Friedrich Joussen Gute Zahlen für den neuen TUI-Chef

Tui schreibt wieder schwarze Zahlen. Von März bis Juni 2012 verdiente der Reisekonzern 9,3 Millionen Euro. Einen dürfte das ganz besonders freuen: Friedrich Joussen - bisher Deutschland-Chef des britischen Mobilfunkers Vodafone - übernimmt 2013 das Ruder bei TUI. Wie der neue Chef tickt.

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Endlich Konzern-Chef - Friedrich Joussen gilt als kumpelhaft, aber knallhart. Quelle: dapd

Auf den ersten Blick passen Telekommunikation und Touristik nicht zusammen. Doch offenbar hofft der TUI-Aufsichtsrat darauf, dass es doch Gemeinsamkeiten gibt zwischen Fernsprechen und Fernreisen. Er kürte Friedrich Joussen, der vor wenigen Wochen seinen Abschied als Deutschland-Chef des britischen Mobilfunkunternehmens Vodafone erklärte, zum Nachfolger von Michael Frenzel.

Der langjährige TUI-Chef, der ein Jahr vor Vertragsende abtritt, wird Joussen von Oktober an in seine Aufgaben einführen, 2013 übernimmt der Neue das Ruder. Joussen muss die verkorkste Konzernstruktur von TUI entflechten, ein Rezept gegen aggressive Mittelständler wie Alltours, FTI und Rewe finden und die Expansion in Europa, Russland oder China vorantreiben. Und er muss die schwierige Aufgabe meistern, den Internet-Vertrieb zu verbessern, ohne die für TUI wichtigen Reisebüros zu verprellen. All das mit einem Produkt, bei dem man das Handy lieber weglegt: Urlaub.

Wie TUI zum Sommer 2012 da steht

Vorbilder

Das Buch steht in Joussens Büro im Regal. „Competitive Strategy“, heißt der Titel. Und die Unterzeile: „Techniques for Analyzing Industries and Competitors“. Die scheinbar dröge Managementliteratur ist das Standardwerk von Harvard-Professor Michael Porter und für Joussen eine Art Erfolgsbibel. Er schätzt an dem 1980 veröffentlichten Buch die Klarheit, mit der Porter schon damals Erkenntnisse gewonnen hat, die noch heute für alle Industrien im Internet-Zeitalter Gültigkeit besitzen. „Segmentierung, Differenzierung und Kostenführerschaft“, gelten für den Ökonomen als Kernstrategien von Unternehmen. Vor ein paar Jahren traf sich Joussen mit seinem Vorbild Porter persönlich in Paris. Der Duisburger leitet aus dem Werk des einflussreichen Wissenschaftlers seine eigenen Managementthesen ab. So befürwortet Joussen eine klare Verantwortungskultur: Jeder Manager muss Ergebnisse liefern. Um sich nicht zu verzetteln, bekommt jeder nur ein konkretes und klar umrissenes Ziel, statt mehrerer Vorgaben. Einfachheit ist auch bei Joussen ein Grundprinzip. Das Buch wird er sicher mit nach Hannover nehmen.

Vorlieben

Joussen liebt Bälle in allen Größen. In seiner Freizeit spielt der vierfache Familienvater Fußball und Tennis. Großes Thema zu Hause in seiner Heimatstadt Duisburg ist Hockey. Regelmäßig begleitet er seine Töchter in den Duisburger Club Raffelberg, um sie bei Meisterschaftsspielen anzufeuern. Das Abschneiden des deutschen Frauen-Nationalteams bei Olympia in London dürfte ihn daher interessieren. Mit seinem Sohn golft er ab und an – aus Freude, nicht zum Netzwerken. Denn der 49-Jährige ist kein Freund von Schickimicki. Was nicht heißt, dass er geselligen Abenden nichts abgewinnen könnte. Häufig ist er auf Branchentreffs zu Gast und bei Vodafone-Abendveranstaltungen greift er gerne zur Currywurst – um dann für eine Zigarette an der frischen Luft zu verschwinden.

Stärken und Schwächen

Joussen war oft erfolgreich: Er hat die Marktführerschaft im Mobilfunk für Vodafones D2-Netz in Deutschland nach seinem Amtsantritt 2005 zurückerobert (Spitzname „Fritz D2“). Sein Bereich ist mit 9,5 Milliarden Euro Umsatz der größte des Konzerns. Joussen gilt als kreativer, kommunikativer Technikfreak. Die wirtschaftliche Nutzung der SMS geht auf ihn zurück, der Elektroingenieur hält auch Patente bei der SIM-Karten-Technologie. Joussen sieht sich zudem als „Angriffskrieger“. 2008 organisierte er den Kauf des Festnetzgeschäfts von Arcor, der Vodafone in Deutschland zum Komplettanbieter machte. Diese Erfahrungen können TUI beim Wachstumskurs helfen. Fraglich ist, wie sein Ruhrpott-Dialekt in Hochdeutsch-Hannover ankommt.

Freunde und Gegner

Von Joussens jovialer Art darf man sich nicht blenden lassen: Sein Machtwille beschert ihm auch Gegner. Bei der Übernahme des deutschen Festnetzanbieters Arcor 2008 durch Vodafone tauschte er die Führungsriege aus und übernahm selbst den Chefposten. Das führte bei Betroffenen und Belegschaft zu Verdruss. Auch in der Vodafone-Chefetage in Großbritannien eckte der Manager an.

Gegner: Vodafone-Chef Colao (zum Vergrößern bitte Bild anklicken) Quelle: Reuters

Das Verhältnis zu Konzernchef Vittorio Colao gilt als angespannt, nachdem Colao die von Joussen geplante Übernahme von Kabel Deutschland stoppte. Joussen bestreitet aber, dass dies der Grund für seinen Wechsel war: Er habe seiner Karriere einen neuen Dreh geben wollen. Geschäft und Privates trennt Joussen.

Freund: Bankier von Metzler (zum Vergrößern bitte Bild anklicken) Quelle: dapd

Einzig den Kontakt zu Unternehmertypen schätzt er: etwa Ex-RWE-Chef Jürgen Großmann, Bankier Friedrich von Metzler und United-Internet-Gründer Ralph Dommermuth. Joussen sitzt zudem im Präsidium der beiden Wirtschaftsverbände BDI und Bitkom.

Ziele und Visionen

Joussen ist als Vorstandschef endlich am Ziel: Der zweite Platz war für ihn schon immer schwer erträglich. Frischer Wind ist den Mitarbeitern in der hannoverschen TUI-Zentrale nun sicher. Joussen, ein Freund der Mitbestimmung, setzt auf offene Kommunikation, wie es das neue Vodafone-Gebäude in Düsseldorf vormacht, das teilweise ohne feste Arbeitsplätze auskommt. Zu seiner Strategie für TUI sei es „zu früh, um sich zu äußern“. Er werde zunächst „zuhören“ und sich „einarbeiten“. Sicher ist, dass er schnell eine Lösung für die lähmende Doppelstruktur finden muss: Der TUI AG in Hannover gehören Hotels, Clubs und Kreuzfahrtschiffe.

Gleichzeitig hält der Konzern 56 Prozent an der TUI Travel in London, die das operative Reisegeschäft verantwortet. Zwischen Hannover und London knirscht es des Öfteren. Wie man mit Briten umgeht, weiß Joussen – insbesondere dafür wurde er geholt. Als TUI-Boss wird er auch das exklusive Urlaubsgeschäft mit eigenen Resorts, Clubs und Kreuzfahrtschiffen ausbauen, um so die Gewinnmargen des Konzerns zu erhöhen.

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