Gemeinwohl Die Deutschen misstrauen der Unternehmenselite

Die Deutschen entziehen VW ihr Vertrauen. Und auch die meisten anderen Konzerne haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zwischen Managern und Bürgern regiert Misstrauen.

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Die Deutschen misstrauen der Unternehmenselite – und insbesondere VW. Quelle: Laif

Man muss sich dieser Tage gar nicht Wolfsburg nähern, dem Epizentrum der Angst vor dem Abstieg deutscher Ingenieurreputation, um festzustellen, wie sorgenvoll manch Industrieller an die Zukunft deutscher Fertigungskunst denkt. Während sie am Volkswagen-Hauptsitz noch damit beschäftigt sind, die ganz praktischen Auswirkungen von Dieselgate zu bekämpfen, wachsen andernorts die Sorgen über die möglichen grundsätzlichen Konsequenzen.

Greift die Manipulationsaffäre auf alle deutschen Autobauer über? Trifft der Reputations-GAU womöglich die gesamte deutsche Industrie und wertet made in Germany auf Ramschniveau ab?

So bewerten die Deutschen die wichtigsten Unternehmen und Organisationen nach ihrem Einsatz für die Allgemeinheit.

Siemens-Chef Joe Kaeser befürchtet: „Natürlich haben solche Themen grundsätzlich das Potenzial, über ein einzelnes Unternehmen hinauszugehen. Viele sorgen sich, dass das Image von made in Germany, die Qualität und Zuverlässigkeit, für die Deutschland in der ganzen Welt bekannt ist, in Mitleidenschaft gezogen wird. Das sehe ich aber nicht so.“ Und Konzernvorstände, Lobbyisten, Bundespolitiker – alle mahnen: Das Versprechen nach Zuverlässigkeit, mit dem die deutsche Industrie die Märkte dieser Welt erobert hat, es dürfe nicht leiden. Anders als offenbar ursprünglich geplant, begleitet VW-Chef Matthias Müller Bundeskanzlerin Angela Merkel dieser Tage vorsichtshalber auf einer China-Reise, um Kollateralschäden dieser Art möglichst einzudämmen.

Der gesellschaftliche Nutzen von deutschen Unternehmen und Organisationen systematisch untersucht und transparent abgebildet.

Nun, die Sorge scheint berechtigt, Panik aber unangebracht. Zumindest bei den treuesten Kunden, den Deutschen selbst, leidet zwar das Image von Volkswagen selbst und seiner wichtigsten Tochter Audi massiv unter den Manipulationen, von einem Totalschaden Made in Germany für die Industrie aber kann keine Rede sein.

Der erste deutsche Gemeinwohlatlas der Hochschule St. Gallen belegt auf Basis einer Umfrage unter 7800 Bürgern vor und einer Umfrage nach Dieselgate: Der Zorn zielt einzig auf den Wolfsburger Autobauer. Der Ruf direkter Konkurrenten wie Daimler oder BMW leidet nicht, auch die Qualität deutscher Maßarbeit wird nicht infrage gestellt. Vor der Affäre galt VW bei den befragten Bürgern als das vorbildlichste Beispiel eines Konzerns mit Gemeinsinn, mit hohen Ansprüchen an Moral, Zusammenhalt und Einsatz für die Lebensqualität. Nach der Affäre landete Volkswagen auf Platz 64 des Unternehmensrankings.

Zwar wird der Rest der Konzernwelt von den Deutschen nicht für Fehler aus Wolfsburg abgestraft. Aber die Deutschen trauen ihnen dennoch generell wenig Sinn fürs Gemeinwohl zu. Der Freiwilligen Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, ja selbst ARD und ZDF nehmen die Bundesbürger eine Orientierung am Gemeinwohl eher ab als den Konzernen.

