Fusion mit Tui Travel Tui wird zum größten Touristikkonzern der Welt

Tui-Chef Friedrich Joussen ist seinem Ziel, Europas größten Tourismuskonzern zukunftsfest zu machen, einen Schritt näher gekommen. Durch die Fusion mit Tui Travel könnte der größte Touristikkonzern der Welt entstehen.

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Gewinner: TUI-Chef Joussen soll den Konzern ab Februar 2016 allein führen. Quelle: dpa

Bisher leistete sich Europas größter Ferienkonzern eine aufwendige Doppelstruktur: Die TUI AG als Holding und Muttergesellschaft hat ihren Sitz in Hannover, die britische 54-Prozent-Tochter TUI Travel plc ist in Crawley südlich von London in der Nähe des Flughafens Gatwick ansässig.

Die renditestarken Hotelbeteiligungen und der Kreuzfahrtbereich liegen in der Holding, die auch die Minderheitsbeteiligung an der Containerreederei Hapag-Lloyd verwaltet. Das umsatzstarke, aber eher margenschwache Veranstaltergeschäft, die konzerneigenen Airlines, die Reisebüros und alle Unternehmen, die die Urlauber an ihren Ferienorten betreuen, werden von der Tochter gesteuert.

Zahlen zu Vergleichsportalen der Reiseanbieter

Die Zweiteilung ist ein Geburtsfehler. Als TUI im Frühjahr 2007 den britischen Wettbewerber First Choice Travel übernehmen wollte, reichte das Geld der Deutschen nicht, um das gesamte Unternehmen zu kaufen. Als Notlösung wurde First Choice Travel in TUI Travel umfirmiert und nur gut zur Hälfte von der TUI AG übernommen. Die übrigen 46 Prozent der Aktien blieben bei den früheren First-Choice-Eigentümern.

Die Parallelunternehmen in Deutschland und Großbritannien kosten allerdings unnötig Geld und verursachen Reibungsverluste. Nicht nur viele Zentralfunktionen wie die Personalabteilung, die Buchhaltung oder die IT sind doppelt vorhanden, das Konstrukt leistet sich auch zwei komplette Vorstände.

Mit der Übernahme der restlichen 46 Prozent der britischen Tochter durch die Holding in Hannover sollen Doppelspitze und Doppelfunktionen auf der Insel entfallen. Zugleich erfolgen eine Straffung des Konzerns und eine Konzentration auf das Kerngeschäft: Die von TUI Travel in Großbritannien betriebene Online-Plattform Hotelbeds zur Vermittlung von Hotelbetten an nicht zur TUI gehörende Reiseveranstalter soll verkauft werden, ebenso etliche touristische Spezialangebote der britischen Tochter, wie etwa die Vercharterung von Segelyachten.

Später will sich der Konzern auch von dem noch verbliebenen 22-Prozent-Anteil an der Hamburger Containerreederei Hapag-Lloyd trennen. Die Luxus-Kreuzfahrtsparte Hapag-Lloyd Kreuzfahrten mit vier kleineren Musikdampfern könnte anschließend gemeinsam mit der als 50-Prozent-Joint-Venture mit der US-Kreuzfahrtreederei Royal Caribbean betriebenen TUI Cruises in einer neuen TUI-Kreuzfahrtsparte organisatorisch zusammengefasst werden.

Reiserückblick

Bei der Komplettübernahme soll kein Geld fließen, geplant ist ein Aktientausch. Die Minderheitsaktionäre von TUI Travel sollen für jede Alt-Aktie 0,399 neue TUI-AG-Aktien bekommen. Die Transaktion hat ein Gesamtvolumen von rund 3 Milliarden Euro, eine zusätzliche Prämie für die britischen Aktionäre ist aber nicht vorgesehen.

Finanzieren will die TUI AG in Hannover den Deal durch eine Kapitalerhöhung. Der fusionierte Konzern soll als Aktiengesellschaft nach deutschem Recht von Vorstand und Aufsichtsrat geführt werden und seinen Sitz in Deutschland haben. Die Aktie soll aber nicht mehr im deutschen MDax, sondern im FTSE 100 gelistet werden, dem Premiumsegment der Londoner Börse und Pendant zum Dax in Deutschland. Eine zusätzliche Notierung an der Börse in Frankfurt ist für später vorgesehen, um auch die Interessen der deutschen Aktionäre zu berücksichtigen.

Mit der Fusion entfällt der Doppelvorstand, künftig gibt es bei der TUI nur noch ein Führungsgremium. 2015, im ersten Jahr nach der Übernahme, wollen TUI-AG-Chef Friedrich Joussen und TUI-Travel-Boss Peter Long sich den Chefposten noch als Co-Vorstände teilen. Von Februar 2016 an ist Joussen Alleinherrscher. Long wechselt dann in den Aufsichtsrat und übernimmt dort den Vorsitz vom langjährigen Chef-Aufseher Klaus Mangold.

Joussen wird damit zum starken Mann des neuen Konzerns, der gleichzeitig zum größten integrierten Tourismusunternehmen der Welt aufsteigt. Joussen wie Long haben zwar immer wieder betont, wie gut sie miteinander könnten. Klar war aber auch, dass ein Nebeneinander der beiden Alphatiere auf Dauer nicht funktionieren würde. Eindeutiger Gewinner des Machtkampfs ist darum Joussen, Long ist der Verlierer, auch wenn dessen Wechsel an die Aufsichtsratsspitze das etwas kaschiert: Long wird dann zum Oberaufseher Joussens und damit formal zu dessen Chef, für Strategie und Tagesgeschäft ist dann aber der ehemalige Vodafone-Boss zuständig.

