Gegen Abzocke der Airlines Wie sich Unternehmen für Sie mit den Fluggesellschaften zoffen

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Zoff zwischen Streitern und Schlichtern

Das Geschäftsmodell von Flightright scheint zu funktionieren: Allein im vergangenen Jahr ist die Mitarbeiterzahl laut Janetzke von rund 40 auf 80 gestiegen. Der Umsatz hat sich demnach ebenfalls verdoppelt und das Unternehmen soll profitabel arbeiten. Mit konkreten Zahlen aber ist der Geschäftsführer zurückhaltend. Seine Begründung: Der Wettbewerbsdruck in der Branche sei enorm hoch.

Neben Flightright will sich eine ganze Armada an Rechtsdienstleistern im Namen der Passagiere mit den Fluggesellschaften streiten. Die Modelle von Anbietern wie EUclaim, Fairplane oder Refund.me ähneln einander stark: Der Kunde gibt seine Daten ein, die Software wertet aus, die Juristen übernehmen den Rest. Auch bei den Kosten gibt es kaum Unterschiede, zwischen 15 und 30 Prozent der Entschädigungssumme werden am Ende fällig. Die Stiftung Warentest macht deshalb kaum Unterschiede zwischen den Dienstleistern, empfiehlt sie aber durchaus als richtige Adresse für gefrustete Fluggäste.

Die Probleme der europäischen Airlines
Problem 1: Fehlende KonsolidierungEine der größten Hürden der europäischen Luftfahrtbranche ist die starke Fragmentierung. Nach wie vor werden die nationalen Fluggesellschaften in den meisten Ländern Europas als Symbol des Nationalstolzes angesehen. So gibt es auch heute noch in fast allen Ländern klare Vorgaben, dass ausländische Investoren nicht die Mehrheit an dem nationalen Anbieter übernehmen dürfen. Quelle: dpa
Problem 1: Fehlende KonsolidierungZwar hat es auch in Europa in den vergangenen Jahren Übernahmen und Fusionen gegeben. So gingen die französische Air France und die niederländische KLM zusammen, vor kurzem erst British Airways und die spanische Iberia. Gleichwohl hat fast jeder Staat in Europa seinen eigenen nationalen Anbieter. Quelle: dpa
Problem 1: Fehlende KonsolidierungWie es besser geht, zeigen die USA. Dort fusionierten 2008 Delta und Northwest, im vergangenen Jahr dann United Airways und Continental. Derzeit gibt es Gespräche zwischen US Airways und der insolventen American Airlines. Aus einst sechs großen Linienfluggesellschaften, die in ganz USA und weltweit fliegen, könnten am Ende nur drei übrig bleiben. Je größer die Flugzeugflotte, desto effizienter kann sie eingesetzt werden, und desto günstiger ist auch der Kerosineinkauf. So konnte Delta im vergangenen Jahr ein Nettoergebnis von 845 Millionen Dollar einfliegen. Quelle: ap
Problem 2: Die Kosten sind zu hochLufthansa-Chef Christoph Franz (Foto) hat es schon vor mittlerweile drei Jahren erkannt, damals war er noch Chef der Passagiersparte: Lufthansa, aber auch die anderen europäischen ehemaligen Staatsairlines produzieren zu teuer. Wie teuer, das zeigt der Vergleich von Lufthansa mit dem Anbieter Emirates. Bei diesem machen die Kosten 85 Prozent des Umsatzes aus. Bei Lufthansa werden 96,6 Prozent der Erlöse durch die Kosten wieder aufgezehrt. Quelle: dpa
Problem 2: Die Kosten sind zu hochDas hat mehrere Gründe. Zum einen kämpfen alle ehemaligen Staatsairlines mit "Altlasten". Denn die etablierten Airlines sind deutlich älter als etwa die beiden Newcomer Emirates und Etihad. Weil aber die Anbieter vom Golf noch so jung sind, fallen hier auch weniger Aufwendungen beispielsweise für Pensionszusagen an. Quelle: dpa
Problem 2: Die Kosten sind zu hochHinzu kommt: Die Arbeitskosten sind in Dubai oder Abu Dhabi deutlich niedriger. Auch gibt es hier keine Gewerkschaften. Dagegen haben sich die Gehälter bei den etablierten Airlines in Europa über die Jahre immer mehr in die Höhe geschraubt. Doch ein Zurück ist schwer. Ein Arbeitskampf etwa der Piloten oder des Kabinenpersonals legt schnell den gesamten Betrieb lahm, die Kosten werden dann noch mehr steigen. Auch andere Kosten - wie etwa die für die Flugsicherung - sind hierzulande höher. Quelle: dpa
Problem 3: Die politische Unterstützung fehltEs ist ein Satz, der alles sagt. Gesagt hat Thierry Antinori (links im Bild), ein ehemaliger Lufthansa-Manager und seit einiger Zeit Top-Manager bei der Golfairline Emirates. "Dubai erklärte die Luftfahrt vor 25 Jahren zur strategischen Schlüsselindustrie, und damit wurden die Rahmenbedingungen für Wachstum geschaffen." Rahmenbedingungen, von denen eine Air France-KLM, eine Lufthansa oder eine British Airways nur träumen können. Quelle: dpa

Konkurrenz für die Rechtsdienstleister gibt es seit 2013 auch durch die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP). Der klare Vorteil: Die Dienstleistung der Schlichter lässt dem Passagier seine ganze Entschädigungssumme.

