
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn war zunehmend zerknirscht. Viele Jahre mussten die Kontrolleure zusehen, wie der Vorstand der Deutschen Bahn in schöner Regelmäßigkeit für sämtliche Sparten glänzende Umsatzzahlen und Gewinne prognostizierte. Doch eingestellt hat sich das Zahlenwerk der streng vertraulichen Aufsichtsratsunterlage nie.
Entgegen den Erwartungen stagnierte der Fernverkehr, verlor die Regionalbahn überproportional Marktanteile und verharrte die Güterbahn in der Verlustzone. Wegen der Kritik aus dem Aufsichtsrat unterließ es die Deutsche Bahn deshalb zwei Jahre lang einfach, irgendeine Mittelfristprognose mitzuteilen.
Doch seit Ende 2015 ist vieles anders. Die Deutsche Bahn hat ein Reformprogramm vorgelegt, das ins Eingemachte geht: Stellenabbau bei der Güterbahn, ein massiver Ausbau der Intercity- und ICE-Verkehre und straffere Strukturen im Regionalverkehr. Mit neuem Selbstbewusstsein gewappnet, entschloss sich der Vorstand deshalb auch, dem Aufsichtsrat im Dezember 2015 erstmals wieder eine Mittelfristprognose vorzulegen. Ehrlicher und transparenter sollte sie jetzt sein, versprach der Vorstand.





Tatsächlich scheint die Deutsche Bahn ein ordentliches Maß an Differenzierung und Realitätssinn anzulegen. Der WirtschaftsWoche liegen wichtige Zahlen vor.
So stattet der Konzernvorstand den Fernverkehr das erste Mal mit einem optimistischen und pessimistischen Szenario aus. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Bahn im Geschäft mit den ICE- Intercitys einen Umsatz in Höhe von 3,9 Milliarden Euro. 2020 soll er 4,9 Milliarde Euro betragen.
Der operative Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) könnte 670 Millionen Euro erreichen, wenn es gut läuft. Möglich wären aber auch 500 Millionen Euro. Natürlich bleibt die Bahn im Grundsatz optimistisch, das Ebit lag 2015 bei gerade mal 164 Millionen Euro. Doch die Gewinnspanne zeige, „dass der Vorstand inzwischen vorsichtiger kalkuliert“, lobt ein Aufsichtsrat die neue Methodik.
Insgesamt rechnet der Konzern mit einer durchschnittlichen Steigerung des Umsatzes von rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Das gilt als ambitioniert. Die Deutsche Bahn gewann zwar 2015 mehr Fahrgäste als im Vorjahr. Allerdings erkaufte sich der Konzern das Wachstum, indem er massenweise Billigtickets verschleuderte. Der Umsatz sank sogar 2015 um zwei Prozent gegenüber 2014.
Dennoch ist das prognostizierte Umsatzplus in den kommenden Jahren nachvollziehbar, denn die Bahn plant eine massive Ausweitung der ICE- und Intercity-Linien. Dazu investiert das Unternehmen mehrere Milliarden Euro in neue Züge, etwa den Doppelstock-Intercity von Bombardier. Das Wachstum scheint also möglich.