So entsteht der GemeinwohlAtlas

Abgeschlagen auf Platz 24 des Gesamtrankings, das das Vertrauen der Deutschen in die Gemeinwohlorientierung von Institutionen und Konzernen abfragt, findet sich der erste echte Warenproduzent, der Autozulieferer Robert Bosch, dessen Strippen aber zieht eine gemeinnützige Stiftung. Auf Bosch folgen die dm-Drogeriemärkte, deren Gründer Götz Werner seine Vermögensanteile ebenfalls in eine Stiftung eingebracht hat. Der erste Konzern ohne öffentlichen Auftrag findet sich auf Platz 38 des Gesamtrankings, Daimler Benz.

Was ist der Sinn des Unternehmenslebens?

Für den modernen Manager von heute ist es klar: Zumindest in der Öffentlichkeit muss sich so ein Unternehmen als vorbildlicher Teil der Gesellschaft präsentieren. Man spendet, betreibt Nachhaltigkeitsprojekte, schenkt in der Kantine fair gehandelten Kaffee aus – und damit das alle mitbekommen, veröffentlicht man regelmäßig hübsche Berichte über die Gemeinwohlaktivität des Betriebs. Auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, der die EU-Organe berät, hat soeben in einer Stellungnahme empfohlen, Unternehmen sollten eine Gemeinwohlbilanz erstellen. Ziel sei „der Wandel hin zu einer europäischen ethischen Marktwirtschaft“.

Womit leisten Unternehmen einen Gemeinwohlbeitrag?

Weit entfernt wirken da Zeiten, in denen der verstorbene US-Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman im Grab den Managerzeitgeist mit seinem Satz prägte: „The business of business is business“; die soziale Verantwortung der Wirtschaft ist es, ihre Profite zu vergrößern.

Die Wissenschaftler aus St. Gallen – die für diese Studie finanziell von der Unternehmensberatung EY unterstützt werden – interpretieren es wie folgt. Gemeinwohl zielt auf die Frage, wie Bürgerinnen und Bürger ihr gesellschaftliches Umfeld wahrnehmen und welche Werte dort wirklich zählen. Welchen Stellenwert haben Fairness und Anstand im Zusammenleben? Was bedeutet Lebensqualität? Welche Rolle spielt Geld? Diese und andere gesellschaftlichen Werte werden heutzutage gerade durch Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Nichtregierungsorganisationen entscheidend beeinflusst. Sei es, dass diese mit ihrem Verhalten Traditionen bewahren oder mit ihren Produkten und Dienstleistungen ein neues Verständnis fördern, was als wertvoll in einer Gesellschaft gelten soll. Sie leisten damit einen Gemeinwohlbeitrag.

Diese Organisationen halten die Deutschen für besonders wichtig fürs Gemeinwohl

Aber: Fakten allein reichen nicht aus. Gemeinwohl entsteht nur dann, wenn die Gesellschaft das Geleistete auch als Wohltat anerkennt.

Daran herrscht in der Bundesrepublik offensichtlich großer Mangel. Denn der Atlas manifestiert in Zahlen, was sich in Deutschland schon länger beobachten lässt: ein großes Missverständnis zwischen den Chefs und der Bevölkerung. Die Unternehmerschaft investiert in Corporate Social Responsibility, kurz CSR, und gönnt sich eigene Abteilungen für den guten sozialen Ruf – doch die Bürgerschaft nimmt ihnen den plötzlichen Eifer nicht ab. Zwischen deutschen Unternehmern und deutschen Bürgern klafft eine Vertrauenslücke. 85 Prozent der Befragten sind besorgt bis sehr besorgt, dass dem Gemeinwohl in Deutschland zu wenig Beachtung geschenkt wird, Ostdeutsche sorgen sich mehr als Westdeutsche.

Selbst Studienleiter Timo Meynhardt, Professor in St. Gallen, ist überrascht: „Erstaunlich finde ich in Deutschland die Dominanz von öffentlichen, halbstaatlichen oder auch zivilgesellschaftlichen Organisationen im Spitzenfeld. Die Wirtschaft ist nicht die erste Adresse in der Bevölkerung, wenn es ums Gemeinwohl geht.“ Und das hat, wohlgemerkt, mit dem VW-Skandal gar nichts zu tun. „Manager müssen wieder lernen, ökonomische und gesellschaftliche Fragen zusammen zu denken“, sagt Meynhardt.

