Fusion der Wohnkonzerne „Bei lokalen Märkten wird das Bundeskartellamt zweimal hinsehen“

Quelle: dpa

Es ist das zentrale Thema auf der Hauptversammlung der Deutsche Wohnen SE: Wird die Fusion mit Vonovia gelingen? Kartellrechtsexperte Martin Gramsch erklärt, welche Hürden das Kartellamt dem Deal noch auferlegen könnte.

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Martin Gramsch ist Experte für Kartell- und Wettbewerbsrecht im Düsseldorfer Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons. 

WirtschaftsWoche: Herr Gramsch, die Wohnkonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen wollen fusionieren. Könnte dieser Zusammenschluss noch am Bundeskartellamt scheitern?
Martin Gramsch: Das Bundeskartellamt wird den Zusammenschluss genau prüfen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dieser wieder freigegeben wird. Falls das Bundeskartellamt kartellrechtliche Probleme identifiziert, ist eher damit zu rechnen, dass eine Freigabe unter Auflagen anstelle eines Verbotes erfolgt.

Das Bundeskartellamt hat einen möglichen Zusammenschluss von Deutsche Wohnen und Vonovia bereits 2015 geprüft und grünes Licht gegeben. Was hat sich seitdem geändert, was nun zu einem anderen Ausgang der Prüfung führen könnte?
Das hängt im Wesentlichen von etwaigen weiteren Zukäufen oder sonstigen Vergrößerungen des jeweiligen Portfolios ab und ob sich dadurch die Marktanteile wesentlich vergrößert haben. Die Unternehmen werden die damalige Entscheidung sicherlich als Blaupause nutzen, um wieder eine Freigabe zu erlangen.

Martin Gramsch ist Experte für Kartell- und Wettbewerbsrecht im Düsseldorfer Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons.  Quelle: PR

Welche Hürden stehen der Fusion Vonovia/Deutsche Wohnen aus kartellrechtlicher Sicht entgegen?
Der wesentliche Gesichtspunkt ist, wie sich die Marktstruktur ändert oder vereinfacht ausgedrückt, wie hoch der Zuwachs an Marktanteilen durch die Transaktion ist. In der Vergangenheit hat das Bundeskartellamt den Markt für Wohnimmobilien als lokalen Markt, das heißt in der Regel auf ein Stadtgebiet oder das Stadtrandgebiet begrenzt, betrachtet. Daneben könnte das Bundeskartellamt noch eine enge Betrachtung anhand verschiedener Typen von Wohnungen wie etwa bestimmte Größenklassen, Ausstattung oder Mietpreisniveaus vornehmen. Immobilienmärkte weisen eine große Anzahl von Anbietern und damit Zersplitterung auf. Sollte es auf solchen lokalen Märkten zu gemeinsamen Marktanteilen kommen, die im Bereich 25 Prozent bis 30 Prozent oder mehr liegen, wird das Bundeskartellamt sicherlich zweimal hinsehen, da ein Zusammenschluss dann einen großen Player mit einem deutlichen Abstand zu den übrigen Wettbewerbern schaffen kann.

Sie sagen, dass Bundeskartellamt könnte auch nach der Betrachtung von Kategorien wie Größenklassen oder Ausstattung prüfen. Sollte es das Ihrer Meinung nach auch tun?
Das Bundeskartellamt hat einen Ermessensspielraum, wie die Marktdefinition vorgenommen wird. In der Vergangenheit wurde durchaus eine engere Betrachtung von Wohneinheiten im Bereich der Zwei- bis Drei-Zimmer-Mietwohnungen mit normaler Ausstattung erwogen. Für den Zusammenschluss bedeutet das, dass es nicht auf eine reine Betrachtung der Gesamtzahl an Wohneinheiten hinausläuft, sondern der Marktanteilszuwachs kleinteiliger betrachtet wird.

