Geldstrafen in Milliardenhöhe Kartellamt bringt Geldsegen für den Bund

Mit Geldbußen auf Rekordniveau ist das Bundeskartellamt 2014 gegen illegale Preisabsprachen vorgegangen. Davon profitieren Verbraucher. 2015 warten neue Verfahren - ein großes Thema ist der Streit um den Online-Handel.

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Das Bundeskartellamt in Bonn Quelle: dapd

Heimliche Preisabsprachen bei Massenartikeln wie Bier und Wurst, jahrelange Kartelle beim Zucker zu Lasten der Verbraucher - das Bundeskartellamt hat 2014 so viele Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht aufgedeckt wie noch nie in seiner Geschichte. Im neuen Jahr erwarten die Kartellwächter neue spannende Fälle - unter anderem eine Gerichtsentscheidung zu der Frage, wie weit Lebensmittelriesen ihre Lieferanten im Preis drücken dürfen.

Außerdem beschäftigt die immer wichtigere Rolle des Internets im Einzelhandel die Behörde.

Die Summe der verhängten Bußgelder überschritt erstmals eine Milliarde Euro. Dabei profitierten die Bonner Kartellwächter in mehr als der Hälfte der Fälle 2014 von Kronzeugen, die dafür selbst straffrei blieben. „Die hohen Bußgelder sind effizient und bieten genug Abschreckung“, sagt Kartellamtschef Andreas Mundt.

Die größten Kartelle

Nutznießer sind die Verbraucher, denn mit Kartellen drücken Unternehmen häufig deutlich überhöhte Preise in den Markt. Im Schnitt liegt der Preis bei illegalen Absprachen nach zahlreichen Studien im Schnitt um 25 Prozent über Marktniveau. Der Schaden kann dabei pro Fall insgesamt in die Milliarden gehen - und für den Verbraucher sehr konkret spürbar sein. Bei dem Anfang 2014 aufgedeckten Bierkartell vereinbarten die beteiligten Brauereien laut Bundeskartellamt etwa, für jeden Kasten Bier einen Euro mehr zu nehmen.

Früher existierten solche Preiskartelle unbemerkt über viele Jahre - so wie beim ebenfalls 2014 geknackten Zuckerkartell, das seit Mitte der 1990-er Jahre bestanden hatte. Nicht immer bestätigt sich aber ein Verdacht. So stellte das Amt in diesem Jahr etwa die Ermittlungen gegen Stahlhersteller wegen möglicher Preisabsprachen bei Autoblechen ein.

Kartellamt mahnt Edeka ab

Auch wenn die hohe Bußgeldsumme von 2014 laut Mundt ein „Ausreißer nach oben“ war, rechnet er auch 2015 weiter mit großen Verfahren und hohen Bußgeldern. Um die 300 Millionen Euro pendeln die Beträge in normalen Jahren. Der umkämpfte Lebensmittelmarkt wird die Kartellwächter wieder beschäftigen. Mit Spannung erwartet die Behörde etwa eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Fall des Lebensmittelriesen Edeka. Das Bundeskartellamt hatte Edeka abgemahnt, weil der Konzern nach der Übernahme der Plus-Märkte im Jahr 2009 hohe Rabattforderungen an Lieferanten - sogenannte Hochzeitsrabatte - gestellt hatte.

Auch der Online-Handel bleibt im neuen Jahr ein wichtiges Thema der Behörde. So läuft ein Verfahren gegen den Turnschuhhersteller Asics, der seinen stationären Händlern nicht erlaubt hatte, Schuhe auch im Internet zu vertreiben. Damit reservierte das Unternehmen dieses Geschäft de facto einigen großen Online-Plattformen. Adidas hat in einem ähnlichen Fall bereits eingelenkt.