Der Irrtum

Machen die Manager zu wenig oder erwarten die Bürger zu viel? Woran liegt die große Skepsis der Bundesbürger? Andre Habisch, Professor für Christliche Gesellschaftslehre der Katholischen Hochschule Eichstätt, nennt zwei tief liegende Gründe: „Das Stichwort ‚Gemeinwohl‘ ist in Deutschland durch den Missbrauch im Nationalsozialismus historisch belastet, als galt: ‚Du bist nichts – Dein Volk ist alles‘. Hinzu kommt die ‚Systemdebatte‘ um krisenhaften Kapitalismus.“ Diese Diskussion führten Soziologen und Sozialwissenschaftler in Deutschland noch immer mit größerer Leidenschaft als anderswo. Bis hin zu der Unterstellung, dass ein freiwilliges gesellschaftliches Engagement sozial verantwortlicher Unternehmerpersönlichkeiten grundsätzlich ausgeschlossen sei.

Diese Unternehmen halten die Deutschen für besonders wichtig fürs Gemeinwohl

Der Wissenschaftler Meynhardt hat noch einen Punkt: „Managern fehlt eine angemessene Sprache, die einerseits der Komplexität der Wirtschaftsprozesse entspricht und andererseits so überzeugend ist, dass sie auch den Bürger anspricht.“ Das Bemühen um CSR, Nachhaltigkeit und Ähnliches sei bisher oft der hilflose Versuch, sich eine neue Sprache anzueignen und damit einen Zugang zur Bevölkerung zu finden.

Dabei wäre mehr Mühe angebracht, denn 77 Prozent aller Befragten würden lieber in Organisationen arbeiten, denen dieser Ansatz wichtig ist. Aber wie das so ist mit der kognitiven Dissonanz: Allen guten Worten zum Trotz wären nur 17 Prozent bereit, für Produkte und Dienstleistungen lobenswerter Unternehmen auch bis zu zehn Prozent mehr zu bezahlen, in diesem Fall Westdeutsche eher als Ostdeutsche.

Die ersten Reaktionen allein auf die Ankündigung des Atlas zeigen seine Relevanz für die Unternehmen. Lidl, die Sparda-Banken, dm-Drogeriemärkte, die Dr. Oetker-Gruppe, RTL, die Bundesagentur für Arbeit, Unicef und auch der Fußballverein Bayern München baten in St. Gallen bereits um Termine für vertiefende Gespräche.

Die Unternehmerschaft im Detail

Nach der VW-Affäre unterstellen die Deutschen keinem der abgefragten 89 Unternehmen solch großen sozialen Einsatz wie dem Autozulieferer Robert Bosch. Die Stuttgarter legen Wert auf Gemeinwohl bei der Unternehmenskultur, im Arbeitsalltag und bei den Produkten. Und in Zahlen? „In all das investieren wir kontinuierlich, eine genaue Angabe können wir dazu aber nicht machen“, sagt ein Sprecher.

Eine der Begründungen zur hohen Wertschätzung von Bosch in der Studie dürfte aber die gleichnamige Stiftungskonstruktion sein, die zu den großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa gehört. Sie hält rund 92 Prozent der Geschäftsanteile an der Robert Bosch GmbH, finanziert sich aus den Dividenden, die sie aus dieser Beteiligung erhält, und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in die Förderung von rund 800 eigenen und fremden Projekten zur Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur sowie Gesundheit und Wissenschaft.

Mit gut fünf Milliarden Euro Gesamtvermögen ist die Stuttgarter Robert Bosch Stiftung mit Abstand die größte Stiftung in Deutschland. Ähnliche finanzielle Möglichkeiten haben nur die Stiftungen des Medienkonzerns Bertelsmann – und die des Autobauers Volkswagen. Und diese Größe hilft: 40 Prozent der Deutschen kennen die Robert Bosch Stiftung dem Namen nach, drei Viertel von ihnen sehen die Arbeit der Stiftung positiv.

