Rock- und Popmusik rieselt aus den Lautsprechern. Birkenstämme zieren das dezent beleuchtete Lokal. Die Wandtapete vermittelt die Illusion eines lichten Waldes. Auf groben Presspanplatten stehen schlichte schwarze Holztische. Ketchup- und Mayoflaschen stehen in ausgehöhlten Birkenholzscheiben. Auf dunklem Filz sitzen überwiegend junge Gäste. Sie schätzen offenbar ein Ambiente, das dem Cocooning-Bedürfnis eines finnischen Braunbären im Winter entsprechen dürfte. Und dann erzählt die Speisenkarte auch noch die Geschichte vom "Hans im Glück". In der Kölner Innenstadt bietet die gleichnamige Burger-Kette einen "Rückzugsort aus dem alltäglichen Stress", hofft Geschäftsführer Oliver Merches.
Walnussbratling statt Fleischklops
Merches liegt mit "Hans im Glück" offenbar im Trend. 22 Burgergrills hat die Münchner Franchisekette seit 2010 eröffnet. Bis Ende des Jahres sollen es 30 Restaurants sein, 2015 sogar 50. Im Schnitt setzt jeder Grill 2,4 Millionen Euro im Jahr um. Die Hans im Glück Franchise GmbH hat 2013 ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr auf rund 43 Millionen Euro verdreifacht.
Und "Hans im Glück" bekommt Gesellschaft. Bundesweit entstehen Alternativen zu den traditionellen Frikadellen-Bratereien. "Better Burger"-Läden schießen aus dem Boden. Bei "Hans im Glück" stehen nicht nur Rindfleisch- und Hähnchenbrust-Burger auf der Speisenkarte, sondern auch brotlose und vegane Alternativen. Wem es wirklich schmeckt, kann sein Stück Fleisch dann mit Sprossen und Schnittlauchsoße genießen. Oder bestellt sich gleich einen "Walnussbratling mit Heumilchkäse".
Immer mehr Konkurrenten bemühen sich, dem Platzhirsch McDonalds Kunden mit dessen 70 Prozent Marktanteil Kunden abzujagen. Pizza-Lieferdienste beispielsweise geben mächtig Gas. Joey’s Pizza Service, mit 210 Betrieben Marktführer in Deutschland, konnte 2013 den Umsatz um fast sieben Prozent auf 128 Millionen Euro steigern. Seit März finden sich dort auch diejenigen Kunden wieder, die nicht nur Pizza und Pasta suchen, sondern Tiramisu "ganz ohne Gelatine und Alkohol" (Eigenwerbung). Bäcker bieten Imbisse für die Mittagspause der gestressten Anzug- und Schlipsträger. Ketten wie Backwerk und Back Factory verkaufen längst nicht mehr nur trockene Brötchen und Brotlaibe. Belegte Brötchen, Snacks und Getränke sollen ebenfalls den Umsatz ankurbeln.
Lust auf lokales Rindvieh
Besonders alarmierend für McDonalds & Co: Zunehmend attackieren Wettbewerber die etablierten Bulettenbrater ausgerechnet in deren Stammgeschäft – dem Hamburger. Dazu zählt "Hans im Glück" ebenso wie das Einzelgeschäft "Richie `n Rose" in Düsseldorf. "Lieber Klasse als Masse" ist das Motto des geschäftsführenden Gesellschafters Markus Franz Müller, der das Lokal seit 2013 mit dem ehemaligen Koch eines Düsseldorfer Nobelrestaurants führt. Die Gäste werden zwar vor einer unverputzten Ziegelsteinmauer an rustikalen Holztischen und auf Gestühl abgefertigt, dass auch russische Militärbasen schmückt. Zwischen den Brötchen-Hälften landen aber ausschließlich "lokale Rindviecher, die man am Ende des Tages auch wirklich essen möchte", verspricht Müller.
Bratwurst war gestern
"Schnell und unkompliziert Essen gehen und dabei qualitativ hochwertige Produkte konsumieren" – diesem Trend folgt auch die in Norddeutschland etablierte Premium-Burgerkette Jim Block. Bei neun Lokalen in Hamburg, Hannover und Berlin soll es jedenfalls nicht bleiben. Ende des Jahres öffnet ein weiterer Genusstempel in Hamburg, bis 2020 will die Kette ganz Deutschland mit 30 Restaurants abdecken. Verhandlungen über weitere Standorte in Berlin laufen bereits. Das Lebensmotto des Gründers Eugen Block aus den 1970er Jahren ("Der Burger ist die Bratwurst von morgen!") wird mit dem Zeitgeist weiter entwickelt: Zu den elf verschiedenen Jim-Block-Burgern zählt seit kurzem eine Bulette, die außer Zwiebeln und Tomaten vor allem Falafel enthält.
