Fußball-EM Wie „Fridays for Future“ Fußball verändert – und das Sponsoring

Fußballfieber: Während manche Fans zur Fußball-EM wie hier in Essen ganze Straßen schmücken, kritisieren andere Anhängerinnen und Anhänger eine Entfremdung durch Eliteclubs und Führungskrisen.   Quelle: dpa

Am Dienstag startet die Nationalmannschaft in die Fußball-EM. Doch die Ekstase hat ihre Grenzen. Führungskrisen und Eliteclubs befeuern eine Entfremdung zu den Fans. Künftig muss der Fußball mehr bieten als Tradition und Tabellenstand. Ein Gastbeitrag.

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Jana Bernhard ist Geschäftsführerin von S20 – The Sponsor’s Voice, der Interessenvertretung der namhaftesten Sponsoren Deutschlands. Katja Kraus ist ehemalige deutsche Fußball-Nationalspielerin, Vize-Weltmeisterin und Europameisterin. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin der Sportmarketingagentur Jung von Matt/Sports und Mitglied der Deutschen Akademie für Fußballkultur. 

Mit der Fußballeuropameisterschaft beginnt ein Fest für Europa. Erstmals werden die Spiele ausgetragen auf dem gesamten Kontinent, sehnsüchtig wird das gesellschaftsverbindende Großereignis nach der Coronakrise erwartet – und doch wirkt die Ekstase verhalten. Nicht nur Fans und Zuschauer, sondern auch Sponsoren und Wirtschaftspartner äußern sich zunehmend kritischer. Denn der Fußball steckt in einer Glaubwürdigkeitskrise.

Nicht nur, weil Vorstöße wie die Gründung einer europäischen Super-League durch finanzkräftige Eliteclubs mehr sind als eine Instinktlosigkeit von Funktionären – sondern weil sie eine Entwicklung aufzeigen, die von mangelnder Sensibilität geprägt ist für die fußballliebenden Menschen und das Spiel.

Der DFB beschäftigt sich mit seiner eigenen Führungskrise

Weil Haltung und Verhalten von einigen der ranghöchsten Vertreter des Fußballs nicht reflektieren, was junge Menschen in Tausenden Fußballvereinen täglich lernen: die Sache in den Vordergrund zu stellen. Und wie wichtig es in einer Gemeinschaft ist, Regeln zu akzeptieren und respektvoll miteinander umzugehen.

Der Deutsche Fußball Bund (DFB) beschäftigt sich seit Jahren mit der eigenen Führungskrise. Interne Machtkämpfe und Beharrungskräfte nehmen deutlich mehr Raum ein als die dringend notwendige Auseinandersetzung mit der Zukunft des Fußballs – und mit den Belangen derjenigen, die in den Vereinen oder auf dem Parkplatz um die Ecke Fußball spielen oder deren Freizeit sich um die Bundesligakonferenz herum gestaltet.

Die Zeichen der Entfremdung hat auch die DFL, die deutsche Fußball Liga, nicht erst während der Coronapandemie erkannt. Sie hat deshalb eine Taskforce „Zukunft Profifußball“ ins Leben gerufen, um Wege aus der Krise zu finden. Das gemeinsame Fundament war über die verschiedenen Interessensgruppen hinweg schnell definiert: Der Fußball muss wieder die gesamte Gesellschaft repräsentieren, wenn er nachhaltig zukunftsfähig sein will. Oder umgekehrt: Der Fußball muss die Themen wahr- und wichtig nehmen, die eine vielfältige Gesellschaft im Wandel beschäftigt.

Viel zu lange waren sich Entscheidungsträger zu sicher, sie haben sich am rasanten Wachstum in die Breite gefreut – dabei aber nicht realisiert, dass Tiefe verloren geht, dass sich Freizeitverhalten und Loyalität verändern. Dass es für Verbundenheit längst mehr braucht als Tradition und den Tabellenstand. Sondern eine Haltung, mit der sich die Menschen identifizieren können – und wollen: Bekenntnisse zu Nachhaltigkeitszielen, Diversität und der Achtung von Menschenrechten. Viele der Unternehmen, die im Fußball engagiert sind, haben sich längst anspruchsvolle Ziele gesetzt und Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen (Ökologie, Ökonomie und Soziales) als Zukunftsthema priorisiert.

Antworten auf neue Ansprüche finden  

Die Entwicklung wird insbesondere geprägt durch junge Menschen. Sie sind es, die „Fridays for Future“ starteten oder die für den Veggieboom verantwortlich sind. Ihre eher distanzierte Haltung gegenüber Konsum wird für weitere Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft sorgen. Unternehmen und Marken müssen überzeugende Antworten auf die Ansprüche der Konsumenten und auch der Mitarbeiter finden. Das führt bei den Unternehmen zu einem grundlegenden Umdenken in Bezug auf Aspekte wie Klimaschutz, Diversität oder Mitarbeiterrechte.

Das Umdenken der Unternehmen hat Einfluss auf den professionellen Sport. Will ein Unternehmen glaubwürdig sein in dem Anspruch, nachhaltig und verantwortungsvoll zu agieren, muss sich dies auch im Sponsoring widerspiegeln. Bei Auswahl, Planung und Umsetzung von Engagements spielen diese Aspekte inzwischen eine bedeutsame Rolle.


Verbände, Ligen und Clubs haben dies erkannt und setzen verstärkt auf Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung. Damit reagieren sie sowohl auf die Ansprüche der Sponsoren als auch der Konsumenten und Investoren. Die Veränderungsgeschwindigkeit muss erhöht werden. „Responsible Sponsoring“ heißt das Engagement, bei denen Rechtehalter und Sponsor nachhaltig und verantwortungsvoll handeln, gleichzeitig unternehmerische Ziele berücksichtigen und glaubwürdig sind.

Der Fußball braucht ein neues Führungsverständnis 

Unternehmen haben als zweitgrößter Geldgeber im Sport eine enorme Wirkungskraft. Sie können ihre Erfahrung als Sponsoren einbringen, um ein Umdenken bei Verbänden und Clubs zu forcieren. Voraussetzungen dafür sind zeitgemäße Governancestrukturen und neue Führungskräfte, die den Herausforderungen der Zukunft nicht mit Lösungen der Vergangenheit begegnen.

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Es braucht unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen, dafür müssen aber Kompetenzen anerkannt werden, die nicht unbedingt auf dem Fußballplatz erworben wurden. Entwicklung benötigt Impulse aus verschiedenen Bereichen – auch deshalb braucht der Fußball mehr Frauen in Führung.

40 Prozent der Fußballfans sind weiblich. Gemischte Teams verbessern das Ergebnis und die Kultur. Der Fußball kann und muss einen Beitrag leisten für eine gerechtere, nachhaltige Welt.

Mehr zum Thema: Überschattet durch die Coronakrise ist das öffentliche Interesse an der Fußball-EM gering. Man hätte das Turnier wohl ruhigen Gewissens absagen können – wenn da nicht die mächtige UEFA wäre.

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