Flugverbot Boeing parkt 737 Max inzwischen auf den Mitarbeiterparkplätzen

StandzeugAn einer Reihe Flughäfen rund um die Welt stehen zurzeit jede Menge Boeing 737 Max herum, wie hier in Victorville in Kalifornien. Am kritischsten ist die Lage aber auf den Werksflugplätzen von Boeing. Quelle: imago images

Vor gut zehn Wochen kosteten zwei Abstürze des Mittelstreckenjets 737 Max Boeing die Betriebserlaubnis. Exklusive Satellitenaufnahmen zeigen jetzt, dass der Flugzeugbauer an seinen Produktionsstandorten im Raum Seattle die frisch produzierten Maschinen fast nicht mehr unterbringt. Warum Boeing trotzdem weiter produziert.

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Um Boeing-Chef Dennis Muilenberg stolz zu machen, reichte bisher eine Frage: Was an der Produktion seines Erfolgsmodells 737 ist besser als beim Bau des Konkurrenzfliegers Airbus A320? „Wir bauen die 737 per Fließband und brauchen daher nur eine Fabrik an einem Ort“, so der Manager mir der hageren Langläuferstatur. Airbus benötige für fast die gleiche Zahl an Jets acht Fabriken an vier Orten. Das, so die Botschaft, führe zu höheren Kosten.

Seit dem 13. März dürfte Muilenberg anders denken. Denn an dem Tag wurde die Fertigung des Jets an nur einem Ort zum Fluch. Die US-Luftfahrtbehörde FAA entzog Boeings Bestseller die Betriebserlaubnis. Zuvor hatten das auch die Behörden in China und Europa getan. Grund waren zwei Abstürze mit gut 300 Toten und der Hinweis auf ein technisches Problem der Max genannten jüngsten Varianten des Jets.

Weil die Serienfertigung weiterlief, stapeln sich jetzt die Flugzeuge an den Werksflughäfen rund um Seattle im US-Bundesstaat Washington. Wie exklusive Aufnahmen des Satellitenunternehmens Planet für die WirtschaftsWoche zeigen, quellen inzwischen nicht nur auf dem 737-Produktionsort in Renton im Südosten von Seattle die Stellplätze über. Auch am nahe gelegenen Boeing Field genannten Landeplatz, wo der Konzern unter anderem sein Firmenmuseum hat, parken die Pannenjets – und inzwischen sogar auf den Mitarbeiterparkplätzen Flügelspitze an Flügelspitze. „Es ist eine Art Tetris“, verweist ein Insider auf das bekannte Computerspiel.

Wegen Flugzeugen geschlossen


Satellitenbild Boeing

Wo die Planet-Bilder vom 4. März nur vier Boeing 737 auf dem Boeing Field zeigen, waren es am 10. Mai 2019 bereits 46 Maschinen und inzwischen wohl gut 50. Auf dem riesigen Parkplatz am Boeing-Werksgebäude, der Anfang März noch voller Autos war, parken auf einer Hälfte Flugzeuge. Weil Boeing inzwischen fast 500 Maschinen gebaut hat, stapeln sich die Krisenflieger nicht nur um Nordwesten der USA. Einer der größten Stellplätze ist der Flughafen Victorville nahe Los Angeles. Dort zeigten die Satellitenaufnahmen kürzlich 34 Boeing 737 Max in der typischen rötlich-blauen Lackierung der größten US-Billigairline Southwest. Weitere bereits ausgelieferte Maschinen parken unter anderem an Flughäfen der Städte Urumqi und Guangzhou in China, in Dubai und auf einem Regionalflughafen bei Houston in Texas.

Und es dürfte noch enger werden. Denn auch wenn noch nicht klar ist, wann Boeing die Flugerlaubnis wiederbekommt und seine Maschinen ausliefern darf, läuft die Produktion in Renton weiter. Dort rollen nach wie vor jeden Arbeitstag zwei weitere Maschinen aus der Halle.

Diese Flugzeuge bleiben am Boden
Düsenflieger De Havilland DH.106 Comet (Großbritannien) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Passagier-Düsenflugzeug Baade 152 (DDR) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Tupolew TU 144 “Concordski” (Sowjetunion) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Überschallflieger Concorde (Frankreich, Großbritannien) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Douglas DC-10 (USA) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
A380 (Europa) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Suchoi Superjet-100 (Sowjetunion) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche

Dahinter steckt kein Unverstand, sondern eine kühle Kalkulation. In den ersten Tagen war der Auslieferungsstopp erstmal hoch willkommen. „Er hilft, uns von den Folgen der Winterstürme und der Verzögerungen bei unseren Zulieferern zu erholen“, so damals ein Sprecher in einer der wenigen konkreten Äußerungen des Konzerns zu den Folgen der 737-Abstürze. Denn wie beim Erzrivalen Airbus war Boeing bis März bei der Auslieferung neuer Maschinen im Rückstand, weil der US-Triebwerkshersteller General Electric und sein Partner Safrane aus Frankreich mit der Lieferung der Motoren nicht nachkamen. Dazu fehlten nach ungewöhnlich schweren Unwettern im vergangenen Winter auch andere Teile.

Doch auch als das aufgeholt war, stoppte Boeing die Produktion nicht, sondern fuhr sie lediglich von zuvor 52 auf 42 Maschinen im Monat herunter. „Bei einem Stopp hätten wir das Signal gegeben, dass wir nicht mehr so recht an die Maschine glauben“, so ein Boeing-Insider. Dazu kann Boeing dank der vollen Jet-Parkplätze nach dem Ende des Startverbots schnell viele Maschinen an die Kunden übergeben – und bekommt Geld in die Konzernkasse.

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