Geheime Planzahlen der Deutschen Bahn Die ICE sollen wieder richtig Geld einfahren

Vertrauliche Prognosen der Deutschen Bahn belegen: Die Güterbahn bleibt dauerhaft im Krisenmodus, der Fernverkehr soll bald zu alter Stärke zurückfinden. Anders als früher kalkuliert der Vorstand inzwischen vorsichtiger.

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Quelle: dpa

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn war zunehmend zerknirscht. Viele Jahre mussten die Kontrolleure zusehen, wie der Vorstand der Deutschen Bahn in schöner Regelmäßigkeit für sämtliche Sparten glänzende Umsatzzahlen und Gewinne prognostizierte. Doch eingestellt hat sich das Zahlenwerk der streng vertraulichen Aufsichtsratsunterlage nie.

Entgegen den Erwartungen stagnierte der Fernverkehr, verlor die Regionalbahn überproportional Marktanteile und verharrte die Güterbahn in der Verlustzone. Wegen der Kritik aus dem Aufsichtsrat unterließ es die Deutsche Bahn deshalb zwei Jahre lang einfach, irgendeine Mittelfristprognose mitzuteilen.

Doch seit Ende 2015 ist vieles anders. Die Deutsche Bahn hat ein Reformprogramm vorgelegt, das ins Eingemachte geht: Stellenabbau bei der Güterbahn, ein massiver Ausbau der Intercity- und ICE-Verkehre und straffere Strukturen im Regionalverkehr. Mit neuem Selbstbewusstsein gewappnet, entschloss sich der Vorstand deshalb auch, dem Aufsichtsrat im Dezember 2015 erstmals wieder eine Mittelfristprognose vorzulegen. Ehrlicher und transparenter sollte sie jetzt sein, versprach der Vorstand.

Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Tatsächlich scheint die Deutsche Bahn ein ordentliches Maß an Differenzierung und Realitätssinn anzulegen. Der WirtschaftsWoche liegen wichtige Zahlen vor.

So stattet der Konzernvorstand den Fernverkehr das erste Mal mit einem optimistischen und pessimistischen Szenario aus. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Bahn im Geschäft mit den ICE- Intercitys einen Umsatz in Höhe von 3,9 Milliarden Euro. 2020 soll er 4,9 Milliarde Euro betragen.

Der operative Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) könnte 670 Millionen Euro erreichen, wenn es gut läuft. Möglich wären aber auch 500 Millionen Euro. Natürlich bleibt die Bahn im Grundsatz optimistisch, das Ebit lag 2015 bei gerade mal 164 Millionen Euro. Doch die Gewinnspanne zeige, „dass der Vorstand inzwischen vorsichtiger kalkuliert“, lobt ein Aufsichtsrat die neue Methodik.

Insgesamt rechnet der Konzern mit einer durchschnittlichen Steigerung des Umsatzes von rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Das gilt als ambitioniert. Die Deutsche Bahn gewann zwar 2015 mehr Fahrgäste als im Vorjahr. Allerdings erkaufte sich der Konzern das Wachstum, indem er massenweise Billigtickets verschleuderte. Der Umsatz sank sogar 2015 um zwei Prozent gegenüber 2014.

Dennoch ist das prognostizierte Umsatzplus in den kommenden Jahren nachvollziehbar, denn die Bahn plant eine massive Ausweitung der ICE- und Intercity-Linien. Dazu investiert das Unternehmen mehrere Milliarden Euro in neue Züge, etwa den Doppelstock-Intercity von Bombardier. Das Wachstum scheint also möglich.

Bahn-Vorstand ist deutlich vorsichtiger

Auch bei der Güterbahn will das Management nun offenbar mehr Realitätssinn walten lassen.

In den zurück liegenden Jahren lagen die tatsächlichen Ergebnisse meilenweit hinter den Erwartungen zurück. Ein Beispiel: Im Dezember 2010 prognostizierte der Konzernvorstand für das Geschäftsjahr 2015 von DB Cargo einen Umsatz von sechs Milliarden Euro. Tatsächlich erreichte DB Cargo im vergangenen Jahr aber nur 4,8 Milliarden Euro.

Damit verfehlte der Konzern das Ziel um 20 Prozent. Der Verlust lag 2015 bei 183 Millionen Euro. Prognostiziert hatte der Konzern im Jahr 2010 für das Jahr 2015 noch einen Ebit-Gewinn von exakt 490 Millionen Euro.

Doch nun scheint der Vorstand verstanden zu haben. Der Konzern geht in der aktuellen Mittelfristprognose davon aus, dass die Güterbahn bis 2018 sogar gar nicht mehr wächst. Bis dahin sinkt etwa die transportierte Gütermenge in Deutschland um rund zehn Prozent auf dann 65,5 Milliarden Tonnenkilometer.

Erst ab 2018 rechnet die Bahn wieder vorsichtig mit Wachstum im Heimatmarkt. Laut Plan soll die Gütermenge in Deutschland 2020 insgesamt 71,8 Milliarden Tonnenkilometer erreichen. Damit läge der Wert dennoch unter dem von 2014, als DB Cargo in Deutschland 73 Milliarden Tonnenkilometer erreichte.

Das ist zwar auch aus volkswirtschaftlicher Sicht traurig, aber es spiegelt ganz offenbar die Realität besser wieder. Die fehlende Tonnage wirkt sich natürlich auch auf die Finanzzahlen aus. Die Bahn rechnet im Deutschland-Geschäft von DB Cargo bis einschließlich 2018 jedes Jahr mit einem operativen Verlust. Das größte Minus werde laut Mittelfristprognose 2017 erreicht - mit einem operativen Verlust vor Steuern und Zinsen (Ebit) in Höhe von 149 Millionen Euro.

Erst 2019 peilt die Bahn für ihre Güterbahn in Deutschland ein positives Ebit von 101 Millionen Euro an. Der erwartete Deutschland-Umsatz pendelt in den Jahren 2014 bis 2020 zwischen 3,3 und 3,5 Milliarden Euro.

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