. Noch im vorigen Jahr forderte im Schnitt nur jeder zehnte Fluggast eine Entschädigung, weil er mindestens drei Stunden nach der versprochenen Zeit am Ziel war. Im Frühjahr war es schon fast jeder Vierte. In diesem Sommer könnten mehr als die Hälfte eine Entschädigung fordern, fürchten Fachleute. „Nach den vielen Berichten in diesem Sommer haben wahrscheinlich fast alle Reisenden mitbekommen, dass ihnen bei Verspätungen und Absagen bis zu 600 Euro winken“, sagt Armin Bovensiepen, Flugspezialist der Unex Management Consulting. (Ob Sie Chancen auf eine Entschädigungszahlung haben, können Sie hier überprüfen.)

An einem großen Teil der Pannen sind die Fluglinien selbst schuld. Lufthansa und Co. schieben die Verantwortung für die Verspätungswelle der vergangenen Monate zwar gern auf Faktoren höherer Gewalt. So gab es im Monat Mai ungewöhnlich viele Unwetter und im Juni viele Streiks. „Doch etwa die Hälfte der Verspätungen sind im Verantwortungsbereich der Fluglinien“, sagt Oliver-Wyman-Experte Matthias Völker.

Zu den immensen Entschädigungszahlungen könnten bis zu 600 Millionen Euro Zusatzkosten durch höhere Betriebsausgaben, geringeren Einnahmen und falsche Planung kommen. Das Problem besteht vor allem bei den führenden Billigfliegern.

Sie alle hatten nach der Pleite von Air Berlin bereits im vergangenen Hebst ihren Sommerflugplan 2018 aufgelegt und den Ticketverkauf begonnen. Nur so konnte die Linien sicher sein, dass sie nach der geplanten Übernahme von Teilen des einstigen Berliner Rivalen auch dessen Landerechte behalten würden. Allerdings bekamen am Ende alle weniger Flugzeuge, Startrechte und Beschäftigte als gedacht. Also zwang sie der Mangel mehrmals kräftig den Flugplan zu kürzen. Und weil es oft dennoch nicht reichte, mussten sie viele Verspätungen in Kauf nehmen.

Rechenbeispiel: Das kostet ein ausgefallener Flug

Was das kostet, zeigt eine Übersicht der Beratung Unex Management Consulting für einen Airbus A321 mit 200 Passagieren auf einer Europastrecke. Demnach schlägt jede Minute Verzögerung bereits ohne eine EU-Entschädigung im Schnitt mit knapp 100 Euro zu Buche.

40 Euro davon entfallen auf die direkten Kosten der Fluglinie. Sie muss vor allem Kunden mit Anschlussflügen umbuchen. Zudem braucht sie mehr Personal zur Betreuung und muss Leute aus der Reserve holen, wenn die vorgesehene Crew früher als gedacht das Ende ihrer zulässigen Arbeitszeit erreicht. Dazu kommen die Kosten für den laufenden Betrieb, gleichzeitig entgehen der Linie Einnahmen aus dem laufenden Betrieb, weil die Maschine nicht fliegt.

Bis zu 54 Euro fallen an, weil viele Kunden ihr Ticket zurückgeben und weil viele Vielflieger aus Ärger über die Eurowings-Pannen zu Konkurrenten wie Easyjet wechseln.

Verspätung Airbus A321 pro MinuteKosten in Euro
Umbuchung13
Zusätzliches Personal9
Passagierbetreuung8
Entgangener Umsatz in der Wartezeit 6
Laufende Kosten in der Wartezeit 4
40
Ertragsverluste (Passagier bucht andere Airline etc.)54
94
Quelle: Unex Management Consulting

Bis zu 240 Euro pro Passagier kostet es die Airline, einen Flug komplett zu streichen. Hier rechnen die Berater bei einem Airbus A321 für jeden der 200 Passagieren zwar nur mit gut 50 Euro Grundkosten, auch weil bei einer Streichung die knapp 20 Euro Betriebskosten entfallen. Dafür setzen die Berater hier zumindest die Hälfte der niedrigsten EU-Entschädigung für Pannenflüge an. Höher ist auch der Umsatzverlust, denn bei einer Flugabsage verlieren die Airlines mehr Passagiere an die Konkurrenz als bei einer Verspätung.

Flugstreichung (Airbus A321) pro PassagierKosten in Euro
Umbuchung40
Personalkosten5
Flugzeug14
Passagierbetreuung2
Zusatzkosten Flughafen8
Gesparte Flugkosten-17
52
Passagierentschädigung125
177
Ertragsverluste (Passagier bucht andere Airline etc.)65
242
Quelle: Unex Management Consulting

Die Höhe des Betrags hängt dabei stark an der Flugzeuggröße. Bei einem Großraumjet wie einem Airbus A330 und einer Langstreckenverbindung rechnen die Berater mit knapp 400 Euro pro Passagier, wenn es der Airline nicht gelingt, den Kunden am Ende doch noch auf einem eigenen Flug unter zu bringen.

Das ist jedoch gerade im Sommer nicht leicht. In der Hauptreisezeit sind die Maschinen in der Regel bis zu 90 Prozent ausgebucht. Dann braucht die Airline rein rechnerisch fast zehn Flüge, um die beim Ausfall einer Verbindung stehen gelassenen Kunden ans Ziel zu bringen. Im Urlaubsverkehr etwa zu einer Mittelmeerinsel klappt nicht mal das immer.

Wozu das führt, erlebten diese Woche viele Griechenlandurlauber. Weil nach mehrtägigen Computerproblemen Hunderte Reisende am Flughafen von Rhodos gestrandet waren, mietete der britische Reisekonzern Thomas Cook kurzerhand einen Superjumbo Airbus A380 mit 500 Sitzen an, um seine Kunden überhaupt nach Hause zu bringen.

Trotz der hohen Kosten ist es für die Airlines nicht leicht, die Belastung zu mindern. Ideal wäre es, einen Puffer durch Ersatzflugzeuge samt Besatzung zu schaffen. „Doch auch das verursacht hohe Kosten“, so Oliver-Wyman-Berater Matthias Völker. Der Ersatz wird am Ende nur ein oder zwei Mal die Woche gebraucht, muss aber die ganze Zeit bezahlt werden.

In diesem Sommer ist es sogar fast unmöglich, einen Ersatz vorzuhalten. Reservejets von anderen Fluglinien oder Kurzfristvermietern sind kaum zu bekommen. „Alles, was in Europa fliegen kann, ist derzeit schon für jemanden unterwegs“, so ein führender Airline-Manager.

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