Führungsstreit bei Linde Beim Gasehersteller kracht es

Langfristige Lieferverträge, ein solides Geschäftsmodell: Jahrelang segelte der Münchner Gasehersteller und Anlagenbauer geräuschlos dahin. Doch auf einmal kracht es mächtig im Gebälk des Unternehmens.

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Quelle: dpa Picture-Alliance

Georg Denoke gilt als einer der besten Finanzvorstände aller Dax-Konzerne. Der Betriebswirt aus dem niedersächsischen Northeim leitete in den Neunzigerjahren das Controlling beim damaligen Mannesmann-Konzern. Mit der Übernahme des Telekomgeschäfts durch Vodafone im Jahr 2000 wechselte Denoke zu dem britischen Telekomkonzern. Seit 2006 ist der 51-Jährige Finanzvorstand und Arbeitsdirektor beim Gasekonzern Linde. Will Denoke womöglich mehr? Schielt der Mann der Zahlen auf den Chefsessel und will Vorstandschef Wolfgang Büchele beerben?

Umsatz und operativer Gewinn der Linde AG weltweit

Das Verhältnis zwischen Büchele und Denoke sei schwer gestört, das Tischtuch zerschnitten, berichtete das „Handelsblatt“ in dieser Woche. Zuletzt hätten im Konzern Gerüchte die Runde gemacht, heißt es, der Aufsichtsrat werde Bücheles Vertrag, der im kommenden Mai ausläuft, nicht verlängern. Dabei will der Aufsichtsrat offenbar sehr wohl den Vertrag des Vorstandschefs verlängern. Darüber hinaus sei ein anonymer Brief herumgereicht worden, der Untreue-Vorwürfe gegen Büchele erhebt, berichtete das „Handelsblatt“.

Steckt hinter den Anschuldigungen womöglich Denoke? Schon Ende vergangenen Jahres, berichtet ein Eingeweihter, habe der Finanzvorstand aus seinem Bestreben, die Nummer eins bei Linde werden zu wollen, keinen Hehl gemacht. Damals hatte der Konzern mit einer Gewinnwarnung die Aktionäre geschockt. Der Kurs des Linde-Papiers brach ein, Denoke sah offenbar seine Chance gekommen, habe gehofft, Büchele würde über die Korrektur stolpern, heißt es. „Denoke musste dann vom damaligen Aufsichtsratschef Manfred Schneider zurück ins Glied geschickt werden“, berichtet der Eingeweihte.

Durchstechereien, Intrigen, Machtspiele: So etwas gab es schon bei Siemens; auch in Wolfsburg bedient man sich schon mal solcher Methoden. Doch Linde? Viele Beobachter reiben sich verwundert die Augen.

Der Konzern, der im vergangenen Jahr auf einen Umsatz von rund 18 Milliarden Euro kam und weltweit rund 65.000 Mitarbeiter beschäftigt, galt bislang als Hort der Stabilität und Solidität. Bücheles Vorgänger Wolfgang Reitzle, der im Mai dieses Jahres als Aufsichtsratschef zu Linde zurückkehrte, hatte während seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender aus dem Unternehmen durch gezielte Zu- und Verkäufe einen schlagkräftigen und hoch profitablen Konzern geformt. Das Gabelstaplergeschäft verkaufte Reitzle, in Großbritannien übernahm er den Gasekonzern BOC; mit dem Kauf von Lincare in den USA stieg Reitzle in großem Stil ins Geschäft mit medizinischen Gasen ein – angesichts des demografischen Wandels ein absoluter Wachstumsmarkt.

Lindes Geschäftsmodell ist vor allem deshalb so stabil, weil der Absatz von Industriegasen wie Acetylen, Sauerstoff oder Stickstoff – die tragende Säule des Geschäfts der Münchner – auf extrem lang laufenden Lieferverträgen mit den Kunden beruht. Der schwankungsanfälligere Anlagenbau trägt nur rund 18 Prozent zum Umsatz von Linde bei.

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