Gehaltserhöhung für DB-Chef Lutz Die Bahn zahlt 90.000 Euro bei Verspätung

Bahnchef Richard Lutz Quelle: dpa

Hohe Verluste, horrende Verschuldung, sinkende Verlässlichkeit. Die Deutsche Bahn kriegt ihre Marotten nicht in den Griff. Bahnchef Richard Lutz erhält trotzdem ein dickes Gehaltsplus. Zeit für eine Vergütungsreform. Ein Kommentar.

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Besondere Leistungen erlauben besondere Belohnungen. Das gilt auch für die Deutsche Bahn. Nur versteht die unter Leistung etwas ganz Besonderes. Die Verluste haben sich nach zwei Jahren Coronapandemie auf 1,6 Milliarden Euro eingependelt, die Verschuldung bleibt nur dank staatlicher Finanzspritzen unterhalb von 30 Milliarden Euro und die Pünktlichkeit – ja, welche Pünktlichkeit? Die Werte sind 2021 wieder aufs Vorkrisenniveau abgerauscht. Doch die Bahn nimmt das ihrem Chef Richard Lutz nicht übel. Er bekommt planmäßig 90.000 Euro extra. Jährlich. Ab sofort.

Der Gehaltserhöhungs-Automatismus der Deutschen Bahn fragt nicht nach Erfolg. Ein Vorstand erhält nach fünf Jahren im Amt eine Gehaltserhöhung von zehn Prozent. Und wenn die Welt untergeht. So sehen es die internen Vergütungsregeln vor. Der Aufsichtsrat sagt, ihm seien da leider die Hände gebunden. Wer hat diese Regeln bloß gemacht? Antwort: der Aufsichtsrat. Weil das so praktisch ist. Geprüft wird einfach, wie lange sich ein Bahnchef im Amt hält.

Die monetäre Anreizstruktur bei der Deutschen Bahn ist eine ohne Anreize und passt so gar nicht zu einem der größten Mobilitätskonzerne der Welt inmitten der globalen Mobilitätswende.

Dabei wäre es so einfach. Denn wo, wenn nicht bei einem Transporteur, lässt sich Leistung in Zahlen messen? Und die relevanten Messwerte bei der Deutschen Bahn sind seit Jahren mit wenigen Blicken erkennbar schlecht. Verluste und Verschuldung rauf, Verlässlichkeit runter. Selbst im Coronablütejahr 2020, als die ICEs teilweise mit einstelligen Passierzahlen unterwegs waren, kam die Bahn gerade mal auf eine Pünktlichkeitsquote von 82 Prozent. Das zeigt, was selbst ohne schwer kalkulierbare äußere Einflüsse gerade mal möglich ist.

Der Bahnchef selbst gibt Versäumnisse zu. Bei der Bilanzpressekonferenz zu den Zahlen 2021 am Donnerstag sagte er, dass die Deutsche Bahn im vierten Quartal des vergangenen Jahres Defizite im Baustellenmanagement nicht verhindern konnte. Einige Baustellen seien „nicht fristgerecht“ fertig geworden, neue Bauarbeiten wären an anderer Stelle zu früh begonnen worden. Das habe Auswirkungen auf die Pünktlichkeit gehabt. Natürlich negative. „Wir haben gelernt“, sagte Lutz. Nun sei man in Gesprächen mit der Bauindustrie. Man werde für 2022 weitere Vorkehrungen treffen.

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Lernen, das tut die Deutsche Bahn schon immer. Es vergeht kaum ein Jahr, in dem der Vorstand nicht irgendetwas „verstanden“ hat, „Besserung“ verspricht und „Fehler“ reduzieren will. Nur bei der Umsetzung hapert es dann häufig. Warum eigentlich?



Es ist ja nicht alles schlecht. Die Deutsche Bahn hat vieles, was ein gesellschaftlich relevantes Fortbewegungsmittel ausmacht: In den großen Umbrüchen der heutigen Zeit ist auf sie Verlass. Sie fuhr stoisch ihre Züge durch die Lockdown-Monate. Sie hilft heute Ukraine-Flüchtlingen pragmatisch bei der Weiterfahrt in Deutschland und bei der Versorgung mit Hilfsgütern an der Grenze Polen/Ukraine. Sie ließe sich vollumfänglich mit Ökostrom betreiben. Vor allem: Die Bürger brauchen sie zigmillionenfach jeden Tag. Benzin und Diesel sind teuer. Die Fahrgastzahlen steigen wieder. Im März 2022 sei man im Fernverkehr bereits wieder „einen Schnaps über Vorkrisenniveau“ gewesen, sagte Finanzchef Levin Holle.

Aber all das ist nun einmal das Prinzip Eisenbahn und kann nicht allein der Maßstab für das Chefgehalt sein. Vor allem nicht jetzt, wenn das Unternehmen wegen seiner bestürzend hohen Verluste nach wie vor eine staatliche Unterstützung benötigt, die in ihrem Ausmaß historisch ist. Die Deutsche Bahn ist eine von allen bezahlte Bürgerbahn. Und was zählt für uns alle am meisten? Dass der Zug kommt, wie bestellt! Mindestens die Pünktlichkeitsquote sollte als einfache Messgröße Grundlage für Gehaltserhöhungen sein.

Bei der Deutschen Bahn wird oft argumentiert, dass ihre Vorstände im Vergleich zu Dax-Größen zu niedrig bezahlt würden, um attraktiv für den Quereinstieg von Topmanagern zu sein. Bayer-Chef Werner Baumann etwa verdient 1,7 Millionen Euro pro Jahr fix – plus Boni, die sein Gehalt 2020 auf mehr als fünf Millionen Euro angehoben haben. Aber ausgerechnet Baumann ist ein schlechtes Vorbild. Das Beispiel zeigt nur, wie man es nicht macht: Mit dem Monsanto-Deal hat Baumann Milliarden an der Börse vernichtet, seine Tage als Vorstandschef sind gezählt, sein Gehalt grotesk überhöht.

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Die Deutsche Bahn darf sich nicht an schlingernden Dax-Konzernen orientieren. Als wegweisendes Zukunftsunternehmen, das uns allen gehört, darf sie einerseits nicht großspurig mit dem Geld um sich werfen, kann sich andererseits aber leisten, auf Überzeugungstäter zu setzen. Echte Bahner von Herzen. Für Deutschlands Zukunft zu arbeiten, ist eben auch ein Privileg. Als Bundeskanzler wird man auch nicht steinreich. Und sollte für sein Geld dennoch pünktlich zur Stelle sein.

Mehr zum Thema: Mehr Umsatz, weiter Verluste. Das sind die Zahlen für das Jahr 2022. Vor allem die Logistiktochter DB Schenker hat der Deutschen Bahn ein finanzielles Fiasko erspart.

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