Freytags-Frage
Generalprobe zur ARD-Silvestershow. Quelle: imago images

Sind Zwangsgebühren für öffentliche Sender gerechtfertigt?

Die öffentlich-rechtlichen Sender reagieren unangemessen auf berechtigte Kritik. Wenn sie Sport und Schlager den Privaten überließen, kämen sie mit weniger Zwangsgebühren aus.

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Wer über die Feiertage Zeit zum Fernsehen hatte und ein gutes Programm erwartete, konnte nur enttäuscht werden. Die privaten Sender bieten naturgemäß und irgendwie verständlicherweise quotenträchtige Massenware. Leider bot auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen (ÖR) trotz der ewigen Bekenntnisse zur Qualität nicht viel mehr: Schlager- und Quizshows wechselten sich mit Regionalkrimis (von Skandinavien bis nach Tschechien, alles aus deutscher Produktion!) und endlosen Wintersportsendungen ab. Früher konnte man wenigstens noch auf den zahlreichen Regionalsendern des ÖR gute Fernsehfilme und Reportagen sehen. Das ist aber längst Geschichte.

Man muss sich klar machen, warum es den ÖR gibt: Die Alliierten schufen einen Sender nach dem Vorbild der Britisch Broadcasting Corporation (BBC), der grob gesprochen die Aufgabe hatte, neutrale Nachrichten mit anspruchsvollem Programm und demokratischer Bewusstseinsbildung zu kombinieren. Ökonomisch spricht man von einem meritorischen Gut, also einem Gut, dass die Nachfrager in ihrer Bedeutung unterschätzen und dessen Nutzung deshalb vom Staat vorgeschrieben oder angeregt werden soll. Und in der Tat gibt es Programmbereiche im ÖR, die diesem Anspruch gerecht werden. Allerdings gibt es auch große Programmbestandteile, die man auch in privaten Sendern (und dort gelegentlich sogar auf höherem Niveau) findet. Diese Teile des Programms könnte man eher als demeritorische Güter, also als Inhalte, die eigentlich weniger nachgefragt werden sollten (Opium fürs Volk!), bezeichnen. Von seinem ursprünglichen Auftrag hat sich das ÖR somit entfernt.

Momentan ist es allerdings etwas heikel, Kritik am ÖR zu üben, haben sich doch die Populisten beider Lager der Sache schon angenommen. Auf der Rechten fordert die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) mehr oder weniger unverblümt die Abschaffung der öffentlichen Sender, während auf der Linken die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ darauf verweist, dass arme Beitragszahler die überdurchschnittlichen Gehälter der Intendanten, Programmdirektoren und Redakteure bezahlten. Diese Aussagen werden sowohl der AfD als auch der Bewegung regelmäßig – und vor allem von den Kritisierten selber – als billiger Populismus ausgelegt.

In der Tat mögen die Motive vordergründig sein: Hier die zu billige Kritik am staatstragenden Fernsehen, dort die leidige Debatte um Ungerechtigkeiten beim Einkommen. Es dürfte indes nicht zu verwegen sein anzunehmen, dass sowohl die AfD als auch die Linkspartei durchaus Interesse daran haben, dem Publikum einfache Fernsehkost vorzusetzen – nur eben nicht diese einfache Fernsehkost.

Dennoch sollte man die Kritik nicht so leicht wegwischen. Denn es ist unübersehbar, dass der intellektuelle Anspruch des ÖR in den vergangenen Jahrzehnten eher ab- als zugenommen hat. Richtig ist zwar, dass der Samstagabend im deutschen Fernsehen immer der Unterhaltung gewidmet war, wogegen auch nicht viel einzuwenden ist. Niemand ist gezwungen, den Fernseher anzuschalten. Aber es gab bis in die 1990er Jahre auch das erklärte Ziel, anspruchsvolle Filme und sachlich überzeugende Berichterstattung anzubieten. Richtershows und Seifenopern auf ARD und ZDF gibt es erst seit dem Auftauchen der privaten Sender; sie wurden offenbar für die Wettbewerbsfähigkeit des ÖR als notwendig angesehen und haben sozusagen „Das Kleine Fernsehspiel“ ersetzt bzw. auf einen denkbar unattraktiven Sendeplatz verbannt.