Zusammenlegung dürfte Jobs kosten

Longs Machtverlust wird durch die Aufgabenverteilung in der Übergangsphase deutlich, in der beide offiziell gleichberechtigt sind: Joussen kümmert sich um die Konzernstrategie und das Tourismuskerngeschäft, Long darf die zum Verkauf stehenden Randaktivitäten abwickeln. Und noch jemand kann sich als Gewinner des Deals fühlen und dürfte späte Genugtuung empfinden: der häufig glücklos agierende Joussen-Vorgänger Michael Frenzel – genau dessen Vision vom vertikal voll integrierten Tourismuskonzern wird jetzt vollendet.

Künftige Struktur des Tourismuskonzerns TUI AG (Für eine detaillierte Ansicht, klicken Sie bitte das Bild an.)

Die direkten Synergien sind überschaubar: Durch die Zusammenlegung der Doppelfunktionen und die Straffung der Konzernstrukturen spart das Unternehmen Kosten von mindestens 65 Millionen Euro jährlich, und das nach den Berechnungen drei Jahre lang. Hinzu kommen steuerliche Vorteile, die sich auf Basis des vergangenen Geschäftsjahres auf weitere 35 Millionen Euro addieren. Gegengerechnet werden müssen allerdings einmalige Integrationskosten etwa für Abfindungen von rund 45 Millionen Euro.

Das Hauptargument für die Zusammenlegung der beiden TUI-Teile sind darum auch nicht so sehr die Kosteneinsparungen, sondern die zusätzlichen Wachstumsimpulse. Die sollen sich vor allem aus einer besseren Verkaufssteuerung durch den eigenen Vertrieb sowie eine höhere Auslastung der eigenen Hotels und Fluglinien durch die konzerneigenen Reiseveranstalter ergeben. Damit wäre das bei der TUI-Gründung formulierte Ziel, auf jeder Stufe der touristischen Wertschöpfungskette Geld zu verdienen, endlich erreicht.

Starke Marken, unsichere Jobs

Allerdings dürfte die Zusammenlegung der Doppelstrukturen Jobs kosten. Davon betroffen sein dürften aber eher die Mitarbeiter am bisherigen TUI-Travel-Sitz in Crawley als die in Hannover. Der Grund: Die Konzernzentrale in Niedersachsen hat das von Joussen verordnete Spar- und Sanierungsprogramm oneTUI schon hinter sich. Vor allem durch Personalabbau konnten die Kosten der Zentrale von früher 73 auf weniger als 45 Millionen Euro gesenkt werden. In Großbritannien steht das noch aus. Joussen hat gegenüber Investoren angekündigt, dass er oneTUI auf TUI Travel ausdehnen wird.

Häufig werden die positiven Folgen bei Firmenübernahmen zu optimistisch eingeschätzt. Diese Gefahr ist bei der TUI aber weniger groß: Die direkten Synergien sind eher vorsichtig kalkuliert. Auch die steuerlichen Effekte und die erhofften Auswirkungen auf Umsatz und Rendite sind wohl einigermaßen realistisch, zumal die Auslastung der bisher in der AG angesiedelten konzerneigenen Hotelkapazitäten durch die bei der britischen Tochter zusammengefassten Veranstalter nicht optimal war.

Der vereinte Konzern kann die starken Marken vieler TUI-Angebote besser nutzen. Die erfolgreiche Kreuzfahrtmarke TUI Cruises mit ihren heute drei und ab nächstem Jahr vier Schiffen etwa wird bisher nur in Deutschland verkauft, hätte aber auch in anderen Märkten Chancen. Die Expansion von TUI Cruises in andere Märkte ist wahrscheinlich, zumal eine Aufstockung der Flotte auf zwölf Schiffe ausschließlich für den deutschen Markt ziemlich mutig wäre. Hinzu kommt: Auch die britische Tochter hatte schon Kreuzfahrtschiffe im Programm, die allerdings wegen ihres Alters dringend ersetzt werden müssen.

Dennoch stehen alle Wachstumsprognosen unter einem Generalvorbehalt: Die Ferienindustrie floriert nur in einer halbwegs friedlichen Welt. Regional begrenzte Einbußen durch politische Konflikte wie jetzt in Nahost oder der Ukraine lassen sich ausgleichen, weltweite Krisen etwa durch Terroranschläge wie die vom 11. September 2001 aber nicht. Auch eine allgemeine Abkühlung des weltpolitischen Klimas wäre eher wachstumsfeindlich.

Glaubt man den überwiegend begeisterten Kommentaren der Aktienanalysten, dann dürfte zuletzt etwas abgeflaute Begeisterung der Aktionäre für das TUI-Papier nach dem erfolgreichen Zusammenschluss wieder zurückkehren. Das Kursziel sehen die meisten Analysten bei etwa 15 Euro, die meisten empfehlen das Papier weiter zum Kauf. Den in den vergangenen Jahren nicht gerade verwöhnten Aktionären der AG soll die Fusion mit einer Art Morgengabe versüßt werden: Während sie ursprünglich für das laufende Geschäftsjahr keine Dividende bekommen sollten, hat Joussen ihnen jetzt eine mehr als doppelt so hohe Zahlung von 33 Cent pro Aktie versprochen.

Von den deutschen TUI-AG-Eignern ist darum vermutlich kein ernsthafter Widerstand zu erwarten, auch der russische Oligarch und Severstal-Chef Alexei Mordaschow hat bereits grünes Licht gegeben. Über seine S-Group Travel Holding ist er mit einem Anteil von 25 Prozent größter TUI-Einzelaktionär. Der norwegische Reeder John Fredriksen, früher das Enfant Terrible vieler TUI-Hauptversammlungen, hat seine Anteile verkauft. Zustimmen muss jetzt nur noch die Mehrheit der britischen TUI-Travel-Aktionäre.

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