
Sprengen, einfach nur sprengen – wer dieser Tage an den Fifa-Bunker auf den Hügeln oberhalb von Zürich denkt, muss sich vor Gewaltfantasien hüten. Das ist nicht leicht, denn der Weltfußballverband weckt nicht nur bei Fans des Sports seit Jahren Aggressionen. Zu ungeheuerlich ist die lange Liste an Skandalen, die die selbstverliebte Truppe um den noch amtierenden Präsidenten Joseph Blatter in den vergangenen 30 Jahren angehäuft hat, fett gemästet durch Sponsoren- und Fernseh-Milliarden.
Doch jetzt bloß einen Krater auf dem Sonnenberg anzulegen, würde wenig nützen. Schließlich ist der Fußball noch immer weltweit der beliebteste Sport. Gerade jetzt braucht er eine vernünftige Organisation, die endlich verlässlich, fair und nachvollziehbar handelt. Damit das geschieht, kann es nur einen Weg geben: Die Fifa gehört zerschlagen.
Die Fakten zum FIFA-Skandal
Mehr als zehn Personen werden im neuen Fußball-Skandal um den Weltverband FIFA vom US-Justizministerium beschuldigt. Ihnen wird unter anderem organisiertes Verbrechen, Überweisungsbetrug und verschwörerische Geldwäsche und die Teilnahme an Korruption im internationalen Fußball zur Selbstbereicherung zur Last gelegt.
Loretta E. Lynch steht schon seit ihrer Zeit als New Yorker Staatsanwältin an der Spitze der Ermittlungen in den USA gegen die verdächtigten FIFA-Mitglieder. Die 55-Jährige ist mittlerweile Justizministerin der Vereinigten Staaten. Sie hat den Posten erst im vergangenen Monat übernommen, war am 27. April vereidigt worden. Lynch, im November vergangenen Jahres von US-Präsident Barack Obama vorgeschlagen, ist die erste Afroamerikanerin in diesem Amt.
Die Fédération Internationale de Football Association - kurz FIFA - wurde 1904 in Paris gegründet. Mittlerweile ist die FIFA auf 209 Mitglieder aus sechs Kontinental-Konföderationen angewachsen. Größte Einnahmequelle ist die alle vier Jahre ausgerichtete Fußball-WM mit einem Umsatz von rund fünf Milliarden Dollar. Höchstes Gremium ist der jährliche Kongress, die Vollversammlung aller Mitgliedsverbände. Der Kongress wählt alle vier Jahre den Präsidenten. Künftig bestimmt der Kongress auch den WM-Gastgeber - eine Folge der Korruptionsvorwürfe rund um die WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022. Bislang war das Exekutivkomitee dafür verantwortlich. Es ist die sogenannte Regierung der FIFA.
Statt aus einer einzigen Organisation - die angesichts der gigantischen Beträge, um die es beim Kicker-Business längst geht, niemals frei sein wird von Schiebereien und Gemauschel - sollte sie aus zwei voneinander unabhängig handelnden Einheiten bestehen. Vorbild könnte die Trennung von Deutschem Fußballbund (DFB) und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) sein. Der DFB kümmert sich um den Amateurbereich und legt die Regeln fest. Die DFL betreibt den Fußball als Geschäft und verkauft etwa die Fernsehrechte für teuer Geld an Medienunternehmen.
FIFA-Skandale unter Sepp Blatter
Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50.000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist.
Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL.
Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte.
Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt.
Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium.
Lange schien es, als könne der Katarer Mohamed bin Hammam Blatter bei der Wahl 2011 tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend.
Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40.000 Dollar pro Verband – und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten.
Der Umgang mit von Millionen Fans begehrten WM-Tickets im Exekutivkomitee war schon häufig lax. Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900 000 Dollar Provisionen ein.
Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben.
2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona.
Analog dazu sollte die Fifa quasi als Uno des Fußballs ihren 209 nationalen Verbänden Stimme und Sitz geben und Entwicklungsarbeit betreiben. Auf der anderen Seite sollte eine professionelle Organisation stehen, der kommerzielle Arm, der über einen öffentlich und transparent festgelegten Schlüssel die Fifa finanziert. Der Sportwissenschaftler Stefan Szymanski hat dazu bereits die Gründung einer „World Cup Inc.“ angeregt, eines womöglich sogar börsennotierten Unternehmens, das nach den Regeln der Corporate Governance geführt und überwacht wird.
Hauptprodukt der World Cup Inc. wäre die Fußball-Weltmeisterschaft, für deren Finanzierung das Unternehmen in öffentlicher Ausschreibung Sponsoren akquiriert. Auch die Festlegung des Ausrichterlandes muss aufgrund nachvollziehbarer Kriterien geschehen; Gemauschel, Geschacher und Geld-Kuverts, die nächstens unter Hotelzimmertüren hindurchgeschoben werden, gehören ins Abseits gestellt.
Doch damit das Turnier seinen sportlichen Reiz und seine Attraktivität für Fans weltweit behält, sollte es nicht noch weiter zum Kommerzspektakel aufgeblasen werden. Darum sollte World Cup Inc. ähnlich wie bei Olympischen Spielen komplett auf Bandenwerbung in den WM-Stadien verzichten. Auch ohne sie baut der Fußball McDonald’s, Adidas, Coca-Cola und Visa alle vier Jahre eine gigantische Bühne.
Gerade die Sponsoren, die das mafiöse Treiben in Zürich jahrzehntelang durch ihre Millionen finanziert haben, sollten ein hohes Interesse daran haben, dass der Fußball auf höchster Ebene endlich sauber wird. Und das geht nur mit einer sauberen Trennung.