
Das Landesarbeitsgericht Hessen hat den Pilotenstreik bei der Lufthansa gestoppt. Das Gericht erließ am Mittwoch auf Antrag der Airline eine einstweilige Verfügung gegen die streikende Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). Die Kammer sei in diesem Einzelfall der Auffassung, dass es der Gewerkschaft auch darum gehe, beim Low-Cost-Konzept des Konzerns mehr Mitsprache zu bekommen, erklärte der Vorsitzende Richter. Damit sei der Streik rechtswidrig.
Die Lufthansa-Piloten müssen nach dem Urteil Gewerkschafts-Angaben zufolge ihren Streik sofort abbrechen. Wann der Flugbetrieb wieder normal laufe, sei noch unklar, sagte Markus Wahl, Vorstand der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit, am Mittwoch. "Es wird eine Zeit dauern, bis die Lufthansa ihre Maschinerie wieder hochfahren kann".
Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte einem Eilantrag der Fluggesellschaft stattgegeben und den Streik verboten. "Das Gericht hat bemängelt, dass unser Streikziel - nämlich das Thema Übergangsversorgung - angeblich vorgeschoben wäre und wir in Wahrheit für ein anderes Ziel streiken", erläuterte Wahl.
Welche Rechte Fluggäste bei Streik haben
Die Verbraucherzentrale NRW erklärt, welche Rechte betroffene Fluggäste haben.
Die Airline muss laut EU-Verordnung einen Ersatzflug zum nächstmöglichen Zeitpunkt anbieten. Alternativ können Fluggäste bei Annullierung des Flugs vom Luftbeförderungsvertrag zurücktreten und sich den Flugpreis erstatten lassen.
Bei Ausgleichszahlungen ist die Lage strittig. Nach bislang überwiegender Ansicht gelten Streiks als "außergewöhnliche Umstände", und dann braucht die Fluggesellschaft nicht zu zahlen.
Findet der Flug verspätet statt, sichert die europäische Fluggastrechte-Verordnung folgende Rechte zu: Anspruch auf kostenlose Betreuung besteht ab zwei Stunden Verzögerung bei Kurzstrecken (bis 1500 km), ab drei Stunden bei Mittelstrecken (bis 3500 km) und ab vier Stunden bei Langstrecken. Die Airline muss dann für Mahlzeiten, Erfrischungen, zwei Telefongespräche, Telexe, Faxe oder E-Mails sowie eventuell notwendige Hotelübernachtungen (falls sich der Flug um einen Tag verschiebt) samt Transfer sorgen.
Wollen die Fluggäste die Reise bei einer mehr als fünfstündigen Verspätung nicht mehr antreten, können sie ihr Geld zurückverlangen.
Der Reiseveranstalter ist der erste Ansprechpartner, wenn der ausfallende Flug Teil einer Pauschalreise ist. Auch der Veranstalter hat die Pflicht, schnellstmöglich für eine Ersatzbeförderung zu sorgen.
Erst, wenn der Flieger mehr als vier Stunden verspätet ist, kann je nach Flugstrecke ein Reisemangel vorliegen. Dann können für jede weitere Verspätungsstunde fünf Prozent des Tagesreisepreises vom Veranstalter zurückverlangt werden.
Wenn durch den Streik Reiseleistungen ausgefallen sind, haben Urlauber die Möglichkeit, nach ihrer Rückkehr den Preis der Reise zu mindern.
"Wir sind vollkommen überrascht", sagte Wahl. "Wir werden das Urteil analysieren und dann sehen, welche Konsequenzen wir daraus für den Fortgang des Arbeitskampfs ziehen." Am Dienstag hatte die erste Instanz den Arbeitskampf noch gebilligt.
Germanwings zieht Antrag zurück
Die Lufthansa-Tochter Germanwings hat derweil ihren Antrag, der VC die Streiks gerichtlich zu untersagen, zurückgezogen. Das teilte das Landesarbeitsgericht Köln am Mittwochnachmittag mit.
Die Lufthansa begrüßte die Entscheidung des Gerichts. Die Airline will nach eigenen Angaben ab Donnerstag wieder zur Normalität zurückkehren. "Lufthansa wird den Kunden ab morgen weitestgehend den normalen Flugplan und damit den gewohnt zuverlässigen Service anbieten", heißt es in einer Pressemitteilung vom Mittwochmittag. Am Mittwoch soll noch der Sonderflugplan aufrecht erhalten werden.
Die Lufthansa erwägt, wegen des Pilotenstreiks Schadenersatz von der Gewerkschaft zu fordern. Der Konzern prüfe, die bestehende Klage auf 60 Millionen Euro Schadenersatz zu erweitern, sagte Konzernpersonalchefin Bettina Volkens am Mittwoch.
Lufthansa wirft VC "Mogel-Streik" vor
Die Lufthansa hatte der Gewerkschaft in der Frankfurter Berufungsverhandlung vorgeworfen, einen „Mogel-Streik“ zu führen. Die VC hat in der Vergangenheit den von Konzernchef Carsten Spohr geplanten Umbau mit einer externen Billigtochter Eurowings heftig kritisiert. Piloten-Arbeitsplätze mit Billiglöhnen würden ins europäische Ausland exportiert und so dem deutschen Tarifrecht entzogen, lauteten unter anderem die Vorwürfe.
Dienstleister
Vor der Entscheidung hatte der inzwischen 13. Pilotenstreik seit April 2014 einen neuen Höhepunkt erreicht. Wegen der Verlagerung auf die Kurz- und Mittelstrecke waren am Dienstag etwa 1000 Lufthansa-Flüge abgesagt worden. Die Pläne von rund 140.000 Passagieren wurden zum süddeutschen Ferienende in Mitleidenschaft gezogen.
Die Gewerkschaft forderte die Lufthansa auf, sich nicht hinter juristischen Positionen zu verstecken. „Der Konzernvorstand muss endlich erkennen, dass ein Dienstleistungsunternehmen nicht gegen das eigene Personal geführt werden kann“, sagte VC-Sprecher Wahl. Die Gewerkschaft sei bereit, zukunftsfähige Strukturen mitzugestalten.
Die Lufthansa erklärte ihrerseits Bereitschaft, "die Verhandlungen zu allen offenen Tarifverträgen mit der Konzerntarifkommission der VC jederzeit aufzunehmen". Volkens sagte, es sei das Ziel der Airline, "gemeinsam mit der VC eine Lösung durch Verhandlungen zu finden“.