Millionenbuße gegen Briefumschlag-Hersteller
BriefumschlägeVerbraucher in Europa haben jahrelang zu viel für Briefumschläge gezahlt. Wegen unerlaubter Zusammenarbeit mit Konkurrenten müssen der Heilbronner Briefumschlag-Hersteller Mayer-Kuvert und vier weitere Firmen ein Bußgeld von insgesamt fast 19,5 Millionen Euro zahlen, entschied die Brüsseler EU-Kommission am 11. Dezember 2014. Auf Mayer-Kuvert entfallen dabei knapp 5 Millionen Euro. Ebenfalls an dem Kartell beteiligt waren die schwedische Firma Bong, der spanische Hersteller Tompla sowie GPV und Hamelin aus Frankreich. Mayer-Kuvert hat inzwischen GPV übernommen. Die Firmen haben sich nach Erkenntnissen der EU-Kommission von Oktober 2003 bis April 2008 abgesprochen - Hamelin stieß allerdings erst im November 2003 dazu. „Mehr als vier Jahre lang haben diese Umschlaghersteller, anstatt in fairen Wettbewerb zu treten, künstliche Preiserhöhungen in einer Reihe von Mitgliedsstaaten vereinbart“, so EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Das Kartell wurde von Top-Managern betrieben.“ Quelle: dpa
LebensmittelkonservenVerbraucher in ganz Europa haben mehr als ein Jahr lang zu viel für Pilzkonserven bezahlt. Die Hersteller Bonduelle, Prochamp und Lutèce haben ab September 2010 Preise abgesprochen und den Markt untereinander aufgeteilt. Die EU-Kommission verhängte deshalb im Juni 2014 gegen die französische Firma Bonduelle eine Geldstrafe in Höhe von 30,2 Millionen Euro, auf Prochamp aus den Niederlanden entfallen zwei Millionen Euro - das Unternehmen profitiert von einer Minderung der Strafe um 30 Prozent, weil es mit der EU-Kommission kooperierte. Lutèce aus den Niederlanden kommt ungeschoren davon, da es die Wettbewerbshüter auf die unerlaubte Zusammenarbeit aufmerksam machte. Betroffen waren Pilze in Dosen und Gläsern, die als Eigenmarken des Handels verkauft wurden. Quelle: Screenshot
BiermarktDas Kartellamt hat im April 2014 entschieden: 231,2 Millionen Euro Bußgeld müssen die Brauereien zahlen. Mitte Januar 2013 hatte das Bundeskartellamt bereits Bußgelder in Höhe von 106,5 Millionen Euro verhängt. Kartellamtspräsident Andreas Mundt sagt, es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich Brauereien nach diesem Verfahren noch einmal in Absprachen wagen würden. Es geht um Vorgänge aus den Jahren 2006 bis 2008. Betroffen sind unter anderem Bitburger, Krombacher, Veltins und Warsteiner. Die Branche soll Preiserhöhungen für Fass- und Flaschenbier abgesprochen haben. Bei Flaschenbier sei dabei der Preis für einen Kasten Bier 2008 um einen Euro gestiegen. Das Kartellverfahren geht auf Informationen des Beck's-Herstellers Anheuser-Busch InBev Germany zurück, der als Kronzeuge ohne Geldbuße bleibt. Mit dem neu verhängten Bußgeld addiert sich die Summe auf fast 340 Millionen Euro auf - eine der höchsten Strafe in der Geschichte des Kartellamtes. Die auf Ernährung spezialisierte Verbraucherschützerin Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg bezifferte den Schaden allein durch die Absprachen über das Flaschenbier in einem Jahr - grob geschätzt - auf über 400 Millionen Euro. Quelle: dpa
KugellagerDie EU-Kommission hat im März 2014 gegen den Autozulieferer Schaeffler und mehrere andere Firmen wegen verbotener Preisabsprachen bei Kugellagern ein Bußgeld von insgesamt fast einer Milliarde Euro verhängt. Die höchste Strafe entfalle auf Schaeffler mit 370,5 Millionen Euro, teilten die Wettbewerbshüter mit. Der schwedische Konzern SKF müsse 315,1 Millionen Euro zahlen. Zudem seien mehrere japanische Firmen verdonnert worden. Das Kartell habe von 2004 bis 2011 Preise abgesprochen. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei TapetenHeimwerker haben nach Ermittlungen des Bundeskartellamtes von Ende Februar 2014 jahrelang zu viel Geld für Tapeten bezahlt. Die Bonner Wettbewerbsbehörde verhängte gegen vier Hersteller und ihren Verband wegen unerlaubter Preisabsprachen Bußgelder in Höhe von 17 Millionen Euro. Zwischen 2005 und 2008 hätten die in Deutschland führenden Unternehmen zu Lasten ihrer Kunden auf Verbandstagungen Preiserhöhungen abgesprochen, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Auf den Marktführer A.S. Création Tapeten AG entfällt allein eine Summe von 10,5 Millionen Euro. In einer Pflichtmitteilung an die Börse kündigte das Gummersbacher Unternehmen an, beim Oberlandesgericht in Düsseldorf Einspruch gegen den Bescheid des Kartellamtes einzulegen. Die Behörde habe die Argumente, die gegen kartellrechtliche Verstöße sprechen, nicht ausreichend gewürdigt. Außerdem sei die Höhe der Bußgelder unangemessen, hieß es zur Begründung. Die Tapetenfabrik Rasch, die den Fall als Kronzeuge ins Rollen gebracht hatte, kam in den Genuss der Bonusregelung und damit ohne Geldbuße davon. Neben A.S. Création wurden auch gegen die Marburger Tapetenfabrik Schaefer, Erismann (Breisach), Pickhardt + Siebert (Gummersbach) und den Verband Deutscher Tapetenfabriken Geldbußen verhängt. In dem Fall sei eine Funktion dazu missbraucht worden, die Absprache der Hersteller aktiv zu unterstützen, betonte Mundt. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei Haushalts- und Industriezucker Das Bundeskartellamt hat im Februar 2014 gegen drei große deutsche Zuckerhersteller wegen verbotener Absprachen Bußgelder in Höhe von rund 280 Millionen Euro verhängt. Die Wettbewerbsbehörde wirft den Unternehmen Pfeifer & Langen, Südzucker und Nordzucker vor, sich über viele Jahre hinweg über Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen zu haben. Ziel sei es gewesen, möglichst hohe Preise für Haushalts- und Industriezucker zu erzielen. Teilweise sei es durch die Kartellrechtsverstöße nach Aussagen von Industriekunden zu erheblichen Preissteigerungen und sogar zu Versorgungsengpässen gekommen. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei GummiteilenWegen jahrelanger Preisabsprachen bei Gummiteilen muss der Autozulieferer Bridgestone eine Strafe von 425 Millionen Dollar (311 Millionen Euro) zahlen. Das Justizministerium geht seit einiger Zeit scharf gegen Kartelle in der Autozulieferbranche vor. Insgesamt 26 Firmen haben sich schuldig bekannt oder angekündigt, dies zu tun. Die Strafen summieren sich mittlerweile auf mehr als zwei Milliarden Dollar. Bridgestone trifft es nun besonders hart, weil das Unternehmen vor zweieinhalb Jahren schon einmal für Absprachen belangt wurde und damals mit 28 Millionen Dollar büßte. Bridgestone verdient sein Geld zwar weiterhin überwiegend mit Reifen, produziert jedoch unter anderem auch Fahrwerkskomponenten. Im Fall von Februar 2014 ging es um Gummiteile, die zur Schwingungsdämpfung im Auto eingesetzt werden. Die Absprachen zwischen verschiedenen Herstellern haben nach Erkenntnissen der US-Justiz von Anfang 2001 bis Ende 2008 gedauert. Zu den Geschädigten gehörten demnach unter anderem die Autobauer Toyota und Nissan. Sie haben auch Werke in den USA. Bridgestone kündigte an, dass die beteiligten Mitarbeiter zur Rechenschaft gezogen würden. Zugleich versicherte das Unternehmen, dass das Management nichts gewusst habe. Führungskräfte würden auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, „um das aufrichtige Bedauern für diesen Vorfall zu unterstreichen“, wie Bridgestone erklärte. Quelle: dapd