Die Top Ten der Unternehmen sind damit nach Bosch die „Süddeutsche Zeitung“ (25 auf der Gesamtliste), dm-Drogeriemärkte (27), Edeka Zentrale (32), Sparkassen (34), „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (35), Borussia Dortmund (36), Daimler (38), BMW (39) und Deutsche Post (41).

Gemeinwohl als PR-Strategie von Großkonzernen?

Andre Habisch hat sich als Volkswirt und Theologe mit diesem Thema beschäftigt. Er kommt zu dem Schluss: „Viele sich selbst lobende Unternehmen mit hohen Governance-Ansprüchen und schönen CSR-Berichten haben sich bei genauerer Analyse schon als Luftikusse erwiesen.“ Oft läge das daran, dass „sich in den entsprechenden Abteilungen zwar aufrechte Leute um diese Art Wertschöpfung bemühen, sie aber von der Vorstandsetage ausgebremst werden“.

Dabei gehe es auch anders. Zum Beispiel bei BASF, der Nummer 59 im Gesamtranking. Der weltgrößte Chemiekonzern investiert in soziale Projekte, die sich auf Dauer selbst tragen sollen. Die Chemiker zeigen klare Kante: Sie fördern ausschließlich im Umfeld ihrer Standorte Projekte und Vereine in Ludwigshafen und der Metropolregion Rhein-Neckar. Also den Wohngebieten der Mitarbeiter und der von den Nachteilen chemischer Produktion betroffenen Anlieger. Aber BASF denkt auch über den regionalen Tellerrand hinaus und sucht für besseres Management den Kontakt zu branchenfremden, klugen Köpfen.

Gutes Gewissen: Unter den Unternehmen trauen die Deutschen Bosch am meisten. Quelle: Presse

Habisch lobt die Ludwigshafener, die als Chemieindustrie Jahrzehnte länger als andere Branchen unter Druck stehen. „BASF hat mit dem sogenannten Wittenberg-Dialog eine einflussreiche, interdisziplinäre Veranstaltungsreihe gestartet, ganz ohne den Dialog in der Öffentlichkeit als PR-Instrument zu nutzen.“ Die Runde beschäftigt sich mit der Legitimation der Marktwirtschaft und der Begründung von Unternehmensentscheidungen.

Eigennutz versus Gemeinwohl

Auffällig ist auch das untere Ende des Rankings. Dort drängen sich lauter Anbieter, die sich in Deutschland über besonders viel Kunden freuen: Platz 123 McDonald’s, Platz 125 Facebook, Platz 126 Deutsche Bank, Platz 127 und damit Letzter ist die „Bild“-Zeitung. So belegt der Gemeinwohlatlas, dass die Deutschen sehr bewusst trennen können. Was zwei Interpretationen erlaubt: Was für den Einzelnen von hohem Nutzen erscheint, hält er nicht zwangsläufig auch gut für das Wohl der ganzen Gesellschaft. Oder: Den Kunden dieser Unternehmen ist das unterstellte niedrige Engagement schlicht egal.

Sind Familienunternehmer gemeinwohlorientierter?

Bei der Deutschen Bank scheint alles Engagement nichts zu nützen. Dabei sollte das Geldinstitut wieder ein allseits geachtetes Unternehmen werden, kündigten Anshu Jain und Jürgen Fitschen an, als sie 2012 die Nachfolge des Chefs Josef Ackermanns antraten. Sie riefen den Kulturwandel aus und ließen einen neuen Wertekanon erarbeiten. Genützt hat es nichts. Es gab zu viele Skandale. Kursmanipulation, Steuerhinterziehung. Milliarden gingen für Strafen drauf, aktuell ist die Bank in einen Geldwäscheskandal in Russland verwickelt. Ein Sprecher wollte das schlechte Abschneiden nicht konkret kommentieren.

