Das Geschäftsmodell von Flightright scheint zu funktionieren: Allein im vergangenen Jahr ist die Mitarbeiterzahl laut Janetzke von rund 40 auf 80 gestiegen. Der Umsatz hat sich demnach ebenfalls verdoppelt und das Unternehmen soll profitabel arbeiten. Mit konkreten Zahlen aber ist der Geschäftsführer zurückhaltend. Seine Begründung: Der Wettbewerbsdruck in der Branche sei enorm hoch.
Neben Flightright will sich eine ganze Armada an Rechtsdienstleistern im Namen der Passagiere mit den Fluggesellschaften streiten. Die Modelle von Anbietern wie EUclaim, Fairplane oder Refund.me ähneln einander stark: Der Kunde gibt seine Daten ein, die Software wertet aus, die Juristen übernehmen den Rest. Auch bei den Kosten gibt es kaum Unterschiede, zwischen 15 und 30 Prozent der Entschädigungssumme werden am Ende fällig. Die Stiftung Warentest macht deshalb kaum Unterschiede zwischen den Dienstleistern, empfiehlt sie aber durchaus als richtige Adresse für gefrustete Fluggäste.
Konkurrenz für die Rechtsdienstleister gibt es seit 2013 auch durch die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP). Der klare Vorteil: Die Dienstleistung der Schlichter lässt dem Passagier seine ganze Entschädigungssumme.
Die Nachteile: Bevor ein Schlichter den Fall übernimmt, muss sich der Fluggast selbst darum kümmern. Erst, wenn er binnen zwei Monaten nach der Beschwerde keinen Erfolg hat, übernimmt der Schlichter. Und selbst dann ist ein Schlichterspruch unverbindlich: Passagier und Airline müssen ihm nicht zustimmen. Dann bleibt nur noch der juristische Weg.
Streiter oder Schlichter?
Zwischen Rechtsdienstleistern und Schlichterstelle knirscht es derzeit gewaltig. Die SÖP sei auf einen Kompromiss in der Mitte ausgerichtet, kritisieren die Inkassodienste. Dem Passagier würde deshalb bares Geld vorenthalten.
Quatsch, halten die Schlichter dagegen. „Besteht etwa aufgrund einer Verspätung der Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 600 Euro, wird dieser Betrag ohne Wenn und Aber zur Streitbeilegung vorgeschlagen“, versichert SÖP-Geschäftsführer Heinz Klewe. Die große Mehrzahl der Beschwerdeführer bewerte die Ergebnisse als sehr fair. Nahezu alle Fluggäste, die an der SÖP-Schlichtung einmal teilgenommen haben, würden die Stelle weiterempfehlen. Die Vorwürfe der Flugdienstleister tut die Schlichtungsstelle verächtlich als „Abwehrstrategie“ ab. Die Angst, zahlende Kunden an die Schlichter zu verlieren, sei demnach groß.
Diese Rechte haben Fluggäste
Laut EG-Verordnung 261/2004 hat jeder Fluggast Anrecht auf Entschädigung, wenn sich ein Flug mehr als drei Stunden verspätet. Je nach Entfernung des Reiseziels und Umfang der Verspätung beläuft sich der Schadensersatz auf 250, 400 oder 600 Euro. Alle EU-Airlines sind zu diesen Zahlungen verpflichtet.
Ausgenommen vom Schadensersatz sind Flugverspätungen aufgrund „außergewöhnlicher Umstände“. Das können Streiks, Terroranschläge oder Naturkatastrophen sei – nicht aber technische Schwierigkeiten, es sei denn, es handelt sich um Herstellerfehler.
Viele Airlines lassen sich lieber verklagen, als von vornherein Entschädigungen zu zahlen. Besonders gegen Condor und Air Berlin stapeln sich die Eingaben bei den Gerichten. Oft gleichen sich die Gründe für Verspätungen – und meist erhält der Fluggast recht.