Der TÜV inspiziert die Küche
Der Zeitpunkt für den grünen Angriff auf die etablierten Frikadellenröster scheint günstig. Burger King, das gerade für gut elf Milliarden Dollar den kanadischen Konkurrenten Tim Hortons übernimmt, leidet in Deutschland noch immer unter den Folgen eines TV-Berichtes. Dessen Thema: schlechte Arbeitsbedingungen und Hygienemängel. Zwar registriert das Unternehmen schon wieder "Verbesserungen anhand der Gästezahlen und des Umsatzes", räumt aber selbstkritisch ein: "Wir haben noch Weg vor uns."
Das Unternehmen lässt daher den TÜV Süd seine Filialen prüfen und lud Mitte August als vertrauensbildende Maßnahme interessierte Gäste zur Besichtigung von Counter und Küche. Das scheint auch nötig zu sein. Im zweiten Quartal gingen die Burger-King-Umsätze weltweit um gut sechs Prozent auf 261 Millionen Dollar zurück. Während die Geschäfte in der Türkei, Großbritannien und Spanien erfreulich liefen, vermerkte der Quartalsbericht für Deutschland kurz und bündig "Schwächen".
Auch McDonalds, mit rund 1470 Restaurants noch immer Deutschlands größter Gastronom, hat schon bessere Zeiten erlebt. 2013 interessierten sich weniger Gäste für Big Mac und Cheeseburger als im Vorjahr, und auch der Umsatz litt. Im zweiten Quartal schaffte der Burger-Gigant weltweit beim Umsatz noch ein mageres Wachstum von einem Prozent auf 7,2 Milliarden Dollar. Während Großbritannien und Frankreich der Zentrale in Oak Brook bei Chicago solide Zahlen meldeten, zeigte das Geschäft zwischen Flensburg und Garmisch eine "anhaltende Schwäche", wie das Unternehmen einräumt.
Glückliche Rinder und Kartoffeln aus der Region
Für den Deutschen-Türken Selim Varol, der 2013 sein erstes "Whats Beef" Lokal in der Düsseldorfer Innenstadt eröffnet hat, kommt diese Entwicklung nicht überraschend. "Die Industrie hat den Gastronomie-Gedanken ad absurdum geführt", behauptet Varol, in dessen Küche Tiefkühlprodukte verpönt sind: "Der Trend geht bei Burgern eindeutig zur Individual-Gastronomie".
Varols Kartoffeln kommen aus Kaarst am Niederrhein, und die Rinder toben bis zu ihrem jüngsten Tag in Tönisvorst nahe der niederländischen Grenze über die Weide. Deren Fleisch wird vor den Augen der Gäste durch den Wolf gedreht, und die Brötchen bräunen im eigenen Backofen.
Dass seine Burger teurer sind als die von McDonalds und Burger King ist für Varol klar: "Jeder Mensch versteht, dass man für gutes Essen mehr Geld ausgeben muss." Im laufenden Jahr will Varol, der sich von Gourmet-Burger-Bratern in New York inspirieren ließ, das nächste Lokal in Köln eröffnen. Dort konkurriert er dann um die Kundschaft der "Fetten Kuh", die in der Südstadt – join the crowd – für "ehrliche Burger" wirbt. Binnen fünf Jahren will Varol deutschlandweit 15 Restaurants nach seinem Konzept aufziehen. Das nächste soll in Hamburg öffnen.
Salat als Garnitur
Auch Starbucks kommt an dem Trend für den gesunden Snack nicht länger vorbei. Die Kaffeehauskette legte Ende Juli für das dritte Quartal ein Umsatzwachstum von elf Prozent auf 4,2 Milliarden Dollar und einen Gewinnsprung um 25 Prozent auf 769 Millionen Dollar hin. Mit Kaffee und Muffins allein geben sich viele Kunden aber längst nicht mehr zufrieden.
In Österreich und der Schweiz bekommen Kunden bereits "vegane Weckerl", die also keine tierischen Bestandteile enthalten. Zwischen Amsterdam und Vlissingen können Kunden veganen Salat bestellen. In deutschen Starbucks-Läden steht seit diesem Sommer ein veganes Ciabatta auf der Speisenkarte. Das Weizenbrötchen erhält eine Lage Gemüse mit Guacamole und kommt mit Salatblättern garniert auf den Tisch. "Unsere Gäste fragen vermehrt nach veganen Snacks", bestätigt eine Unternehmenssprecherin, "in Zukunft möchten wir unser veganes Angebot weiter ausbauen."
Ihren Kaffee können Starbucks-Kunden mit ausgeprägter Abneigung gegen Milch von der Kuh schon seit Jahren mit Milch aus Sojabohnen färben.