„Das Netz neigt immer zu den Großen“, sagt Mundt. „Es bleibt eine Daueraufgabe der Kartellbehörden, die Position der Großen bestreitbar zu machen.“ Dafür müssten die kleinen Akteure aber im Netz auch sichtbar sein und selbst frei agieren, also zum Beispiel ihre Produkte verkaufen können.

Einzelhandel protestiert gegen Wettbewerbshüter

Das sehen allerdings manche stationäre Einzelhändler völlig anders. Sie werfen dem Kartellamt vor, mit seinem Kampf für das Freihalten des Online-Vertriebsweges dem ortsansässigen Handel zu schaden. Unter dem Motto „Das Kartellamt macht den Laden dicht“ haben sie - ausgerechnet im Internet - eine Protestaktion gestartet.

Die Höhe der Kartellstrafen orientiert sich nach einer rechtlichen Vereinfachung seit einigen Jahren schlicht am Umsatz (maximal zehn Prozent) und an der Leistungsfähigkeit des Unternehmens. „Die Insolvenz eines Unternehmens gibt es nicht in unserem Strafenkatalog“, betont der Kartellamtschef. 2006 kam ein neu aufgelegtes Kronzeugenprogramm dazu. Seitdem habe die Verfolgung richtig Fahrt aufgenommen, sagt Mundt.

Dass die Erstinformanten selbst straffrei ausgehen, ist für ihn eine klare Sache: „Wo man sonst keine Kenntnis der Tat hätte, ist das essentiell.“ Auch international gebe es ähnliche Kronzeugenregelungen praktisch überall, wo ernsthafte Kartellverfolgung betrieben werde.

Die Behörde schützt ihre wichtigen Zeugen sogar, wenn von ihnen geschädigte andere Unternehmen vor Gericht Schadenersatz erstreiten wollen und deshalb um Akteneinsicht in das Geständnis des Kronzeugen bitten. Akteneinsicht werde nur äußerst restriktiv erteilt, sagt Mundt. Die sehr hohen Bußgeldeinnahmen 2014 dürften vor allem den Finanzminister freuen: Das Geld fließt in den allgemeinen Bundeshaushalt.

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