Viele Verbraucher scheuen den Gang vor Gericht, zumal wenn sie keine Rechtschutzversicherung abgeschlossen haben. Wer das Risiko auf null senken will, kann sich an Rechtsdienstleister wie Flightright wenden, die Gerichtskosten sogar bei verlorenen Verfahren tragen. Meist gewinnen sie aber und berechnen dem Kunden stattliche 25 Prozent der Entschädigung.
Der Zoff zwischen den Streitern und Schlichtern wird selbst auf scheinbar banalen Nebenkriegsschauplätzen ausgetragen. So wettert die SÖP dagegen, dass etwa Fairplane und Flightright bei einer Google-Suche gezielt mit dem Stichwort „Schlichtungsstelle“ werben. „Es dürfte unlauter sein, wenn ein Unternehmen sich als Schlichtungsstelle für Fluggäste tituliert ohne die gesetzlich vorgeschriebene Anerkennung zu haben beziehungsweise die Qualitätskriterien einer Schlichtungsstelle zu erfüllen“, kritisiert Geschäftsführer Klewe.
Flightright hält reichlich pragmatisch dagegen, dass es offenbar viele Kunden gebe, „die unter der Überschrift Schlichtungsstelle tatsächlich nach einer Lösung für ihre Entschädigung suchen und auch ein Interesse an Flightright haben.“
Zumindest mit Blick auf die nackten Zahlen geht das Ringen zwischen gewinnorientierten Dienstleistern und kostenlosen Schlichtern bislang eindeutig aus. Zwar wächst die Zahl der durch die SÖP geschlichteten Verfahren stark an. Die im vergangenen Jahr eingegangenen 4813 Schlichtungsanträge sind jedoch nur ein Bruchteil der 400.000 Anfragen, die im gleichen Zeitraum allein auf fligthright.de gemacht wurden. Unklar bleibt allerdings, wie viele Anträge der Passagiere dabei tatsächlich über die erste Stufe hinausgekommen sind.
Verbraucherstützer empfehlen Schlichtungsstelle
Verbraucherschützerin Fischer-Volk jedenfalls empfiehlt, im Streitfall zuerst die kostenlosen Mittel auszuschöpfen, und sich zunächst Unterstützung bei den Verbrauchzentralen und der Schlichtungsstelle zu suchen. Anwalt und kostenpflichtige Rechtsdienstleister sollten erst dann zum Zuge kommen, wenn sich die Airline weiter uneinsichtig zeigt. "Sie sollte man insbesondere dann einschalten, wenn zu einem konkreten Sachverhalt grundsätzliche Rechtsfragen noch ungeklärt sind und daher nicht sicher ist, ob überhaupt Ansprüche bestehen", sagt Fischer-Volk.
Marek Janetzke ist hingegen davon überzeugt, dass dem Flightright-Modell die goldenen Jahre erst noch bevorstehen – und zwar nicht nur beim Kampf für Entschädigungen der Airlines. Ein Geschäft wittert Janetzke immer da, wo Kunden das Gefühl haben, um ein paar Hundert Euro geprellt zu werden. Mittlerweile kümmert sich Flightright daher auch um andere Sorgen der Fluggäste: Nimmt etwa ein Reisender einen Flug nicht war, steht ihm die Erstattung der für das Ticket angefallenen Steuern zu. Ein Umstand, den die Airlines gerne unter den Tischen fallen lassen.
Ein Schwester-Dienst soll Bankkunden die Kreditbearbeitungsgebühren zurückbringen. Wieder, indem zuvor die Eingaben des Kunden mit einer Datenbank abgeglichen werden. Vorstellbar sei das auch im Telekommunikationsbereich, etwa beim Ringen mit Mobilfunkanbietern. "Wir automatisieren Vorgänge, die der klassische Anwalt noch händisch erledigen muss“, sagt Janetzke. „Das macht uns deutlich effizienter.“