Die Nachteile: Bevor ein Schlichter den Fall übernimmt, muss sich der Fluggast selbst darum kümmern. Erst, wenn er binnen zwei Monaten nach der Beschwerde keinen Erfolg hat, übernimmt der Schlichter. Und selbst dann ist ein Schlichterspruch unverbindlich: Passagier und Airline müssen ihm nicht zustimmen. Dann bleibt nur noch der juristische Weg.

Streiter oder Schlichter?

Zwischen Rechtsdienstleistern und Schlichterstelle knirscht es derzeit gewaltig. Die SÖP sei auf einen Kompromiss in der Mitte ausgerichtet, kritisieren die Inkassodienste. Dem Passagier würde deshalb bares Geld vorenthalten.

Quatsch, halten die Schlichter dagegen. „Besteht etwa aufgrund einer Verspätung der Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 600 Euro, wird dieser Betrag ohne Wenn und Aber zur Streitbeilegung vorgeschlagen“, versichert SÖP-Geschäftsführer Heinz Klewe. Die große Mehrzahl der Beschwerdeführer bewerte die Ergebnisse als sehr fair. Nahezu alle Fluggäste, die an der SÖP-Schlichtung einmal teilgenommen haben, würden die Stelle weiterempfehlen. Die Vorwürfe der Flugdienstleister tut die Schlichtungsstelle verächtlich als „Abwehrstrategie“ ab. Die Angst, zahlende Kunden an die Schlichter zu verlieren, sei demnach groß.

Diese Rechte haben Fluggäste

Der Zoff zwischen den Streitern und Schlichtern wird selbst auf scheinbar banalen Nebenkriegsschauplätzen ausgetragen. So wettert die SÖP dagegen, dass etwa Fairplane und Flightright bei einer Google-Suche gezielt mit dem Stichwort „Schlichtungsstelle“ werben. „Es dürfte unlauter sein, wenn ein Unternehmen sich als Schlichtungsstelle für Fluggäste tituliert ohne die gesetzlich vorgeschriebene Anerkennung zu haben beziehungsweise die Qualitätskriterien einer Schlichtungsstelle zu erfüllen“, kritisiert Geschäftsführer Klewe.

Flightright hält reichlich pragmatisch dagegen, dass es offenbar viele Kunden gebe, „die unter der Überschrift Schlichtungsstelle tatsächlich nach einer Lösung für ihre Entschädigung suchen und auch ein Interesse an Flightright haben.“

Zumindest mit Blick auf die nackten Zahlen geht das Ringen zwischen gewinnorientierten Dienstleistern und kostenlosen Schlichtern bislang eindeutig aus. Zwar wächst die Zahl der durch die SÖP geschlichteten Verfahren stark an. Die im vergangenen Jahr eingegangenen 4813 Schlichtungsanträge sind jedoch nur ein Bruchteil der 400.000 Anfragen, die im gleichen Zeitraum allein auf fligthright.de gemacht wurden. Unklar bleibt allerdings, wie viele Anträge der Passagiere dabei tatsächlich über die erste Stufe hinausgekommen sind.

Verbraucherstützer empfehlen Schlichtungsstelle

Verbraucherschützerin Fischer-Volk jedenfalls empfiehlt, im Streitfall zuerst die kostenlosen Mittel auszuschöpfen, und sich zunächst Unterstützung bei den Verbrauchzentralen und der Schlichtungsstelle zu suchen. Anwalt und kostenpflichtige Rechtsdienstleister sollten erst dann zum Zuge kommen, wenn sich die Airline weiter uneinsichtig zeigt. "Sie sollte man insbesondere dann einschalten, wenn zu einem konkreten Sachverhalt grundsätzliche Rechtsfragen noch ungeklärt sind und daher nicht sicher ist, ob überhaupt Ansprüche bestehen", sagt Fischer-Volk.

Marek Janetzke ist hingegen davon überzeugt, dass dem Flightright-Modell die goldenen Jahre erst noch bevorstehen – und zwar nicht nur beim Kampf für Entschädigungen der Airlines. Ein Geschäft wittert Janetzke immer da, wo Kunden das Gefühl haben, um ein paar Hundert Euro geprellt zu werden. Mittlerweile kümmert sich Flightright daher auch um andere Sorgen der Fluggäste: Nimmt etwa ein Reisender einen Flug nicht war, steht ihm die Erstattung der für das Ticket angefallenen Steuern zu. Ein Umstand, den die Airlines gerne unter den Tischen fallen lassen.

Ein Schwester-Dienst soll Bankkunden die Kreditbearbeitungsgebühren zurückbringen. Wieder, indem zuvor die Eingaben des Kunden mit einer Datenbank abgeglichen werden. Vorstellbar sei das auch im Telekommunikationsbereich, etwa beim Ringen mit Mobilfunkanbietern. "Wir automatisieren Vorgänge, die der klassische Anwalt noch händisch erledigen muss“, sagt Janetzke. „Das macht uns deutlich effizienter.“

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