Allein eine halbe Milliarde Euro (von etwa 9 Milliarden Euro Budget, davon 8 Milliarden Euro Zwangsgebühren) geben die Öffentlich-Rechtlichen für Sport aus. Leider ist die Qualität der Berichterstattung in der Regel um Längen schlechter als bei den Privaten – wie wir bei der Handball-Weltmeisterschaft vermutlich leider wieder erleben werden. Viele Sportreporter des ÖR wirken eher wie Mitglieder des Fanclubs der deutschen Sportler denn wie kritische Journalisten.

Fußball, Schlager, Krimis, Seifenopern

Insgesamt zeigt sich, dass es in den letzten Jahren auch bei den Öffentlich-Rechtlichen nahezu ausschließlich um Quote geht – dabei muss man davon ausgehen, dass anspruchsvolle Berichterstattung und gute Fernsehfilme wie der Autorenfilm gerade kein großes Publikum bekommen werden. Je mehr man sich dem Massengeschmack – der hier in keiner Weise angegriffen werden soll – annähert, desto weniger bedarf es der öffentlichen Grundversorgung; denn Quote gehört nicht dazu. Fußball, Schlager, Krimis und Seifenopern finden ihren Markt. Im Übrigen darf daran erinnert werden, dass auch Qualität seinen Markt finden kann. Bei den Printmedien gibt es durchaus privat erstellte Qualität.

Während man im Fernsehprogramm lange nach Qualität suchen muss, sieht es im Radio deutlich besser aus. Hier wird der ÖR mit zahlreichen Stationen mit kulturellen und informativen Inhalten seinem eigenen Anspruch eher gerecht. Dabei kommen sehr viele Zuhörer mit ganz unterschiedlichen Präferenzen auf ihre Kosten.

Vor diesem Hintergrund ist die Debatte um das öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehprogramm eben nicht verfehlt. Verfehlt sind die Übertreibungen. Es handelt sich weder um meinungsunterdrückendes Staatsfernsehen, wie die AfD uns glauben machen will, oder um Wegelagerei, wie die Linken insinuieren, noch um ein durchgehend hochqualitatives Programm, dass ohne weitere Gebührenerhöhung demnächst aufgeben müsste, wie es die Programmdirektoren des ÖR durchklingen lassen.

An einer Stelle scheinen die Populisten aber einen Punkt zu haben. Die Reaktion auf die Kritik am ÖR aus den Funkhäusern selber ist keineswegs selbstkritisch, sondern sehr selbstgewiss und abgehoben. Die Vorstellung, dass man Fehler machen könnte, scheint bei den Verantwortlichen nicht weit verbreitet zu sein, zumindest nicht so weit wie das Gefühl, unverzichtbar zu sein und moralisch immer auf der richtigen Seite zu stehen. Dem wird sicherlich durch politisch besetzte Rundfunkräte und eine generelle Nähe des ÖR zur Politik Vorschub geleistet.

Deshalb ist es an der Zeit, über eine Verschlankung und Verbesserung des ÖR nachzudenken. Erstens wäre es nötig, das Fernsehprogramm zu durchforsten und diejenigen Teile, die ohne weiteres einen Markt finden, weitgehend den Privaten zu überlassen. Wenn sich die Öffentlich-Rechtlichen auf ihre Qualität konzentrieren, für die sie selbstverständlich das Potential besitzen, könnten sie mit wesentlich weniger Geld viel besseres Fernsehen anbieten und ihrem Auftrag gerecht werden. Die beliebten Schlagersängerinnen und spannenden Fußballspiele würden trotzdem nicht von Bildschirmen verschwinden müssen.

Zweitens ist es geboten, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen aus dem Internet soweit zurückziehen, dass sie dort nur noch ihre Sendungen vorstellen und wenige Nachrichten veröffentlichen. Formate, die die Internetangebote privater Zeitungen und Zeitschriften verdrängen könnten, sollten vom Staat nicht angeboten und von den Bürgern nicht verpflichtend bezahlt werden.

Solange das ÖR sich dieser Debatte verweigert, wird sie schwelen. Und sie wird Populisten Munition liefern, unsachliche und wiederum vereinfachte Beiträge zu der Debatte zu liefern, die ihnen Zulauf von Leuten bringt, die einfach über die schlechte Qualität des selbsternannten Qualitätsfernsehens frustriert sind. Diesen Leuten kann viel besser geholfen werden.

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