Gibt es Beispiele anderer Fusionen im Immobilienmarkt, wo das Kartellamt eingegriffen hat?
Reine Immobilientransaktionen waren bisher nicht im Fokus des Bundeskartellamtes, obwohl es in der Vergangenheit viele Anmeldungen gab. Problematische Fälle drehten sich in der Vergangenheit oft um den mit dem Grundstück verbundenen Geschäftsbetrieb etwa zuletzt bei der Übernahme von Real-Standorten durch Edeka oder bei Tankstellenstandorten. Vor einigen Jahren hatte sich das Bundeskartellamt intensiv mit der Übernahme der Gagfah durch die Deutsche Annington, aus der die Vonovia hervorging, auseinandergesetzt. Dieses wurde gleichwohl freigegeben, auch wenn es dort vereinzelt relativ große Marktanteile gab. 

von Melanie Bergermann, Max Haerder, Volker ter Haseborg, Niklas Hoyer, Andreas Macho, Christian Schlesiger, Harald Schumacher

Sie sagen, dass die Übernahme der Gagfah durch die Deutsche Annington genehmigt wurde, obwohl es große Marktanteile gab. Warum hat das Bundeskartellamt diesen Deal dennoch durchgewunken?
Hohe Marktanteile sind ein erster Anknüpfungspunkt für mögliche kartellrechtliche Bedenken. Damals beschränkten sich die größten Überschneidungen aber auf wenige Regionen und die Marktanteile in diesen lokalen Märkten blieben unterhalb von 40 Prozent, sodass das Bundeskartellamt zu der Schlussfolgerung kam, dass noch ausreichender Wettbewerb verblieb.

Kritiker sagen, dass die Kontrolle durch das Bundeskartellamt zu zahnlos wäre, auch weil eine Prüfung meist erst erfolgt, wenn der Marktanteil der Unternehmen über 40 Prozent liegt. Ist die Prüfung des Bundeskartellamts zu lasch?
Grundsätzlich ist die Zielrichtung der Fusionskontrolle, das Entstehen von Marktmacht oder schädlichen Marktstrukturen zu verhindern. Gleichzeitig sollen möglichst wenige Unternehmenstransaktionen beschränkt werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Kontrolle des Kartellamtes. Der Marktanteil von 40 Prozent ist eher eine Art von Faustregel, da das Bundeskartellamt einschreiten kann, wenn „wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde“. Das gesetzliche Kriterium erlaubt daher eine gewisse Flexibilität bei der Prüfung. Gerade auf zersplitterten Märkten wie dem Immobilienmarkt ist denkbar, dass dies auch unterhalb von 40 Prozent Marktanteil angewendet werden könnte, insbesondere wenn der Abstand zu den nächsten Wettbewerbern deutlich ausgebaut wird. Gleichwohl muss sich das Bundeskartellamt im gesetzlich vorgegebenem Prüfungsrahmen bewegen. Dieser kann aber nicht unendlich ausgedehnt werden, da man dann den grundsätzlichen Ansatz und die Kriterien des Kartellrechts verlassen würde. Etwaige Probleme, die man politisch mit großen Transaktionen im Immobilienbereich etwa im Bereich des Mieterschutzes sieht, sollten daher mit anderen Mitteln, außerhalb des Kartellrechts, gelöst werden.

Vonovia kündigte bereits an, möglicherweise gewisse Assets zu verkaufen, um keine kartellrechtlichen Probleme zu bekommen. Welche Assets von Vonovia beziehungsweise Deutsche Wohnen könnten das sein?
Die genauen Assets sind nur den Unternehmen bekannt. Es wird aber kolportiert, dass ein Portfolio von 20.000 Wohneinheiten an das Land Berlin veräußert werden soll. Üblicherweise würden Unternehmen eine Veräußerung solcher Assets anbieten, die in regionalen Märkten liegen, in denen eine große Überschneidung vorliegt.

Wie lange wird die Prüfung der Fusion Deutsche Wohnen-Vonovia durch das Bundeskartellamt voraussichtlich dauern?
Das Bundeskartellamt hat eine Frist von einem Monat, um zu einer vorläufigen Einschätzung zu gelangen. Falls das Bundeskartellamt eine vertiefte Prüfung für notwendig erachtet, verlängert sich der Zeitraum. Eine vertiefte Prüfung dauert weitere vier Monate, wobei es etwa durch Zustimmung der Unternehmen auch Möglichkeiten zur Fristverlängerung gibt.

Mehr zum Thema: Durch die Übernahme der Deutschen Wohnen baut Rolf Buch Europas größten Wohnungskonzern. Doch das macht den Vonovia-Chef abhängig vom Regulierungseifer der Politik.

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