Friseurkette Klier Waschen, schneiden, sanieren

Deutschlands größter Friseurkonzern Klier hat die Coronapandemie mit voller Wucht zu spüren bekommen. Quelle: dpa

Deutschlands größter Friseurkonzern Klier hat die Coronapandemie mit voller Wucht zu spüren bekommen und musste einen Insolvenz-Schutzschirm aufspannen. Doch jetzt zeichnet sich ein Weg aus der Krise ab.

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Der Schritt kam alles andere als überraschend, war der Nachrichtenagentur dpa aber eine Eilmeldung wert: „Friseurkette Klier ist insolvent“, berichtete die Nachrichtenagentur am Dienstagvormittag, nachdem gestern bereits die „Bild“ feststellt hatte: „Friseur-Kette Klier droht die Insolvenz“. Tatsächlich hat das Amtsgericht Wolfsburg heute lediglich das Insolvenzverfahren der Klier-Gruppe eröffnet – wie üblich, rund drei Monate nach Antragstellung. Schon Anfang September hatte Klier ein sogenanntes Schutzschirm-Verfahren eingeleitet und damit eine Insolvenzvariante genutzt, die zwar stärker auf den Erhalt und die Sanierung des Unternehmens ausgerichtet ist als ein klassisches Verfahren, aber ein Insolvenzverfahren bleibt.

Die Insolvenzeröffnung ist somit kein Scheitern der Sanierungsbemühungen, sondern die logische Fortsetzung des im Herbst gestarteten Prozesses. „Wir sind bei der Sanierung der Klier-Gruppe auf einem guten Weg“, betont denn auch Unternehmenschef Michael Melzer gegenüber der WirtschaftsWoche. „Die Kosten wurden im Rahmen des Schutzschirmverfahrens deutlich gesenkt“, so Melzer. „Die heutige Eröffnung des Verfahrens ist der nächste Schritt, um das Unternehmen zu stabilisieren und auf Kurs zu bringen“, ergänzt Sanierungsexperte Detlef Specovius, der das Unternehmen seit September als Chief Restructuring Officer (CRO) durch das Verfahren manövriert.

Specovius, Partner der auf Insolvenzverfahren spezialisierten Kanzlei Schultze & Braun, war zuletzt bei zahlreichen Rettungsmissionen als Sanierer an Bord, darunter bei den Modekonzernen Esprit und der Tom-Tailor-Tochter Bonita. Zuvor war Specovius bereits beim Schutzschirmverfahren der Fluglinie Condor als Generalbevollmächtigter involviert. Darüber hinaus begleitete er unter anderem die Werkstattkette A.T.U. und den Modehändler Sinn Leffers durch deren Restrukturierungen.

Die Klier-Gruppe passt ins Raster. Sie ist die größte deutsche Friseurkette, beschäftigt nach Unternehmensangaben rund 8500 Mitarbeiter und betreibt rund 1300 Salons in Deutschland. Daneben gibt es zahlreiche Filialen in weiteren Ländern Europas. Auch Marken wie Essanelle oder Super Cut gehören zu der Gruppe, die massiv unter den Auswirkungen der Coronapandemie gelitten hat. Schon Mitte April hatte das Unternehmen auf die Coronafolgen hingewiesen. In der Lockdown-Phase seien „der Klier Hair Group 100 Prozent der Einnahmen im physischen Geschäft weggebrochen“, hieß es damals gegenüber der WirtschaftsWoche. Auch der jüngste Teil-Lockdown trifft Klier. „Wir spüren, dass die Besucherzahlen in den Innenstädten und Einkaufszentren wieder sinken“, sagt Unternehmenschef Melzer. Die Situation sei zwar nicht vergleichbar mit dem Einbruch im Frühjahr, als sämtliche Salons über Wochen schließen mussten. „Gleichwohl werden wir im Dezember zunächst noch das Instrument der Kurzarbeit nutzen, um den Rückgang der Kundenzahlen aufzufangen“, kündigt Melzer an. „Wenn es besser läuft, können wir die Kapazitäten schnell wieder anpassen.“ In den vergangenen drei Monaten waren die Löhne über das Insolvenzgeld finanziert worden.

Familie Klier will an Bord bleiben

Offen bleibt indes, wie viele Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen. Einem Medienbericht über die Schließung von rund 450 Filialen widersprechen die Klier-Manager. „Wir verhandeln noch mit vielen Vermietern“, sagte Specovius. Insofern könne es noch gar keine belastbaren Angaben über die Zahl der Schließungen und Stellenstreichungen geben. „Es gibt sicherlich Filialen, die wir schließen müssen, weil sie sich schlicht nicht profitabel betreiben lassen“, so Specovius. Die meisten Standorte würden allerdings gut laufen, dort werde sich nichts verändern. Und dann gibt es eine Reihe von Filialen, die auf der Kippe stehen. „Wenn es für diese Standorte Zugeständnisse von Vermietern gibt, kann es dort durchaus weitergehen.“ 

Die Verhandlungen laufen bereits, seien aber „sehr volatil“, so Melzer. Insbesondere mit vielen kleineren Vermietern habe man bereits Fortschritte erzielt. „Gerade mit einigen größeren Immobilienunternehmen besteht allerdings auch noch erheblicher Gesprächsbedarf.“ Der Manager rechnet damit, dass sich die Verhandlungen „noch bis zum Ende des Verfahrens ins kommende Jahr ziehen“ werden.

Klier-Marken wie Essanelle, Super Cut, HairExpress und Styleboxx sollen zunächst weitermachen. „Die einzelnen Marken decken verschiedene Zielgruppen ab“, sagt Melzer. „Wir planen momentan nicht, ganze Markenkonzepte aufzugeben, die zur Gruppe gehören.“ Zu einem späteren Zeitpunkt müssten die Konzepte zwar eventuell geschärft werden, aber momentan „stehen für uns andere Themen auf der Agenda.“ 


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So soll in den kommenden Wochen ein Insolvenzplan bei Gericht eingereicht werden, der die Sanierungsbeiträge aller Beteiligten zusammenfasst und einen Weg aus der Krise bahnt. Das Grundgerüst für den Insolvenzplan steht bereits und wurde mit dem Gläubigerausschuss und dem Sachwalter Silvio Höfer, Partner der Kanzlei Anchor, abgestimmt. „In den nächsten Wochen werden wir die Inhalte konkretisieren und voraussichtlich Ende Dezember an das Gericht einreichen“, so Specovius. 

Die Gläubiger sollen dann am 25. Februar über die Annahme des Plans entscheiden. Stimmen sie zu, kann Klier weitermachen und das Insolvenzverfahren hinter sich lassen. Dabei könnte auch von der Eigentümerfamilie Klier weitere finanzielle Unterstützung kommen. „Die Klier Holding - und damit die Familie Klier - soll als Gesellschafterin an Bord bleiben“, bestätigt Specovius. Über die Finanzierung würden derzeit Gespräche geführt. „Alle Beteiligten sind aber überzeugt davon, dass ein klassischer Investorenprozess für die Unternehmensgruppe nicht sinnvoll wäre“, so Specovius.

Mehr zum Thema: Die Coronakrise ist die Stunde der Sanierungsexperten. Nun müssen sie zeigen, ob sie Unternehmen vor dem Kollaps bewahren können. 

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