Doch die Bank gibt sich durchaus Mühe. Berichtet über gesellschaftliche Verantwortung, den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität, den Einsatz für Klimaschutz. Und steckte 2014 rund 80,5 Millionen Euro in Förderaktivitäten. Trotzdem ist für den neuen Chef John Cryan der Weg zurück an den Tisch der Anständigen mindestens so weit wie für seinen Vorgänger.

Sind Familienunternehmer die besseren Unternehmer?

Ebenfalls schwer, wenn auch aus anderen Gründen, haben es Familienunternehmer in der Hinsicht. Gerade sie investieren Millionen ins Gemeinwohl, doch bundesweit ist das selten bekannt. Ihr Engagement ist meist lokal, bestenfalls regional. Dabei lastet gerade auf den lebenslänglich dienenden Familienunternehmern ein viel höherer sozialer Druck als auf externe Konzern-CEOs, den Jobnomaden auf höherem Niveau. Ein westfälischer Unternehmer zweiter Generation beschrieb dagegen seine Lage einmal so: „Ich will nicht erleben, dass mein Sohn in der Schule hört: Sauerei, dein Papa hat meinen Papa entlassen.“

Marcel Hülsbeck, BWL-Professor an der Uni Witten/Herdecke und Spezialist für Familienunternehmen, beobachtet: „Gemeinwohlorientierung ist für Familienunternehmer aber auch nach innen wichtig. Wenn sie ihre Kinder als ihre Nachfolger begeistern wollen, müssen sie nicht nur deren steigendes Interesse nach nachhaltiger Produktion und Einsatz fürs Allgemeinwohl befriedigen. Der Betrieb muss nach außen so gut dastehen, dass noch ihre Kinder und Enkel dafür arbeiten wollen.“ Damit dient der Einsatz fürs Gemeinwohl dann auch der Sicherung des Familienwohls.

Helden wie sie: Die Feuerwehr ist die liebste Institution der Deutschen. Quelle: dpa

Und was wird aus dem Verlierer Volkswagen?

Eine Erkenntnis, die für Volkswagen und seine Eigner womöglich etwas spät kommt. Vor allem bei dem Thema Anstand ist der Konzern in der Bevölkerung geradezu abgestürzt. Aber auch bei Moral, Aufgabenerfüllung und Lebensqualität belegt VW jetzt den letzten Platz unter den Automobilisten. Laut Studie sind die Frauen und die Älteren nachtragender als Männer und Jüngere.

Aber auch klare Handlungsempfehlungen geben die Vergrätzten ab: Neue Glaubwürdigkeit könne nur durch die Kontrolle unabhängiger Dritter geschaffen werden. Zudem müssten alle beteiligten Manager mit eigenem Geld in Haftung genommen werden.

Keine Ausrede für deutsche Unternehmer

Holger Geißler, Vorstand des Marktforschungsinstituts YouGov in Köln, sagt. „Wie lange es dauert, diesen Reputationsschaden wieder aufzuholen, hängt stark davon ab, wie schnell die Aufbereitung und Aufklärung des Skandals gelingt.“ Ausmaß und Dauer der Medienberichterstattung beeinflussen die Imagewerte. Und die fällt erfahrungsgemäß umso breiter aus, je gravierender die finanziellen Folgen sind.

Deutsche Marken dominieren im Vertrauensranking
Platz 9: BoschEine gemeinsame Untersuchung von MDR-Werbung und dem IMK Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung hat 3.000 Menschen in Ost und West nach ihrem Markenvertrauen befragt. Die Angesprochenen sollten spontan sagen, welcher Marke sie am meisten vertrauen und warum. Die erstmals erhobene Studie enthält mehr als 90.000 Statements, Insgesamt sind über 1.700 Marken genannt worden. Die Auswertung stellte schließlich ein Ranking der zehn aus deutscher Sicht vertrauenswürdigsten Marken zusammen. Beziehungsweise: Der Top 9. Das Familienunternehmen Bosch, von 1,5 Prozent der Befragten spontan genannt, liegt nämlich gleichauf mit ...Quelle: MDR-Werbung und IMK Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung Quelle: dpa
Platz 9: Dr. Oetker... Dr. Oetker. Auch der Lebensmittelhersteller aus Bielefeld schafft Deutschlandweit bei 1,5 Prozent der Menschen das meiste Vertrauen. Als Indikator für Markenvertrauen nannten Befragte Qualität (für 15,9 Prozent) und gute Erfahrungen, beziehungsweise Zufriedenheit mit einer Marke (16,7 Prozent) – mit weitem Abstand als wichtigstes Kriterium gilt aber die Tradition einer Marke (25,6 Prozent). Nur wer sich lange am Markt bewährt hat, dem wird wirklich Vertrauen entgegengebracht. „Die spontane Benennung ist die härteste Währung die es gibt, denn es schaffen nur die Marken in die Köpfe und Herzen der Verbraucher, die über ein Maximum an Strahlkraft verfügen“, sagt MDRW-Geschäftsführer Niels N. von Haken über die Ergebnisse der bevölkerungsrepräsentativen Umfrage. Quelle: dpa
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„Schätzungen sind sehr schwierig. Ich halte es aber durchaus für möglich, dass der Skandal auch noch in zwei bis drei Jahren messbaren Einfluss auf das Image von Volkswagen hat. Bis VW seine alte Imagestärke zurückgewonnen hat, kann es noch deutlich länger dauern. Die Deutschen haben etwas über VW erfahren, dass sie nicht vermutet hätten. Diese ‚Ent-Täuschung‘ wird lang in den Köpfen bleiben.“

Das wird teuer. Colin Couchman leitet die Abteilung zur Prognose von Pkw-Absatz beim Analysehaus IHS. Auch wenn bisher keine Einbrüche bei konkreten Absatzzahlen zu vermerken sind, erwartet er: „VW wird in Westeuropa 0,5 Prozentpunkte Marktanteil verlieren, und andere Hersteller werden davon profitieren. Auch die Konzerntöchter Audi, Škoda und Seat sind von den negativen Auswirkungen betroffen, aber in geringerem Ausmaß.“ Der Verlust von 0,5 Prozent Marktanteil entspräche nach den Zahlen des Branchenverbandes ACEA für 2014 gerechnet rund 60 000 weniger verkauften VW-Modellen.

Vorbild Schweiz

Zum Schluss sei der Vergleich über Grenzen erlaubt. Wie unterscheiden sich deutsche und schweizerische Bürger bei ihren Ansichten über das Gemeinwohl? Die Uni St. Gallen als Autor von Studien über beide Länder hat es ausgewertet. Ein gravierender Unterschied zeige sich in der Relevanz des Gemeinwohlthemas überhaupt: 85 Prozent der Deutschen sind eher besorgt bis sehr besorgt, dass dem Thema zu wenig Beachtung geschenkt wird. In der Schweiz sind es nur 65 Prozent. Und obgleich in beiden Ländern eine große Skepsis gegenüber dem Bankensektor bestehe, schneidet die UBS als schlechteste Bank in der Schweiz immer noch besser als die drei am schlechtesten platzierten Banken in Deutschland – Targobank, Commerzbank, Deutsche Bank – ab.

„Dass die Schweizer ihren Unternehmen eine höhere Gemeinwohlorientierung zubilligen als die Deutschen, liegt am hochgradig partizipativen Politikmodell des Landes“, sagt Peter Gomez, der frühere Chef der Schweizer Börse und selbst Eidgenosse. „Indem die Bürger durch Volksabstimmungen viel direkter auf die Rahmenbedingungen für Unternehmen einwirken, unterstellen sie, dass die Unternehmen auch stärker im Sinne der Bürger handeln.“

Fairerweise: Mit acht Millionen Schweizern geht das auch leichter als mit 80 Millionen Deutschen. Als Ausrede für deutsche Unternehmer reicht das aber nicht.

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